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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Zweit. Kap. der jetzige Zustand des siamischen Hofes.
ben. Jch wil davon nur ein Paar der neuesten Beispiele angeben. Vor einigen Jah-
ren hatte sich ein Prinz aus der königlichen Familie von Macassar mit einigen seiner Lan-
desleute nach Siam geflüchtet, wo ihnen der König dicht neben dem Camp der Malay-
en
*) einen Plaz zur Wohnung anwies, und ihnen eigenthümlich einräumte. Dieser
Prinz faßte nach einiger Zeit den Entschlus mit Hülfe der benachbarten Malayen, seiner
mohammedanischen Religionsverwandten, die Hauptstadt zu überfallen, und sich auf
den Thron zu schwingen. Allein dieser Anschlag wurde zu früh verrathen, und nun der
Prinz, weil er zu stolz war, nach Hofe zu kommen und Abbitte zu thun, mit seinem ganzen
Anhange bis auf seinen Sohn von acht Jahren ausgerottet. Ein harter Kampf gieng
vorher, in welchem sich die Macassarier verzweifelt wehrten, und noch viele Siamer ne-
ben sich tödteten. Die Malayen bequemten sich zur Abbitte, und wurden von dem zu
leutseligen König ohne alle Strafe begnadigt. Dies geschahe 1637.

Noch ein andrer Aufruhr eines Priesters.

Jm leztern Jahre (1689) wagte ein Pfaffe aus Peju, der den siamischen Hof
sehr gut kante, und ehmals zu Judja in Verhaft gesessen hatte, einen ähnlichen An-
schlag. Er gab sich auf dem platten Lande für des ohnlängst verstorbnen Königs ältesten
(von Petratja erschlagnen) Bruder und also rechtmäßigen Reichserben aus. Er war so

glük-
*) [Spaltenumbruch]
Die Plätze von der Gegend Judja, wel-
che mit den Wohnungen der verschiednen fremden
Nationen, der Malayer, Sineser, Japaner, Por-
tugiesen, Holländer u. s. w. besezt sind, heißen
Camps; ohne Zweifel aus dem Grunde, weil
diese Wohnungen mehr wie Zelte als Häuser ge-
bauet sind. Dies bestätigt die Behauptung des
Hrn. von Pauws, daß die Bauart der sinesischen
Städte und Häuser von der Einrichtung eines La-
gers oder Zeltes copirt sey. S. Recherches phi-
losophiques sur les Egyptiens & les Chinois. T. II.
p. 14.
Und diese Manier zu bauen trist bei allen
Nationen zu, die aus dem nomadischen Hirtenle-
ben in ein gesitteters übergiengen, und ohngefehr
auf der Gränze zwischen beiden stehen blieben. --
Hier in Siam kömt nun bei verschiednen der frem-
den Nationen noch der Grund hinzu, daß ihr
Aufenthalt nicht dauerhaft und sicher genug ist,
[Spaltenumbruch] um andre als lagerähnliche Wohnungen zu erwäh-
len. Doch darf man nicht denken, dies sey die ein-
zige Ursache, weil verschiedne der erwähnten Na-
tionen schon Jahrhunderte auf diese Art zu woh-
nen pflegen. Und überdem ist die Bauart der Sia-
mer selbst volkommen dieselbe. Loubere (S. De-
scription du Royaume de Siam T. I. p. 86. &c.
)
giebt sehr artige Nachrichten von derselben. Drei-
hundert Häuser, sagt er, die abgebrant waren,
wurden in zwei Tagen wieder gebauet. -- Dem
König hinderten einmal drei Häuser die Aussicht,
und in weniger als einer Stunde konten sie die
Einwohner mit allen darin befindlichen Meublen
wegnehmen. -- Man begreift leicht, daß sich die-
ses nur von Wohnungen sagen läst, die mehr Zel-
te als Häuser sind; und so verhält es sich in der
That mit den siamischen.

