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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Erstes Buch.
Gasse kömt man sogleich beim Eintrit in die Stadt, sie krümt sich gerade nach der Rich-
tung der Stadtmauern westwärts. Man sieht in derselben die Häuser des ehemaligen eng-
lischen, holländischen und französischen Residentens und auch des Faulcons. Die mitlere
Gasse, welche nordwärts und gerade nach dem königlichen Pallast läuft, ist am meisten
bewohnt, und mit Künstlern, Handwerkern, Krämern und Boutiquen stark besezt. Jn
diesen beiden Gassen sieht man über hundert sehr kleine Häuser der Sineser, Hindostaner
und der sogenanten Mohren. Sie sind alle von Steinen, aber ganz auf einerlei Art ge-
bauet, acht Schrit lang, vier Schrit breit; haben zwei Stokwerk, aber nicht mehr als
drittehalb Klafter Höhe. Sie sind mit platten Dachsteinen gedekt, und mit unförmlich
breiten Thüren versehn.

Die übrigen Gassen sind sehr wenig bewohnt, und die gemeinen Bürgerhäuser
gar schlechte Hütten von Brettern und Bambusrohr (ein holer Ried, zwei bis drei Span
dik) erbauet, und mit Gabbe Gabbe, (einem wilden in Sümpfen wachsenden Palm-
strauch) bedekt. Die Mandarine (Räthe und Hofleute) wohnen in Höfen und sehr
schlechten Pallästen, deren Boden kothig, die Zimmer schlurdig, und die Gebäude selbst
zwar von Kalch und Steinen, aber doch sehr einfältig sind. Die Boutiquen in der Stadt
sind niedrig und schlecht, doch gerade und nach der Richtung der Gasse ziemlich abgemes-
sen. Wegen der vielen Wassergraben findet man der Brücken eine große Menge. Die,
welche über Hauptgraben gehen, sind von Stein erbauet, mit Brustmauern versehen und
sehr schmal, (weil man hier gar keine Karren oder Wagen hat) in der Mitte hoch und
achzig Schrit lang. Die Brücken über die kleinern Canäle sind von schlechter Bauart und
Tab. II.meist hölzern. Man sehe hievon die beigefügte Figur.

Königliche Palläste.

Es befinden sich in der Stadt drei königliche Palläste. Der neue Pallast, wel-
chen der vorige König nordwärts, etwa in der Mitte der Stadt, angelegt hat, schliest einen
großen viereckigen Plaz ein, hat verschiedene Abtheilungen und mehrere Gebäude, welche
Tab. III
Fig. I.
nach sinesischer Bauart mit vielfachen und zum Theil verguldeten Dächern und Altären aus-
geschmükt sind. Jn- und außerhalb den Mauern findet man lange Ställe, in denen eini-
ge hundert Elephanten in langen Reihen aufgepuzt neben einander stehen.

Nach den französischen Troublen (wie man es hier zu nennen pflegte) darf man
nur durch einen Weg, und nicht anders als zu Fus in den Pallast gehen. Dieser Weg ist
gemeiniglich so kothig, daß man bis über die Waden einsinkt, wenn man nicht auf den
übergelegten Brettern sich im Gleichgewicht zu erhalten weis. Ein gemeiner Mandarin
darf, wenn er in den Pallast geht, nicht mehr als einen Bedienten bei sich haben, und der
Strom, welcher an der Schlosseite vorbeifliest, darf nicht befahren werden. An allen

Thoren

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch.
Gaſſe koͤmt man ſogleich beim Eintrit in die Stadt, ſie kruͤmt ſich gerade nach der Rich-
tung der Stadtmauern weſtwaͤrts. Man ſieht in derſelben die Haͤuſer des ehemaligen eng-
liſchen, hollaͤndiſchen und franzoͤſiſchen Reſidentens und auch des Faulcons. Die mitlere
Gaſſe, welche nordwaͤrts und gerade nach dem koͤniglichen Pallaſt laͤuft, iſt am meiſten
bewohnt, und mit Kuͤnſtlern, Handwerkern, Kraͤmern und Boutiquen ſtark beſezt. Jn
dieſen beiden Gaſſen ſieht man uͤber hundert ſehr kleine Haͤuſer der Sineſer, Hindoſtaner
und der ſogenanten Mohren. Sie ſind alle von Steinen, aber ganz auf einerlei Art ge-
bauet, acht Schrit lang, vier Schrit breit; haben zwei Stokwerk, aber nicht mehr als
drittehalb Klafter Hoͤhe. Sie ſind mit platten Dachſteinen gedekt, und mit unfoͤrmlich
breiten Thuͤren verſehn.

Die uͤbrigen Gaſſen ſind ſehr wenig bewohnt, und die gemeinen Buͤrgerhaͤuſer
gar ſchlechte Huͤtten von Brettern und Bambusrohr (ein holer Ried, zwei bis drei Span
dik) erbauet, und mit Gabbe Gabbe, (einem wilden in Suͤmpfen wachſenden Palm-
ſtrauch) bedekt. Die Mandarine (Raͤthe und Hofleute) wohnen in Hoͤfen und ſehr
ſchlechten Pallaͤſten, deren Boden kothig, die Zimmer ſchlurdig, und die Gebaͤude ſelbſt
zwar von Kalch und Steinen, aber doch ſehr einfaͤltig ſind. Die Boutiquen in der Stadt
ſind niedrig und ſchlecht, doch gerade und nach der Richtung der Gaſſe ziemlich abgemeſ-
ſen. Wegen der vielen Waſſergraben findet man der Bruͤcken eine große Menge. Die,
welche uͤber Hauptgraben gehen, ſind von Stein erbauet, mit Bruſtmauern verſehen und
ſehr ſchmal, (weil man hier gar keine Karren oder Wagen hat) in der Mitte hoch und
achzig Schrit lang. Die Bruͤcken uͤber die kleinern Canaͤle ſind von ſchlechter Bauart und
Tab. II.meiſt hoͤlzern. Man ſehe hievon die beigefuͤgte Figur.

