Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung des Herausgebers.
und Ruder zerschlagen, das Schif leck etc. und ist mein particulierer Schade nicht der ge-
ringste gewesen, denn ausserdem, daß ich durch schlechte kalte Schifskost, durch Angst und
Ungemach zu einer gefährlichen Krankheit gedisponiret worden, die, so bald ich den 25sten
September alhier angelandet, mit Veränderung der Speise in eine Colik, und schweren
Jntrige der Zufällen, wovon jetzo allererst genese, ausgebrochen, so sind auch meine wenige
Waaren, womit meine Depensen pflege gut zu machen, durchs Salzwasser verdorben,
und durch diesen selben Liqueur (welches mich alleine zu Herzen geht) das gröste Theil von
meinen Mascptis Tartaricis et Persicis, als ein ungeleimtes persianisches Papier, zu
Pap und Brey vergangen, die ich anders in ein Werk sub Titulo: Hodeopericum
Russo - Tartarico - Persicum
zu digeriren, als ein erster Theil meiner asiatischen
Reisen, mir, wie wohl an keinen nie geoffenbart, so fest vorgenommen hatte, wovon ich
jetzo fast ganz destitut und unvermögend geworden. Meinen Phoenicem Persicum,
wovon dem Hrn. Bruder den ersten Bogen übersandt, habe keine Zeit gehabt abzuschreiben,
mus bis zu meiner persönlichen Ueberkunft nachbleiben. Nach herzlichster Begrüssung mei-
ner Gebrüder, Fr. Mutter und Schwestern verbleibe

Nagasacki in Japan
1688.
Mhhln Bruders
schuldigster Diener
Engelbert Kaempffer.

Diese Jahrszahl 1688 ist offenbar falsch, wie die bisher von mir mit zuverläßig-
ster Genauigkeit angegebne chronologische Data von der kämpferischen Reise deutlich bewei-
sen. Vielleicht hatte Kämpfer das Datum unter diesem Briefe vergessen und da sezte
eine andre Hand aus Conjektur das Jahr 1688 hin, vermuthlich eben diejenige, welche auch
in der einen meiner Handschriften 1690 in 88 verwandelte. (S. dieses Werk p. 4 in der An-
merkung) Das noch vorhandne Stambuch beweist es deutlich, daß Kämpfer nicht vor 1690
nach Japan kam, und dieser Brief mus also zwischen 90-92 geschrieben seyn.

Wie vortreflich Kämpfer seinen zweyjährigen Aufenthalt in Japan genuzt habe,
davon darf ich nichts sagen. Das Werk, das ich hier dem Leser vorlege, ist der redendste
Beweis. Jch begnüge mich den Leser nur an einen Umstand zu erinnern, der Kämpfers
Verdienst noch ungemein erhöht. Jn einem Lande, wo jeder Fremde ein Gefangner ist;
wo die Regierung mit der eifersüchtigsten Wachsamkeit alle Schritte und Handlungen der
Ausländer beobachtet; wo den Unterthanen der Umgang und die Verbindung mit diesen bey
härtester Strafe untersagt sind; -- in einem solchen Lande noch eine so volständige und genaue
Beschreibung desselben verfertigen: -- gewis dazu gehört ein Grad von Wisgebierde, ein

Talent

Einleitung des Herausgebers.
und Ruder zerſchlagen, das Schif leck ꝛc. und iſt mein particulierer Schade nicht der ge-
ringſte geweſen, denn auſſerdem, daß ich durch ſchlechte kalte Schifskoſt, durch Angſt und
Ungemach zu einer gefaͤhrlichen Krankheit gediſponiret worden, die, ſo bald ich den 25ſten
September alhier angelandet, mit Veraͤnderung der Speiſe in eine Colik, und ſchweren
Jntrige der Zufaͤllen, wovon jetzo allererſt geneſe, ausgebrochen, ſo ſind auch meine wenige
Waaren, womit meine Depenſen pflege gut zu machen, durchs Salzwaſſer verdorben,
und durch dieſen ſelben Liqueur (welches mich alleine zu Herzen geht) das groͤſte Theil von
meinen Maſcptis Tartaricis et Perſicis, als ein ungeleimtes perſianiſches Papier, zu
Pap und Brey vergangen, die ich anders in ein Werk ſub Titulo: Hodeopericum
Ruſſo ‒ Tartarico ‒ Perſicum
zu digeriren, als ein erſter Theil meiner aſiatiſchen
Reiſen, mir, wie wohl an keinen nie geoffenbart, ſo feſt vorgenommen hatte, wovon ich
jetzo faſt ganz deſtitut und unvermoͤgend geworden. Meinen Phoenicem Perſicum,
wovon dem Hrn. Bruder den erſten Bogen uͤberſandt, habe keine Zeit gehabt abzuſchreiben,
mus bis zu meiner perſoͤnlichen Ueberkunft nachbleiben. Nach herzlichſter Begruͤſſung mei-
ner Gebruͤder, Fr. Mutter und Schweſtern verbleibe