Zweit. Kap. der jetzige Zuſtand des ſiamiſchen Hofes.
ben. Jch wil davon nur ein Paar der neueſten Beiſpiele angeben. Vor einigen Jah-
ren hatte ſich ein Prinz aus der koͤniglichen Familie von Macaſſar mit einigen ſeiner Lan-
desleute nach Siam gefluͤchtet, wo ihnen der Koͤnig dicht neben dem Camp der Malay-
en
*) einen Plaz zur Wohnung anwies, und ihnen eigenthuͤmlich einraͤumte. Dieſer
Prinz faßte nach einiger Zeit den Entſchlus mit Huͤlfe der benachbarten Malayen, ſeiner
mohammedaniſchen Religionsverwandten, die Hauptſtadt zu uͤberfallen, und ſich auf
den Thron zu ſchwingen. Allein dieſer Anſchlag wurde zu fruͤh verrathen, und nun der
Prinz, weil er zu ſtolz war, nach Hofe zu kommen und Abbitte zu thun, mit ſeinem ganzen
Anhange bis auf ſeinen Sohn von acht Jahren ausgerottet. Ein harter Kampf gieng
vorher, in welchem ſich die Macaſſarier verzweifelt wehrten, und noch viele Siamer ne-
ben ſich toͤdteten. Die Malayen bequemten ſich zur Abbitte, und wurden von dem zu
leutſeligen Koͤnig ohne alle Strafe begnadigt. Dies geſchahe 1637.

Noch ein andrer Aufruhr eines Prieſters.

Jm leztern Jahre (1689) wagte ein Pfaffe aus Peju, der den ſiamiſchen Hof
ſehr gut kante, und ehmals zu Judja in Verhaft geſeſſen hatte, einen aͤhnlichen An-
ſchlag. Er gab ſich auf dem platten Lande fuͤr des ohnlaͤngſt verſtorbnen Koͤnigs aͤlteſten
(von Petratja erſchlagnen) Bruder und alſo rechtmaͤßigen Reichserben aus. Er war ſo

