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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Zweites Buch.
daß zwei auf einander folgende Kaiser eben denselben Ort zu ihrem Auffenhalt erwählten,
bis zulezt auf diese Weise ihre Hofhaltung zu Miaco festgesezt ist. Sie haben den nord-
östlichen Theil dieser großen Hauptstadt in Besiz, der wol den Namen einer besondern Stadt
verdienet, nicht nur wegen seines großen Umfangs, vieler Straßen, Palläste, und andrer
in diesem Bezirk gebaueten vielen Häuser, sondern auch weil das Schlos wirklich von
Miaco abgesondert und gegen plözliche Annäherungen eines unvermutheten Feindes mit Gra-
ben, Wällen, Mauren und Thoren wohl befestigt ist. Der Mikaddo selbst hält sich ohn-
gefehr in der Mitten auf, in einem weiten, sehr geräumigen Pallast, welcher vor andern
an seinem hohen ansehnlichen Thurm zu erkennen ist. Seine kaiserliche Gemalin lebt mit
ihm in selbigem Pallaste; die andern Weiber aber in einem zu allernächst angebaueten. Ein
wenig weiter sind die Häuser von des Dairi Betkammer und andrer Aemterbedienten, als
welche nur allein eine beständige und unmittelbare Aussicht auf des Dairi geheiligte Person
haben müssen. Wenn ein Mikaddo abdanket, ist ihm ein besondrer Pallast angewiesen,
wie auch seiner Familie und Hofleuten, imgleichen dem Erbprinzen nebst seiner Hof hal-
tung. Der Ueberrest der Straßen und Häuser ist unter die Bedienten nach jedes Rang
und Würde vertheilt. Der weltliche Monarch hält jedesmal eine Guarde von Bugjos und
Soldaten an des Dairi Hofe aus zärtlicher Liebe und Sorgfalt für die Erhaltung dessen
geheiligten Person, oder eigentlich, um ihn unter seiner Gewalt beständig zu erhalten und
zu verhindern, daß er den Thron und das höchste Ansehen, welches er ihm genommen, nie-
mals wieder bekommen möge.

So viel von dem Dairi, seinem Hofe und Regierung überhaupt. Nun ist noch
übrig, ehe ich zu der Historie und Erbfolge der geistlichen Kaiser fortgehe, einige algemeine
Anmerkungen zum Grunde zu legen, wodurch die uns dabei übliche Zeitrechnungen deutli-
cher gemacht werden können. Die Japaner haben zwei Hauptäras oder Zeitrechnun-
gen.
Die erste und gemeinste fängt sich mit der Regierung ihres ersten Kaisers Symnu
im Jahr vor Christi Geburt 660 an; folglich war das Jahr Christi 3693, d. i. das 6te
Jahr der Nengo Genrokf, das 2353te nach Symnu. Diese Epoche wird in Japan
genant Nin O, welches, eigentlich zu reden, einen großen und mächtigen Herrn oder
Monarchen und in einem weit höhern Verstande den Allerersten bedeutet.

Die zweite in Japan gebrauchte Epoche heist Nengo, und ist von den Chinesern,
um in der Zeitrechnung eine Gewisheit zu haben, erfunden worden, indem sie dachten,
es würde ihre gemeine Zeitrechnung in Japan mit angenommen werden, welches aber nicht
ehe geschehen ist, bis unter der Regierung des 36ten Kaisers, zu welcher Zeit sie in Ja-
pan eingeführet ist. Die Nengo begreift nur einen Zeitlauf von wenig Jahren, gemeinig-
lich weniger denn 20, und selten höher und über diese Zahl. Von dem Kaiser wird allemal