Nagaſacki in Japan
1688.
Mhhln Bruders
ſchuldigſter Diener
Engelbert Kæmpffer.

Dieſe Jahrszahl 1688 iſt offenbar falſch, wie die bisher von mir mit zuverlaͤßig-
ſter Genauigkeit angegebne chronologiſche Data von der kaͤmpferiſchen Reiſe deutlich bewei-
ſen. Vielleicht hatte Kaͤmpfer das Datum unter dieſem Briefe vergeſſen und da ſezte
eine andre Hand aus Conjektur das Jahr 1688 hin, vermuthlich eben diejenige, welche auch
in der einen meiner Handſchriften 1690 in 88 verwandelte. (S. dieſes Werk p. 4 in der An-
merkung) Das noch vorhandne Stambuch beweiſt es deutlich, daß Kaͤmpfer nicht vor 1690
nach Japan kam, und dieſer Brief mus alſo zwiſchen 90-92 geſchrieben ſeyn.

Wie vortreflich Kaͤmpfer ſeinen zweyjaͤhrigen Aufenthalt in Japan genuzt habe,
davon darf ich nichts ſagen. Das Werk, das ich hier dem Leſer vorlege, iſt der redendſte
Beweis. Jch begnuͤge mich den Leſer nur an einen Umſtand zu erinnern, der Kaͤmpfers
Verdienſt noch ungemein erhoͤht. Jn einem Lande, wo jeder Fremde ein Gefangner iſt;
wo die Regierung mit der eiferſuͤchtigſten Wachſamkeit alle Schritte und Handlungen der
Auslaͤnder beobachtet; wo den Unterthanen der Umgang und die Verbindung mit dieſen bey
haͤrteſter Strafe unterſagt ſind; — in einem ſolchen Lande noch eine ſo volſtaͤndige und genaue
Beſchreibung deſſelben verfertigen: — gewis dazu gehoͤrt ein Grad von Wisgebierde, ein