gluͤk-
*) [Spaltenumbruch]
Die Plaͤtze von der Gegend Judja, wel-
che mit den Wohnungen der verſchiednen fremden
Nationen, der Malayer, Sineſer, Japaner, Por-
tugieſen, Hollaͤnder u. ſ. w. beſezt ſind, heißen
Camps; ohne Zweifel aus dem Grunde, weil
dieſe Wohnungen mehr wie Zelte als Haͤuſer ge-
bauet ſind. Dies beſtaͤtigt die Behauptung des
Hrn. von Pauws, daß die Bauart der ſineſiſchen
Staͤdte und Haͤuſer von der Einrichtung eines La-
gers oder Zeltes copirt ſey. S. Recherches phi-
loſophiques ſur les Egyptiens & les Chinois. T. II.
p. 14.
Und dieſe Manier zu bauen triſt bei allen
Nationen zu, die aus dem nomadiſchen Hirtenle-
ben in ein geſitteters uͤbergiengen, und ohngefehr
auf der Graͤnze zwiſchen beiden ſtehen blieben. —
Hier in Siam koͤmt nun bei verſchiednen der frem-
den Nationen noch der Grund hinzu, daß ihr
Aufenthalt nicht dauerhaft und ſicher genug iſt,
[Spaltenumbruch] um andre als lageraͤhnliche Wohnungen zu erwaͤh-
len. Doch darf man nicht denken, dies ſey die ein-
zige Urſache, weil verſchiedne der erwaͤhnten Na-
tionen ſchon Jahrhunderte auf dieſe Art zu woh-
nen pflegen. Und uͤberdem iſt die Bauart der Sia-
mer ſelbſt volkommen dieſelbe. Loubere (S. De-
ſcription du Royaume de Siam T. I. p. 86. &c.
)
giebt ſehr artige Nachrichten von derſelben. Drei-
hundert Haͤuſer, ſagt er, die abgebrant waren,
wurden in zwei Tagen wieder gebauet. — Dem
Koͤnig hinderten einmal drei Haͤuſer die Auſſicht,
und in weniger als einer Stunde konten ſie die
Einwohner mit allen darin befindlichen Meublen
wegnehmen. — Man begreift leicht, daß ſich die-
ſes nur von Wohnungen ſagen laͤſt, die mehr Zel-
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That mit den ſiamiſchen.
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[31/0107] Zweit. Kap. der jetzige Zuſtand des ſiamiſchen Hofes. ben. Jch wil davon nur ein Paar der neueſten Beiſpiele angeben. Vor einigen Jah- ren hatte ſich ein Prinz aus der koͤniglichen Familie von Macaſſar mit einigen ſeiner Lan- desleute nach Siam gefluͤchtet, wo ihnen der Koͤnig dicht neben dem Camp der Malay- en *) einen Plaz zur Wohnung anwies, und ihnen eigenthuͤmlich einraͤumte. Dieſer Prinz faßte nach einiger Zeit den Entſchlus mit Huͤlfe der benachbarten Malayen, ſeiner mohammedaniſchen Religionsverwandten, die Hauptſtadt zu uͤberfallen, und ſich auf den Thron zu ſchwingen. Allein dieſer Anſchlag wurde zu fruͤh verrathen, und nun der Prinz, weil er zu ſtolz war, nach Hofe zu kommen und Abbitte zu thun, mit ſeinem ganzen Anhange bis auf ſeinen Sohn von acht Jahren ausgerottet. Ein harter Kampf gieng vorher, in welchem ſich die Macaſſarier verzweifelt wehrten, und noch viele Siamer ne- ben ſich toͤdteten. Die Malayen bequemten ſich zur Abbitte, und wurden von dem zu leutſeligen Koͤnig ohne alle Strafe begnadigt. Dies geſchahe 1637. Noch ein andrer Aufruhr eines Prieſters. Jm leztern Jahre (1689) wagte ein Pfaffe aus Peju, der den ſiamiſchen Hof ſehr gut kante, und ehmals zu Judja in Verhaft geſeſſen hatte, einen aͤhnlichen An- ſchlag. Er gab ſich auf dem platten Lande fuͤr des ohnlaͤngſt verſtorbnen Koͤnigs aͤlteſten (von Petratja erſchlagnen) Bruder und alſo rechtmaͤßigen Reichserben aus. Er war ſo gluͤk- *) Die Plaͤtze von der Gegend Judja, wel- che mit den Wohnungen der verſchiednen fremden Nationen, der Malayer, Sineſer, Japaner, Por- tugieſen, Hollaͤnder u. ſ. w. beſezt ſind, heißen Camps; ohne Zweifel aus dem Grunde, weil dieſe Wohnungen mehr wie Zelte als Haͤuſer ge- bauet ſind. Dies beſtaͤtigt die Behauptung des Hrn. von Pauws, daß die Bauart der ſineſiſchen Staͤdte und Haͤuſer von der Einrichtung eines La- gers oder Zeltes copirt ſey. S. Recherches phi- loſophiques ſur les Egyptiens & les Chinois. T. II. p. 14. Und dieſe Manier zu bauen triſt bei allen Nationen zu, die aus dem nomadiſchen Hirtenle- ben in ein geſitteters uͤbergiengen, und ohngefehr auf der Graͤnze zwiſchen beiden ſtehen blieben. — Hier in Siam koͤmt nun bei verſchiednen der frem- den Nationen noch der Grund hinzu, daß ihr Aufenthalt nicht dauerhaft und ſicher genug iſt, um andre als lageraͤhnliche Wohnungen zu erwaͤh- len. Doch darf man nicht denken, dies ſey die ein- zige Urſache, weil verſchiedne der erwaͤhnten Na- tionen ſchon Jahrhunderte auf dieſe Art zu woh- nen pflegen. Und uͤberdem iſt die Bauart der Sia- mer ſelbſt volkommen dieſelbe. Loubere (S. De- ſcription du Royaume de Siam T. I. p. 86. &c.) giebt ſehr artige Nachrichten von derſelben. Drei- hundert Haͤuſer, ſagt er, die abgebrant waren, wurden in zwei Tagen wieder gebauet. — Dem Koͤnig hinderten einmal drei Haͤuſer die Auſſicht, und in weniger als einer Stunde konten ſie die Einwohner mit allen darin befindlichen Meublen wegnehmen. — Man begreift leicht, daß ſich die- ſes nur von Wohnungen ſagen laͤſt, die mehr Zel- te als Haͤuſer ſind; und ſo verhaͤlt es ſich in der That mit den ſiamiſchen.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/107>, abgerufen am 28.11.2024.