ver-

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Zweites Buch.
daß zwei auf einander folgende Kaiſer eben denſelben Ort zu ihrem Auffenhalt erwaͤhlten,
bis zulezt auf dieſe Weiſe ihre Hofhaltung zu Miaco feſtgeſezt iſt. Sie haben den nord-
oͤſtlichen Theil dieſer großen Hauptſtadt in Beſiz, der wol den Namen einer beſondern Stadt
verdienet, nicht nur wegen ſeines großen Umfangs, vieler Straßen, Pallaͤſte, und andrer
in dieſem Bezirk gebaueten vielen Haͤuſer, ſondern auch weil das Schlos wirklich von
Miaco abgeſondert und gegen ploͤzliche Annaͤherungen eines unvermutheten Feindes mit Gra-
ben, Waͤllen, Mauren und Thoren wohl befeſtigt iſt. Der Mikaddo ſelbſt haͤlt ſich ohn-
gefehr in der Mitten auf, in einem weiten, ſehr geraͤumigen Pallaſt, welcher vor andern
an ſeinem hohen anſehnlichen Thurm zu erkennen iſt. Seine kaiſerliche Gemalin lebt mit
ihm in ſelbigem Pallaſte; die andern Weiber aber in einem zu allernaͤchſt angebaueten. Ein
wenig weiter ſind die Haͤuſer von des Dairi Betkammer und andrer Aemterbedienten, als
welche nur allein eine beſtaͤndige und unmittelbare Auſſicht auf des Dairi geheiligte Perſon
haben muͤſſen. Wenn ein Mikaddo abdanket, iſt ihm ein beſondrer Pallaſt angewieſen,
wie auch ſeiner Familie und Hofleuten, imgleichen dem Erbprinzen nebſt ſeiner Hof hal-
tung. Der Ueberreſt der Straßen und Haͤuſer iſt unter die Bedienten nach jedes Rang
und Wuͤrde vertheilt. Der weltliche Monarch haͤlt jedesmal eine Guarde von Bugjos und
Soldaten an des Dairi Hofe aus zaͤrtlicher Liebe und Sorgfalt fuͤr die Erhaltung deſſen
geheiligten Perſon, oder eigentlich, um ihn unter ſeiner Gewalt beſtaͤndig zu erhalten und
zu verhindern, daß er den Thron und das hoͤchſte Anſehen, welches er ihm genommen, nie-
mals wieder bekommen moͤge.

So viel von dem Dairi, ſeinem Hofe und Regierung uͤberhaupt. Nun iſt noch
uͤbrig, ehe ich zu der Hiſtorie und Erbfolge der geiſtlichen Kaiſer fortgehe, einige algemeine
Anmerkungen zum Grunde zu legen, wodurch die uns dabei uͤbliche Zeitrechnungen deutli-
cher gemacht werden koͤnnen. Die Japaner haben zwei Hauptaͤras oder Zeitrechnun-
gen.
Die erſte und gemeinſte faͤngt ſich mit der Regierung ihres erſten Kaiſers Symnu
im Jahr vor Chriſti Geburt 660 an; folglich war das Jahr Chriſti 3693, d. i. das 6te
Jahr der Nengo Genrokf, das 2353te nach Symnu. Dieſe Epoche wird in Japan
genant Nin O, welches, eigentlich zu reden, einen großen und maͤchtigen Herrn oder
Monarchen und in einem weit hoͤhern Verſtande den Allererſten bedeutet.

Die zweite in Japan gebrauchte Epoche heiſt Nengo, und iſt von den Chineſern,
um in der Zeitrechnung eine Gewisheit zu haben, erfunden worden, indem ſie dachten,
es wuͤrde ihre gemeine Zeitrechnung in Japan mit angenommen werden, welches aber nicht
ehe geſchehen iſt, bis unter der Regierung des 36ten Kaiſers, zu welcher Zeit ſie in Ja-
pan eingefuͤhret iſt. Die Nengo begreift nur einen Zeitlauf von wenig Jahren, gemeinig-
lich weniger denn 20, und ſelten hoͤher und uͤber dieſe Zahl. Von dem Kaiſer wird allemal