Koͤnigliche Pallaͤſte.

Es befinden ſich in der Stadt drei koͤnigliche Pallaͤſte. Der neue Pallaſt, wel-
chen der vorige Koͤnig nordwaͤrts, etwa in der Mitte der Stadt, angelegt hat, ſchlieſt einen
großen viereckigen Plaz ein, hat verſchiedene Abtheilungen und mehrere Gebaͤude, welche
Tab. III
Fig. I.
nach ſineſiſcher Bauart mit vielfachen und zum Theil verguldeten Daͤchern und Altaͤren aus-
geſchmuͤkt ſind. Jn- und außerhalb den Mauern findet man lange Staͤlle, in denen eini-
ge hundert Elephanten in langen Reihen aufgepuzt neben einander ſtehen.

Nach den franzoͤſiſchen Troublen (wie man es hier zu nennen pflegte) darf man
nur durch einen Weg, und nicht anders als zu Fus in den Pallaſt gehen. Dieſer Weg iſt
gemeiniglich ſo kothig, daß man bis uͤber die Waden einſinkt, wenn man nicht auf den
uͤbergelegten Brettern ſich im Gleichgewicht zu erhalten weis. Ein gemeiner Mandarin
darf, wenn er in den Pallaſt geht, nicht mehr als einen Bedienten bei ſich haben, und der
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Thoren
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[38/0114] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Erſtes Buch. Gaſſe koͤmt man ſogleich beim Eintrit in die Stadt, ſie kruͤmt ſich gerade nach der Rich- tung der Stadtmauern weſtwaͤrts. Man ſieht in derſelben die Haͤuſer des ehemaligen eng- liſchen, hollaͤndiſchen und franzoͤſiſchen Reſidentens und auch des Faulcons. Die mitlere Gaſſe, welche nordwaͤrts und gerade nach dem koͤniglichen Pallaſt laͤuft, iſt am meiſten bewohnt, und mit Kuͤnſtlern, Handwerkern, Kraͤmern und Boutiquen ſtark beſezt. Jn dieſen beiden Gaſſen ſieht man uͤber hundert ſehr kleine Haͤuſer der Sineſer, Hindoſtaner und der ſogenanten Mohren. Sie ſind alle von Steinen, aber ganz auf einerlei Art ge- bauet, acht Schrit lang, vier Schrit breit; haben zwei Stokwerk, aber nicht mehr als drittehalb Klafter Hoͤhe. Sie ſind mit platten Dachſteinen gedekt, und mit unfoͤrmlich breiten Thuͤren verſehn. Die uͤbrigen Gaſſen ſind ſehr wenig bewohnt, und die gemeinen Buͤrgerhaͤuſer gar ſchlechte Huͤtten von Brettern und Bambusrohr (ein holer Ried, zwei bis drei Span dik) erbauet, und mit Gabbe Gabbe, (einem wilden in Suͤmpfen wachſenden Palm- ſtrauch) bedekt. Die Mandarine (Raͤthe und Hofleute) wohnen in Hoͤfen und ſehr ſchlechten Pallaͤſten, deren Boden kothig, die Zimmer ſchlurdig, und die Gebaͤude ſelbſt zwar von Kalch und Steinen, aber doch ſehr einfaͤltig ſind. Die Boutiquen in der Stadt ſind niedrig und ſchlecht, doch gerade und nach der Richtung der Gaſſe ziemlich abgemeſ- ſen. Wegen der vielen Waſſergraben findet man der Bruͤcken eine große Menge. Die, welche uͤber Hauptgraben gehen, ſind von Stein erbauet, mit Bruſtmauern verſehen und ſehr ſchmal, (weil man hier gar keine Karren oder Wagen hat) in der Mitte hoch und achzig Schrit lang. Die Bruͤcken uͤber die kleinern Canaͤle ſind von ſchlechter Bauart und meiſt hoͤlzern. Man ſehe hievon die beigefuͤgte Figur. Tab. II. Koͤnigliche Pallaͤſte. Es befinden ſich in der Stadt drei koͤnigliche Pallaͤſte. Der neue Pallaſt, wel- chen der vorige Koͤnig nordwaͤrts, etwa in der Mitte der Stadt, angelegt hat, ſchlieſt einen großen viereckigen Plaz ein, hat verſchiedene Abtheilungen und mehrere Gebaͤude, welche nach ſineſiſcher Bauart mit vielfachen und zum Theil verguldeten Daͤchern und Altaͤren aus- geſchmuͤkt ſind. Jn- und außerhalb den Mauern findet man lange Staͤlle, in denen eini- ge hundert Elephanten in langen Reihen aufgepuzt neben einander ſtehen. Tab. III Fig. I. Nach den franzoͤſiſchen Troublen (wie man es hier zu nennen pflegte) darf man nur durch einen Weg, und nicht anders als zu Fus in den Pallaſt gehen. Dieſer Weg iſt gemeiniglich ſo kothig, daß man bis uͤber die Waden einſinkt, wenn man nicht auf den uͤbergelegten Brettern ſich im Gleichgewicht zu erhalten weis. Ein gemeiner Mandarin darf, wenn er in den Pallaſt geht, nicht mehr als einen Bedienten bei ſich haben, und der Strom, welcher an der Schlosſeite vorbeiflieſt, darf nicht befahren werden. An allen Thoren

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/114>, abgerufen am 28.11.2024.