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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Sechst. Kap. Ueber den Ursprung der Japaner.
Winkel der Erde. Durch almähligen Zusaz aus fremden Landen und die zufällige Ue-
berkunft vieler Ausländer gediehen sie nach und nach zu einem großen Volk, und lebten un-
ter poliarchischer Regierung nach der wüsten tatarischen Hordenart viele Jahrhunderte durch,
bis sie endlich einen algemeinen König, nemlich den Dsin Mu Ten Oo über sich
erwählten.

Und so mus man also die Japaner nach ihrer Wurzel und erstem Ursprunge für
eine selbstständige Nation halten, welche den Sinesern in Absicht ihres Herkommens nichts
verdankt. Freilich haben die Japaner ihre Sittenlehre, Künste und Wissenschaften von
den Sinesern, wie die Römer von den Griechen bekommen; allein nie nahmen sie
weder von dieser noch irgend einer andern Nation einen Ueberwinder oder Beherscher an.



Siebentes Kapitel.
Vom Ursprung der Japaner nach ihren eignen fa-
belhaften Meinungen.


Die Japaner selbst halten es für eine ihnen sehr schimpfliche Meinung, wenn man
sie aus dem Blute und Reiche der Sineser oder irgend eines andern fremden Volks
ableiten wil. Sie wollen in ihrer eignen kleinen Welt entsprossen seyn, doch nicht als Re-
genwürmer und Mäuse aus der Erde, wie Diogenes, der Cyniker, den auf eben die Art stol-
zen Atheniensern vorwars; sondern sie erklären ihre Entstehung auf eine weit höhere und
edlere Art. Sie leiten sich nemlich aus dem Geschlecht der Götter und gleichsam aus der
Ewigkeit ab, wenn ich mich so ausdrücken darf. Doch behaupten sie nicht, daß sie ewig
da gewesen, sondern daß sie aus der ersten Bewegung des Chaos durch götliche Kraft ent-
sprungen wären. Sie geben, um dies begreiflich zu machen, zwei verschiedne Genealogien
ihrer Gottheiten an.

Die

Sechſt. Kap. Ueber den Urſprung der Japaner.
Winkel der Erde. Durch almaͤhligen Zuſaz aus fremden Landen und die zufaͤllige Ue-
berkunft vieler Auslaͤnder gediehen ſie nach und nach zu einem großen Volk, und lebten un-
ter poliarchiſcher Regierung nach der wuͤſten tatariſchen Hordenart viele Jahrhunderte durch,
bis ſie endlich einen algemeinen Koͤnig, nemlich den Dſin Mu Ten Oo uͤber ſich
erwaͤhlten.

Und ſo mus man alſo die Japaner nach ihrer Wurzel und erſtem Urſprunge fuͤr
eine ſelbſtſtaͤndige Nation halten, welche den Sineſern in Abſicht ihres Herkommens nichts
verdankt. Freilich haben die Japaner ihre Sittenlehre, Kuͤnſte und Wiſſenſchaften von
den Sineſern, wie die Roͤmer von den Griechen bekommen; allein nie nahmen ſie
weder von dieſer noch irgend einer andern Nation einen Ueberwinder oder Beherſcher an.



Siebentes Kapitel.
Vom Urſprung der Japaner nach ihren eignen fa-
belhaften Meinungen.


Die Japaner ſelbſt halten es fuͤr eine ihnen ſehr ſchimpfliche Meinung, wenn man
ſie aus dem Blute und Reiche der Sineſer oder irgend eines andern fremden Volks
ableiten wil. Sie wollen in ihrer eignen kleinen Welt entſproſſen ſeyn, doch nicht als Re-
genwuͤrmer und Maͤuſe aus der Erde, wie Diogenes, der Cyniker, den auf eben die Art ſtol-
zen Athenienſern vorwarſ; ſondern ſie erklaͤren ihre Entſtehung auf eine weit hoͤhere und
edlere Art. Sie leiten ſich nemlich aus dem Geſchlecht der Goͤtter und gleichſam aus der
Ewigkeit ab, wenn ich mich ſo ausdruͤcken darf. Doch behaupten ſie nicht, daß ſie ewig
da geweſen, ſondern daß ſie aus der erſten Bewegung des Chaos durch goͤtliche Kraft ent-
ſprungen waͤren. Sie geben, um dies begreiflich zu machen, zwei verſchiedne Genealogien
ihrer Gottheiten an.

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[111/0199] Sechſt. Kap. Ueber den Urſprung der Japaner. Winkel der Erde. Durch almaͤhligen Zuſaz aus fremden Landen und die zufaͤllige Ue- berkunft vieler Auslaͤnder gediehen ſie nach und nach zu einem großen Volk, und lebten un- ter poliarchiſcher Regierung nach der wuͤſten tatariſchen Hordenart viele Jahrhunderte durch, bis ſie endlich einen algemeinen Koͤnig, nemlich den Dſin Mu Ten Oo uͤber ſich erwaͤhlten. Und ſo mus man alſo die Japaner nach ihrer Wurzel und erſtem Urſprunge fuͤr eine ſelbſtſtaͤndige Nation halten, welche den Sineſern in Abſicht ihres Herkommens nichts verdankt. Freilich haben die Japaner ihre Sittenlehre, Kuͤnſte und Wiſſenſchaften von den Sineſern, wie die Roͤmer von den Griechen bekommen; allein nie nahmen ſie weder von dieſer noch irgend einer andern Nation einen Ueberwinder oder Beherſcher an. Siebentes Kapitel. Vom Urſprung der Japaner nach ihren eignen fa- belhaften Meinungen. Die Japaner ſelbſt halten es fuͤr eine ihnen ſehr ſchimpfliche Meinung, wenn man ſie aus dem Blute und Reiche der Sineſer oder irgend eines andern fremden Volks ableiten wil. Sie wollen in ihrer eignen kleinen Welt entſproſſen ſeyn, doch nicht als Re- genwuͤrmer und Maͤuſe aus der Erde, wie Diogenes, der Cyniker, den auf eben die Art ſtol- zen Athenienſern vorwarſ; ſondern ſie erklaͤren ihre Entſtehung auf eine weit hoͤhere und edlere Art. Sie leiten ſich nemlich aus dem Geſchlecht der Goͤtter und gleichſam aus der Ewigkeit ab, wenn ich mich ſo ausdruͤcken darf. Doch behaupten ſie nicht, daß ſie ewig da geweſen, ſondern daß ſie aus der erſten Bewegung des Chaos durch goͤtliche Kraft ent- ſprungen waͤren. Sie geben, um dies begreiflich zu machen, zwei verſchiedne Genealogien ihrer Gottheiten an. Die

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/199>, abgerufen am 21.11.2024.