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[180/0280] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Zweites Buch. daß zwei auf einander folgende Kaiſer eben denſelben Ort zu ihrem Auffenhalt erwaͤhlten, bis zulezt auf dieſe Weiſe ihre Hofhaltung zu Miaco feſtgeſezt iſt. Sie haben den nord- oͤſtlichen Theil dieſer großen Hauptſtadt in Beſiz, der wol den Namen einer beſondern Stadt verdienet, nicht nur wegen ſeines großen Umfangs, vieler Straßen, Pallaͤſte, und andrer in dieſem Bezirk gebaueten vielen Haͤuſer, ſondern auch weil das Schlos wirklich von Miaco abgeſondert und gegen ploͤzliche Annaͤherungen eines unvermutheten Feindes mit Gra- ben, Waͤllen, Mauren und Thoren wohl befeſtigt iſt. Der Mikaddo ſelbſt haͤlt ſich ohn- gefehr in der Mitten auf, in einem weiten, ſehr geraͤumigen Pallaſt, welcher vor andern an ſeinem hohen anſehnlichen Thurm zu erkennen iſt. Seine kaiſerliche Gemalin lebt mit ihm in ſelbigem Pallaſte; die andern Weiber aber in einem zu allernaͤchſt angebaueten. Ein wenig weiter ſind die Haͤuſer von des Dairi Betkammer und andrer Aemterbedienten, als welche nur allein eine beſtaͤndige und unmittelbare Auſſicht auf des Dairi geheiligte Perſon haben muͤſſen. Wenn ein Mikaddo abdanket, iſt ihm ein beſondrer Pallaſt angewieſen, wie auch ſeiner Familie und Hofleuten, imgleichen dem Erbprinzen nebſt ſeiner Hof hal- tung. Der Ueberreſt der Straßen und Haͤuſer iſt unter die Bedienten nach jedes Rang und Wuͤrde vertheilt. Der weltliche Monarch haͤlt jedesmal eine Guarde von Bugjos und Soldaten an des Dairi Hofe aus zaͤrtlicher Liebe und Sorgfalt fuͤr die Erhaltung deſſen geheiligten Perſon, oder eigentlich, um ihn unter ſeiner Gewalt beſtaͤndig zu erhalten und zu verhindern, daß er den Thron und das hoͤchſte Anſehen, welches er ihm genommen, nie- mals wieder bekommen moͤge. So viel von dem Dairi, ſeinem Hofe und Regierung uͤberhaupt. Nun iſt noch uͤbrig, ehe ich zu der Hiſtorie und Erbfolge der geiſtlichen Kaiſer fortgehe, einige algemeine Anmerkungen zum Grunde zu legen, wodurch die uns dabei uͤbliche Zeitrechnungen deutli- cher gemacht werden koͤnnen. Die Japaner haben zwei Hauptaͤras oder Zeitrechnun- gen. Die erſte und gemeinſte faͤngt ſich mit der Regierung ihres erſten Kaiſers Symnu im Jahr vor Chriſti Geburt 660 an; folglich war das Jahr Chriſti 3693, d. i. das 6te Jahr der Nengo Genrokf, das 2353te nach Symnu. Dieſe Epoche wird in Japan genant Nin O, welches, eigentlich zu reden, einen großen und maͤchtigen Herrn oder Monarchen und in einem weit hoͤhern Verſtande den Allererſten bedeutet. Die zweite in Japan gebrauchte Epoche heiſt Nengo, und iſt von den Chineſern, um in der Zeitrechnung eine Gewisheit zu haben, erfunden worden, indem ſie dachten, es wuͤrde ihre gemeine Zeitrechnung in Japan mit angenommen werden, welches aber nicht ehe geſchehen iſt, bis unter der Regierung des 36ten Kaiſers, zu welcher Zeit ſie in Ja- pan eingefuͤhret iſt. Die Nengo begreift nur einen Zeitlauf von wenig Jahren, gemeinig- lich weniger denn 20, und ſelten hoͤher und uͤber dieſe Zahl. Von dem Kaiſer wird allemal ver-

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/280>, abgerufen am 22.11.2024.