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Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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kamen mir wie gerufen; ich schickte Georg in Orleans zu einem Juwelier, sie zu verkaufen. Sie waren zweihundert Louisd'ors werth -- Georg brachte mir achtzig dafür, die er unter der Bedingung genommen hatte, daß er erst um meine Einwilligung fragen wollte. Ich schüttete sie in meine Börse und reiste ab.

Die Fahrt nach Bordeaux ging schnell und angenehm. Zuweilen flog mein Herz wieder nach Paris zurück zu der schönen Unbekannten; aber mein ganzes Leben zu Paris glich einer Erscheinung im Traume, wie viel mehr diese Liebe von wenig Tagen? Allmählich verloren sich die Eindrücke, welche sie auf mich gemacht hatte, und als ich vor dem Hause des Mr. Gerson abstieg, fühlte ich die beste Laune von der Welt, mich in jede seiner Töchter der Reihe nach zu verlieben und dann nach Hamburg so schnell und frei und fröhlich zurück zu reisen, als von Paris nach Bordeaux.

8.

Das Haus meines prädestinirten Schwiegervaters machte keine üble Miene. Mein Name schien dem Bedienten, der an den Wagen kam, so melodisch zu klingen, als ein Dutzend Goldstücke; er überhäufte mich mit Höflichkeit und führte mich zu Mr. Gerson.

Mr. Gerson war noch einen Kopf unter Pariser Maß, breitschulterig, mager und etwas schief gewachsen. Eine starke Platte verlängerte seine an sich

kamen mir wie gerufen; ich schickte Georg in Orleans zu einem Juwelier, sie zu verkaufen. Sie waren zweihundert Louisd'ors werth — Georg brachte mir achtzig dafür, die er unter der Bedingung genommen hatte, daß er erst um meine Einwilligung fragen wollte. Ich schüttete sie in meine Börse und reiste ab.

Die Fahrt nach Bordeaux ging schnell und angenehm. Zuweilen flog mein Herz wieder nach Paris zurück zu der schönen Unbekannten; aber mein ganzes Leben zu Paris glich einer Erscheinung im Traume, wie viel mehr diese Liebe von wenig Tagen? Allmählich verloren sich die Eindrücke, welche sie auf mich gemacht hatte, und als ich vor dem Hause des Mr. Gerson abstieg, fühlte ich die beste Laune von der Welt, mich in jede seiner Töchter der Reihe nach zu verlieben und dann nach Hamburg so schnell und frei und fröhlich zurück zu reisen, als von Paris nach Bordeaux.

8.

Das Haus meines prädestinirten Schwiegervaters machte keine üble Miene. Mein Name schien dem Bedienten, der an den Wagen kam, so melodisch zu klingen, als ein Dutzend Goldstücke; er überhäufte mich mit Höflichkeit und führte mich zu Mr. Gerson.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:26:46Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:26:46Z)

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Zitationshilfe: Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/26>, abgerufen am 28.04.2024.