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Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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die gewiß eine andere Bestimmung haben, als in Orleans verkauft zu werden.

Dieses Anerbieten kam Georgen erwünscht. Ein Wort gab das andere, und mein Schelm von Diener, der an meinen Pariser Streichen großen Anstoß genommen hatte, erzählte Alles, was er von meiner dortigen Lebensart wußte, und pries sich glücklich, daß die Noth mich endlich triebe, eine so angenehme Zuflucht zu wählen. Mir aber verschwieg er aus guten Gründen Alles.

Victoire, die mit der Frau desselben Kaufmanns in Paris war, erfuhr bei ihrer Zurückkunft, welche Nachrichten von dem deutschen Bräutigam eingegangen waren, und wußte sich nun das schnelle Verschwinden Lord Johnsbury's, den sie, wider ihr dem Vater gegebenes Versprechen, lieb gewonnen hatte, zu erklären. Sie schrieb so eilig als verlegen an ihre Schwester Angelique, weil ihr die Neuigkeit von meiner Verlobung mit Constancen gemeldet worden war.

Angelique durchschaute Alles, rieth ihr, noch einige Zeit zurückzubleiben, und entwarf den Plan zu meiner Züchtigung, den sie zur Unterhaltung der ganzen Familie -- denn seit ich sie selbst zur Braut erkoren hatte, hatte sie den Vater und die Uebrigen in das Verständniß gezogen und zugleich ihre eigene Neigung gegen den Cousin erklärt -- so nachdrücklich durchführte.

Konnte ich über eine Rache zürnen, die ich so wohl verdient hatte, und deren Ziel mein eigenes Glück

die gewiß eine andere Bestimmung haben, als in Orleans verkauft zu werden.

Dieses Anerbieten kam Georgen erwünscht. Ein Wort gab das andere, und mein Schelm von Diener, der an meinen Pariser Streichen großen Anstoß genommen hatte, erzählte Alles, was er von meiner dortigen Lebensart wußte, und pries sich glücklich, daß die Noth mich endlich triebe, eine so angenehme Zuflucht zu wählen. Mir aber verschwieg er aus guten Gründen Alles.

Victoire, die mit der Frau desselben Kaufmanns in Paris war, erfuhr bei ihrer Zurückkunft, welche Nachrichten von dem deutschen Bräutigam eingegangen waren, und wußte sich nun das schnelle Verschwinden Lord Johnsbury's, den sie, wider ihr dem Vater gegebenes Versprechen, lieb gewonnen hatte, zu erklären. Sie schrieb so eilig als verlegen an ihre Schwester Angelique, weil ihr die Neuigkeit von meiner Verlobung mit Constancen gemeldet worden war.

Angelique durchschaute Alles, rieth ihr, noch einige Zeit zurückzubleiben, und entwarf den Plan zu meiner Züchtigung, den sie zur Unterhaltung der ganzen Familie — denn seit ich sie selbst zur Braut erkoren hatte, hatte sie den Vater und die Uebrigen in das Verständniß gezogen und zugleich ihre eigene Neigung gegen den Cousin erklärt — so nachdrücklich durchführte.

Konnte ich über eine Rache zürnen, die ich so wohl verdient hatte, und deren Ziel mein eigenes Glück

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[0059] die gewiß eine andere Bestimmung haben, als in Orleans verkauft zu werden. Dieses Anerbieten kam Georgen erwünscht. Ein Wort gab das andere, und mein Schelm von Diener, der an meinen Pariser Streichen großen Anstoß genommen hatte, erzählte Alles, was er von meiner dortigen Lebensart wußte, und pries sich glücklich, daß die Noth mich endlich triebe, eine so angenehme Zuflucht zu wählen. Mir aber verschwieg er aus guten Gründen Alles. Victoire, die mit der Frau desselben Kaufmanns in Paris war, erfuhr bei ihrer Zurückkunft, welche Nachrichten von dem deutschen Bräutigam eingegangen waren, und wußte sich nun das schnelle Verschwinden Lord Johnsbury's, den sie, wider ihr dem Vater gegebenes Versprechen, lieb gewonnen hatte, zu erklären. Sie schrieb so eilig als verlegen an ihre Schwester Angelique, weil ihr die Neuigkeit von meiner Verlobung mit Constancen gemeldet worden war. Angelique durchschaute Alles, rieth ihr, noch einige Zeit zurückzubleiben, und entwarf den Plan zu meiner Züchtigung, den sie zur Unterhaltung der ganzen Familie — denn seit ich sie selbst zur Braut erkoren hatte, hatte sie den Vater und die Uebrigen in das Verständniß gezogen und zugleich ihre eigene Neigung gegen den Cousin erklärt — so nachdrücklich durchführte. Konnte ich über eine Rache zürnen, die ich so wohl verdient hatte, und deren Ziel mein eigenes Glück

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:26:46Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Kähler, Ludwig August: Die drei Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–57. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaehler_schwestern_1910/59>, abgerufen am 13.05.2024.