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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Zweit. Kap. der jetzige Zustand des siamischen Hofes.
Thoren und Zugängen schwärmen viele nakte Kerls umher, welche auf ihrer kastanien-
braunen Haut mit schwarzen, würfelweise eingeäzten Figuren gemalt sind. (Gerade wie
man am H. Grabe zu Jerusalem die Bilder einätzet) einige nur an den Armen, andere
über den ganzen Leib, bis auf die, nach der Manier aller Siamer, mit einem Tuch be-
wundenen Lenden. Man nent sie portugiesisch bras pintades. Aus diesen Leuten besteht
die königliche Guarde oder Thorwache, und zum Theil geben sie auch Ruderknechte ab.
Stat des scharfen Gewehrs ist jeder von ihnen mit einem guten dicken Knittel versehn.
Diese Kerls schweifen auch hin und wieder in und außer der Stadt als Müssiggänger
herum.

Das zweite Schlos wird gemeiniglich der vordere Pallast genant. Er liegt am
nordöstlichen Ende und gleichsam auf einem Absatze von der Stadt; er schliest auch einen
viereckigen Plaz, aber doch von weit kleinerm Umfange, als der erste Pallast, ein. Er
war ehmals die Residenz der Könige, und wird jezt (1690) von einem königlichen Prin-
zen, der etwa zwanzig Jahr alt ist, bewohnt.

Der dritte oder sogenante hinterste Pallast ist noch kleiner; er liegt an der westli-
chen, meist unbewohnten Seite der Stadt, und wird jezt auch von einem Prinzen aus kö-
niglichem Geblüt bewohnt, welcher des Königs Leibelephanten führt. Er sizt dabei nicht,
wie sonst gewöhnlich, auf dem Halse, sondern liegt hinter dem Könige auf den Lenden des Thiers,
und regiert es dann durch verschiedne Zeichen, zu denen er abgerichtet ist. Wegen dieses
Bewohners nante man dies Gebäude auch den Pallast des königlichen Elephantenbereiters.

Tempel.

Nach den königlichen Pallästen verdienen nun auch noch einige Kirchen und Schul-
gebäude bemerkt zu werden. Es giebt derselben eine große Menge, und wie das ganze Land mit
Pfaffen und Mönchen ganz angefült ist; so sieht man auch in dieser Stadt an allen Orten
Tempel, deren Höfe zierlich mit den Gassen in gleicher Ordnung stehn, und mit vergulde-
ten Piramiden oder Säulen von verschiedener Form besezt sind. Sie sind nicht so gros
wie unsre Kirchen, aber an äußerer Schönheit gehen sie ihnen weit vor. Diese Schönheit
besteht besonders in vielfach gebogenen künstlichen Dächern, in verguldeten Giebeln, her-
vorstehenden Säulen, Treppen und andern Zierrathen. Das innere ist mit vielen Bil-
dern geschmükt, die aus Gyps, Harz, Oel und Haar theils in Lebensgröße, theils auch
in mehr als Lebensgröße verfertigt sind, und deren mit schwarzem Firnis überzogene Fläche
verguldet ist. Sie sind auf erhabenen Boden am Altar und an der Mauer herum in ver-
schiedenen Reihen gestelt, haben die Beine über einander geschlagen, und sind übrigens
ganz nakt bis auf die mit einem dunkelgelben Schürztuche bewundene Schaam. Ueber

die

Zweit. Kap. der jetzige Zuſtand des ſiamiſchen Hofes.
Thoren und Zugaͤngen ſchwaͤrmen viele nakte Kerls umher, welche auf ihrer kaſtanien-
braunen Haut mit ſchwarzen, wuͤrfelweiſe eingeaͤzten Figuren gemalt ſind. (Gerade wie
man am H. Grabe zu Jeruſalem die Bilder einaͤtzet) einige nur an den Armen, andere
uͤber den ganzen Leib, bis auf die, nach der Manier aller Siamer, mit einem Tuch be-
wundenen Lenden. Man nent ſie portugieſiſch bras pintades. Aus dieſen Leuten beſteht
die koͤnigliche Guarde oder Thorwache, und zum Theil geben ſie auch Ruderknechte ab.
Stat des ſcharfen Gewehrs iſt jeder von ihnen mit einem guten dicken Knittel verſehn.
Dieſe Kerls ſchweifen auch hin und wieder in und außer der Stadt als Muͤſſiggaͤnger
herum.

Das zweite Schlos wird gemeiniglich der vordere Pallaſt genant. Er liegt am
nordoͤſtlichen Ende und gleichſam auf einem Abſatze von der Stadt; er ſchlieſt auch einen
viereckigen Plaz, aber doch von weit kleinerm Umfange, als der erſte Pallaſt, ein. Er
war ehmals die Reſidenz der Koͤnige, und wird jezt (1690) von einem koͤniglichen Prin-
zen, der etwa zwanzig Jahr alt iſt, bewohnt.

Der dritte oder ſogenante hinterſte Pallaſt iſt noch kleiner; er liegt an der weſtli-
chen, meiſt unbewohnten Seite der Stadt, und wird jezt auch von einem Prinzen aus koͤ-
niglichem Gebluͤt bewohnt, welcher des Koͤnigs Leibelephanten fuͤhrt. Er ſizt dabei nicht,
wie ſonſt gewoͤhnlich, auf dem Halſe, ſondern liegt hinter dem Koͤnige auf den Lenden des Thiers,
und regiert es dann durch verſchiedne Zeichen, zu denen er abgerichtet iſt. Wegen dieſes
Bewohners nante man dies Gebaͤude auch den Pallaſt des koͤniglichen Elephantenbereiters.