Talent
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <p><pb facs="#f0032" n="XXVIII"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einleitung des Herausgebers.</hi></fw><lb/>
und Ruder zer&#x017F;chlagen, das Schif leck &#xA75B;c. und i&#x017F;t mein <hi rendition="#aq">particulierer</hi> Schade nicht der ge-<lb/>
ring&#x017F;te gewe&#x017F;en, denn au&#x017F;&#x017F;erdem, daß ich durch &#x017F;chlechte kalte Schifsko&#x017F;t, durch Ang&#x017F;t und<lb/>
Ungemach zu einer gefa&#x0364;hrlichen Krankheit gedi&#x017F;poniret worden, die, &#x017F;o bald ich den 25&#x017F;ten<lb/>
September alhier angelandet, mit Vera&#x0364;nderung der Spei&#x017F;e in eine Colik, und &#x017F;chweren<lb/>
Jntrige der Zufa&#x0364;llen, wovon jetzo allerer&#x017F;t gene&#x017F;e, ausgebrochen, &#x017F;o &#x017F;ind auch meine wenige<lb/>
Waaren, womit meine <hi rendition="#aq">Depen&#x017F;en</hi> pflege gut zu machen, durchs Salzwa&#x017F;&#x017F;er verdorben,<lb/>
und durch die&#x017F;en &#x017F;elben <hi rendition="#aq">Liqueur</hi> (welches mich alleine zu Herzen geht) das gro&#x0364;&#x017F;te Theil von<lb/>
meinen <hi rendition="#aq">Ma&#x017F;cptis Tartaricis et Per&#x017F;icis,</hi> als ein ungeleimtes per&#x017F;iani&#x017F;ches Papier, zu<lb/>
Pap und Brey vergangen, die ich anders in ein Werk <hi rendition="#aq">&#x017F;ub Titulo: Hodeopericum<lb/>
Ru&#x017F;&#x017F;o &#x2012; Tartarico &#x2012; Per&#x017F;icum</hi> zu <hi rendition="#aq">digeriren,</hi> als ein er&#x017F;ter Theil meiner a&#x017F;iati&#x017F;chen<lb/>
Rei&#x017F;en, mir, wie wohl an keinen nie geoffenbart, &#x017F;o fe&#x017F;t vorgenommen hatte, wovon ich<lb/>
jetzo fa&#x017F;t ganz <hi rendition="#aq">de&#x017F;titut</hi> und unvermo&#x0364;gend geworden. Meinen <hi rendition="#aq">Phoenicem Per&#x017F;icum,</hi><lb/>
wovon dem Hrn. Bruder den er&#x017F;ten Bogen u&#x0364;ber&#x017F;andt, habe keine Zeit gehabt abzu&#x017F;chreiben,<lb/>
mus bis zu meiner per&#x017F;o&#x0364;nlichen Ueberkunft nachbleiben. Nach herzlich&#x017F;ter Begru&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung mei-<lb/>
ner Gebru&#x0364;der, Fr. Mutter und Schwe&#x017F;tern verbleibe</p><lb/>
              <closer>
                <salute>
                  <date><hi rendition="#aq">Naga&#x017F;acki</hi> in <hi rendition="#aq">Japan</hi><lb/>
1688.</date><lb/> <hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Mhhln Bruders</hi><lb/>
&#x017F;chuldig&#x017F;ter Diener<lb/><hi rendition="#aq">Engelbert Kæmpffer.</hi></hi> </salute>
              </closer>
            </body>
          </floatingText><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Jahrszahl 1688 i&#x017F;t offenbar fal&#x017F;ch, wie die bisher von mir mit zuverla&#x0364;ßig-<lb/>
&#x017F;ter Genauigkeit angegebne chronologi&#x017F;che Data von der ka&#x0364;mpferi&#x017F;chen Rei&#x017F;e deutlich bewei-<lb/>
&#x017F;en. Vielleicht hatte <hi rendition="#fr">Ka&#x0364;mpfer</hi> das Datum unter die&#x017F;em Briefe verge&#x017F;&#x017F;en und da &#x017F;ezte<lb/>
eine andre Hand aus Conjektur das Jahr 1688 hin, vermuthlich eben diejenige, welche auch<lb/>
in der einen meiner Hand&#x017F;chriften 1690 in 88 verwandelte. (S. die&#x017F;es Werk <hi rendition="#aq">p.</hi> 4 in der An-<lb/>
merkung) Das noch vorhandne Stambuch bewei&#x017F;t es deutlich, daß <hi rendition="#fr">Ka&#x0364;mpfer</hi> nicht vor 1690<lb/>
nach <hi rendition="#fr">Japan</hi> kam, und die&#x017F;er Brief mus al&#x017F;o zwi&#x017F;chen 90-92 ge&#x017F;chrieben &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Wie vortreflich <hi rendition="#fr">Ka&#x0364;mpfer</hi> &#x017F;einen zweyja&#x0364;hrigen Aufenthalt in <hi rendition="#fr">Japan</hi> genuzt habe,<lb/>
davon darf ich nichts &#x017F;agen. Das Werk, das ich hier dem Le&#x017F;er vorlege, i&#x017F;t der redend&#x017F;te<lb/>
