Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.Drit. Kap. Abreise des Verfassers von Judja. Wir haben bis diese Zeit auf unserm Schiffe weder Todte noch Kranke gehabt. So bald wir Anker geworfen hatten, fanden sich schon zwei japanische Wachtschif- Den 24sten Septemb. trieben wir die Hälfte des Weges früh Morgens mit ei- Hier-
Drit. Kap. Abreiſe des Verfaſſers von Judja. Wir haben bis dieſe Zeit auf unſerm Schiffe weder Todte noch Kranke gehabt. So bald wir Anker geworfen hatten, fanden ſich ſchon zwei japaniſche Wachtſchif- Den 24ſten Septemb. trieben wir die Haͤlfte des Weges fruͤh Morgens mit ei- Hier-
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Drit. Kap. Abreiſe des Verfaſſers von Judja.
Wir haben bis dieſe Zeit auf unſerm Schiffe weder Todte noch Kranke gehabt.
Nur der mehrmal erwaͤhnte Buchhalter wurde, weil man ihm keinen Arrak und Bran-
tewein mehr geben wolte, den Abend vor unſerer Landung mit einem Schlagflus befallen,
der ihm ploͤzlich Sprache und Verſtand, und nach einigen Stunden mit ſchreklichen
Krampfverzuckungen das Leben nahm. Dieſer Man hatte ſonſt ſehr viele Geſchiklichkeit,
und war der Sohn eines beruͤhmten Gottesgelehrten im Haag. Durch eine zu nachſehende
Erziehung aber war er ſchon fruͤh in Ausſchweifungen und wuͤſtes Leben verfallen.
So bald wir Anker geworfen hatten, fanden ſich ſchon zwei japaniſche Wachtſchif-
fe uns zur Seite; und fuhren die ganze Nacht fleißig rund um unſer Schif herum. Alle
ſineſiſche Junken, die heute ausgelaufen waren, wurden auch jede mit einem Wachtſchif-
fe in die offene See begleitet. Nicht weit von uns legte ſich die Flotte eines mit gewoͤhnli-
cher Pracht ausgereiſeten Herrn vor Anker. Es beſtand aus vierzig Fahrzeugen oder Luſt-
ſchiffen, die ohngefehr wie die Struven in Rusland erbauet waren, welche von Caſan nach
Moskau fahren. Dieſe kleine Flotte fiel ſehr ſchoͤn ins Auge, des Nachts mit vielen an-
gezuͤndeten Laternen, und des folgenden Morgens, wie ſie abfuhr, mit den halb weißen
und halbſchwarzen Segeln, welche zugleich aufgezogen wurden.
Den 24ſten Septemb. trieben wir die Haͤlfte des Weges fruͤh Morgens mit ei-
nem gelinden kuͤhlen Winde hinauf; hernach wurden wir mit zwanzig japaniſchen Ruder-
ſchuͤten, die ſich an einem vom Vordertheile des Schifs abreichenden Strik befeſtigten,
ferner hinauf bis auf zwei hundert Schritte von der Stadt und unſerer Wohnung hinauf-
gezogen. Der Hafen von Nagaſacki iſt mit hohen Bergen, Jnſeln und Klippen umſchloſ-
ſen, und wider alle Sturmwinde und wuͤtende Meerswellen durch die Natur ſelbſt geſichert.
Die Spitzen der umliegenden Berge ſind mit Wachthaͤuſern verſehen, in welchen die
Waͤchter alles beobachten koͤnnen, was auf der See vorfaͤlt, welches ſie dann der Regie-
rung zu Nagaſacki anzuzeigen haben. So hatten ſie ſchon vorgeſtern die Ankunft unſers
Schiffes angemeldet. Der Fus der Berge, welcher das Ufer ausmacht, iſt mit verſchie-
denen Rondelen nach der Waſſerflaͤche beſezt, auf welchen ich zwar zur Zierde rothe Sta-
cketen, aber kein Geſchuͤz wahrnahm. Außerdem findet man auch noch auf hohem Lande
unweit dem Ufer zu beiden Seiten eine anſehnliche hohe kaiſerliche Wache, wo man aber
ein Gewand vorgezogen hat, um zu verbergen, wie viel an Manſchaft und Stuͤcken vor-
handen ſey? Jm Vorbeigehen gruͤſten wir jede Wache mit zwoͤlf groben Stuͤcken, und wie
wir den angewieſenen Plaz erreicht hatten, ließen wir unſern Anker fallen, etwa drei hun-
dert Schrit von der Stadt, und eben ſo weit von dem hollaͤndiſchen Wohnort Deſima,
welches eine vor dem Ufer der Stadt aufgefuͤhrte, umſchloſſene kleine Jnſel iſt.
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