Tempel.

Nach den koͤniglichen Pallaͤſten verdienen nun auch noch einige Kirchen und Schul-
gebaͤude bemerkt zu werden. Es giebt derſelben eine große Menge, und wie das ganze Land mit
Pfaffen und Moͤnchen ganz angefuͤlt iſt; ſo ſieht man auch in dieſer Stadt an allen Orten
Tempel, deren Hoͤfe zierlich mit den Gaſſen in gleicher Ordnung ſtehn, und mit vergulde-
ten Piramiden oder Saͤulen von verſchiedener Form beſezt ſind. Sie ſind nicht ſo gros
wie unſre Kirchen, aber an aͤußerer Schoͤnheit gehen ſie ihnen weit vor. Dieſe Schoͤnheit
beſteht beſonders in vielfach gebogenen kuͤnſtlichen Daͤchern, in verguldeten Giebeln, her-
vorſtehenden Saͤulen, Treppen und andern Zierrathen. Das innere iſt mit vielen Bil-
dern geſchmuͤkt, die aus Gyps, Harz, Oel und Haar theils in Lebensgroͤße, theils auch
in mehr als Lebensgroͤße verfertigt ſind, und deren mit ſchwarzem Firnis uͤberzogene Flaͤche
verguldet iſt. Sie ſind auf erhabenen Boden am Altar und an der Mauer herum in ver-
ſchiedenen Reihen geſtelt, haben die Beine uͤber einander geſchlagen, und ſind uͤbrigens
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die
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[39/0117] Zweit. Kap. der jetzige Zuſtand des ſiamiſchen Hofes. Thoren und Zugaͤngen ſchwaͤrmen viele nakte Kerls umher, welche auf ihrer kaſtanien- braunen Haut mit ſchwarzen, wuͤrfelweiſe eingeaͤzten Figuren gemalt ſind. (Gerade wie man am H. Grabe zu Jeruſalem die Bilder einaͤtzet) einige nur an den Armen, andere uͤber den ganzen Leib, bis auf die, nach der Manier aller Siamer, mit einem Tuch be- wundenen Lenden. Man nent ſie portugieſiſch bras pintades. Aus dieſen Leuten beſteht die koͤnigliche Guarde oder Thorwache, und zum Theil geben ſie auch Ruderknechte ab. Stat des ſcharfen Gewehrs iſt jeder von ihnen mit einem guten dicken Knittel verſehn. Dieſe Kerls ſchweifen auch hin und wieder in und außer der Stadt als Muͤſſiggaͤnger herum. Das zweite Schlos wird gemeiniglich der vordere Pallaſt genant. Er liegt am nordoͤſtlichen Ende und gleichſam auf einem Abſatze von der Stadt; er ſchlieſt auch einen viereckigen Plaz, aber doch von weit kleinerm Umfange, als der erſte Pallaſt, ein. Er war ehmals die Reſidenz der Koͤnige, und wird jezt (1690) von einem koͤniglichen Prin- zen, der etwa zwanzig Jahr alt iſt, bewohnt. Der dritte oder ſogenante hinterſte Pallaſt iſt noch kleiner; er liegt an der weſtli- chen, meiſt unbewohnten Seite der Stadt, und wird jezt auch von einem Prinzen aus koͤ- niglichem Gebluͤt bewohnt, welcher des Koͤnigs Leibelephanten fuͤhrt. Er ſizt dabei nicht, wie ſonſt gewoͤhnlich, auf dem Halſe, ſondern liegt hinter dem Koͤnige auf den Lenden des Thiers, und regiert es dann durch verſchiedne Zeichen, zu denen er abgerichtet iſt. Wegen dieſes Bewohners nante man dies Gebaͤude auch den Pallaſt des koͤniglichen Elephantenbereiters. Tempel. Nach den koͤniglichen Pallaͤſten verdienen nun auch noch einige Kirchen und Schul- gebaͤude bemerkt zu werden. Es giebt derſelben eine große Menge, und wie das ganze Land mit Pfaffen und Moͤnchen ganz angefuͤlt iſt; ſo ſieht man auch in dieſer Stadt an allen Orten Tempel, deren Hoͤfe zierlich mit den Gaſſen in gleicher Ordnung ſtehn, und mit vergulde- ten Piramiden oder Saͤulen von verſchiedener Form beſezt ſind. Sie ſind nicht ſo gros wie unſre Kirchen, aber an aͤußerer Schoͤnheit gehen ſie ihnen weit vor. Dieſe Schoͤnheit beſteht beſonders in vielfach gebogenen kuͤnſtlichen Daͤchern, in verguldeten Giebeln, her- vorſtehenden Saͤulen, Treppen und andern Zierrathen. Das innere iſt mit vielen Bil- dern geſchmuͤkt, die aus Gyps, Harz, Oel und Haar theils in Lebensgroͤße, theils auch in mehr als Lebensgroͤße verfertigt ſind, und deren mit ſchwarzem Firnis uͤberzogene Flaͤche verguldet iſt. Sie ſind auf erhabenen Boden am Altar und an der Mauer herum in ver- ſchiedenen Reihen geſtelt, haben die Beine uͤber einander geſchlagen, und ſind uͤbrigens ganz nakt bis auf die mit einem dunkelgelben Schuͤrztuche bewundene Schaam. Ueber die

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/117>, abgerufen am 27.11.2024.