Beweis. Jch begnu&#x0364;ge mich den Le&#x017F;er nur an einen Um&#x017F;tand zu erinnern, der <hi rendition="#fr">Ka&#x0364;mpfers</hi><lb/>
Verdien&#x017F;t noch ungemein erho&#x0364;ht. Jn einem Lande, wo jeder Fremde ein Gefangner i&#x017F;t;<lb/>
wo die Regierung mit der eifer&#x017F;u&#x0364;chtig&#x017F;ten Wach&#x017F;amkeit alle Schritte und Handlungen der<lb/>
Ausla&#x0364;nder beobachtet; wo den Unterthanen der Umgang und die Verbindung mit die&#x017F;en bey<lb/>
ha&#x0364;rte&#x017F;ter Strafe unter&#x017F;agt &#x017F;ind; &#x2014; in einem &#x017F;olchen Lande noch eine &#x017F;o vol&#x017F;ta&#x0364;ndige und genaue<lb/>
Be&#x017F;chreibung de&#x017F;&#x017F;elben verfertigen: &#x2014; gewis dazu geho&#x0364;rt ein Grad von Wisgebierde, ein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Talent</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XXVIII/0032] Einleitung des Herausgebers. und Ruder zerſchlagen, das Schif leck ꝛc. und iſt mein particulierer Schade nicht der ge- ringſte geweſen, denn auſſerdem, daß ich durch ſchlechte kalte Schifskoſt, durch Angſt und Ungemach zu einer gefaͤhrlichen Krankheit gediſponiret worden, die, ſo bald ich den 25ſten September alhier angelandet, mit Veraͤnderung der Speiſe in eine Colik, und ſchweren Jntrige der Zufaͤllen, wovon jetzo allererſt geneſe, ausgebrochen, ſo ſind auch meine wenige Waaren, womit meine Depenſen pflege gut zu machen, durchs Salzwaſſer verdorben, und durch dieſen ſelben Liqueur (welches mich alleine zu Herzen geht) das groͤſte Theil von meinen Maſcptis Tartaricis et Perſicis, als ein ungeleimtes perſianiſches Papier, zu Pap und Brey vergangen, die ich anders in ein Werk ſub Titulo: Hodeopericum Ruſſo ‒ Tartarico ‒ Perſicum zu digeriren, als ein erſter Theil meiner aſiatiſchen Reiſen, mir, wie wohl an keinen nie geoffenbart, ſo feſt vorgenommen hatte, wovon ich jetzo faſt ganz deſtitut und unvermoͤgend geworden. Meinen Phoenicem Perſicum, wovon dem Hrn. Bruder den erſten Bogen uͤberſandt, habe keine Zeit gehabt abzuſchreiben, mus bis zu meiner perſoͤnlichen Ueberkunft nachbleiben. Nach herzlichſter Begruͤſſung mei- ner Gebruͤder, Fr. Mutter und Schweſtern verbleibe Nagaſacki in Japan 1688. Mhhln Bruders ſchuldigſter Diener Engelbert Kæmpffer. Dieſe Jahrszahl 1688 iſt offenbar falſch, wie die bisher von mir mit zuverlaͤßig- ſter Genauigkeit angegebne chronologiſche Data von der kaͤmpferiſchen Reiſe deutlich bewei- ſen. Vielleicht hatte Kaͤmpfer das Datum unter dieſem Briefe vergeſſen und da ſezte eine andre Hand aus Conjektur das Jahr 1688 hin, vermuthlich eben diejenige, welche auch in der einen meiner Handſchriften 1690 in 88 verwandelte. (S. dieſes Werk p. 4 in der An- merkung) Das noch vorhandne Stambuch beweiſt es deutlich, daß Kaͤmpfer nicht vor 1690 nach Japan kam, und dieſer Brief mus alſo zwiſchen 90-92 geſchrieben ſeyn. Wie vortreflich Kaͤmpfer ſeinen zweyjaͤhrigen Aufenthalt in Japan genuzt habe, davon darf ich nichts ſagen. Das Werk, das ich hier dem Leſer vorlege, iſt der redendſte Beweis. Jch begnuͤge mich den Leſer nur an einen Umſtand zu erinnern, der Kaͤmpfers Verdienſt noch ungemein erhoͤht. Jn einem Lande, wo jeder Fremde ein Gefangner iſt; wo die Regierung mit der eiferſuͤchtigſten Wachſamkeit alle Schritte und Handlungen der Auslaͤnder beobachtet; wo den Unterthanen der Umgang und die Verbindung mit dieſen bey haͤrteſter Strafe unterſagt ſind; — in einem ſolchen Lande noch eine ſo volſtaͤndige und genaue Beſchreibung deſſelben verfertigen: — gewis dazu gehoͤrt ein Grad von Wisgebierde, ein Talent

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/32
Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 1. Lemgo, 1777, S. XXVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan01_1777/32>, abgerufen am 23.11.2024.