Erstes Kapitel. Vorbereitungen zu unserer Hofreise und Beschreibung der inländischen Art zu reisen.
Seit den Zeiten des Joritomo, des ersten weltlichen Erbkaisers, der die jetzige Regierungsform einführte, ist es Gewohnheit geworden, daß nicht nur die Gouverneurs der kaiserlichen Städte und Besitzungen, sondern auch alle übrige sogenante Daimjo und Sjomjo, d. i. Stathalter vom ersten und zweiten Range, einmal im Jahr am Hofe erscheinen müssen. Die erstern, als die vornehmsten, die man auch wohl wegen ihres sehr großen Ansehens, Könige oder Fürsten nennen könte, bezeugten sodann ihre Ehrerbietung dem Kaiser selbst, die andern aber nur dem Collegio der versammelten Reichsräthe. Beide überreichten zugleich Geschenke, zum Zeichen der Hul- digung, so wie es ihre Würde erforderte.
So wie sich die Portugiesen zu ihrer Zeit zu dieser Ceremonie bequemen müssen, so thun es auch jezt der Resident und Agent der löblichen holländischen ostindischen Geselschaft. Einen Wundarzt nebst einem oder zween Sekretairs können sie mit auf diese Reise nehmen, außerdem aber werden sie von einer Schar Japaner verschiedenen Standes und Würden be- gleitet, welche von den Gouverneurs der Stadt Nagasacki, unter deren Befehlen sie ste- hen, dazu ernent werden. Es solte dieses zwar den Anschein haben, als ob denen, so den Kaiser zu sehen verlangen, hiemit eine Ehre erzeugt würde, in der That aber war die Ab- sicht, die man mit dieser Eskorte verbarg, eine ganz andere, und der gleich, die man bei Spions und Gefangenen hat; es solte nemlich dadurch verhütet werden, daß unter Wegs
keine
Erſtes Kapitel. Vorbereitungen zu unſerer Hofreiſe und Beſchreibung der inlaͤndiſchen Art zu reiſen.
Seit den Zeiten des Joritomo, des erſten weltlichen Erbkaiſers, der die jetzige Regierungsform einfuͤhrte, iſt es Gewohnheit geworden, daß nicht nur die Gouverneurs der kaiſerlichen Staͤdte und Beſitzungen, ſondern auch alle uͤbrige ſogenante Daimjo und Sjomjo, d. i. Stathalter vom erſten und zweiten Range, einmal im Jahr am Hofe erſcheinen muͤſſen. Die erſtern, als die vornehmſten, die man auch wohl wegen ihres ſehr großen Anſehens, Koͤnige oder Fuͤrſten nennen koͤnte, bezeugten ſodann ihre Ehrerbietung dem Kaiſer ſelbſt, die andern aber nur dem Collegio der verſammelten Reichsraͤthe. Beide uͤberreichten zugleich Geſchenke, zum Zeichen der Hul- digung, ſo wie es ihre Wuͤrde erforderte.
So wie ſich die Portugieſen zu ihrer Zeit zu dieſer Ceremonie bequemen muͤſſen, ſo thun es auch jezt der Reſident und Agent der loͤblichen hollaͤndiſchen oſtindiſchen Geſelſchaft. Einen Wundarzt nebſt einem oder zween Sekretairs koͤnnen ſie mit auf dieſe Reiſe nehmen, außerdem aber werden ſie von einer Schar Japaner verſchiedenen Standes und Wuͤrden be- gleitet, welche von den Gouverneurs der Stadt Nagaſacki, unter deren Befehlen ſie ſte- hen, dazu ernent werden. Es ſolte dieſes zwar den Anſchein haben, als ob denen, ſo den Kaiſer zu ſehen verlangen, hiemit eine Ehre erzeugt wuͤrde, in der That aber war die Ab- ſicht, die man mit dieſer Eskorte verbarg, eine ganz andere, und der gleich, die man bei Spions und Gefangenen hat; es ſolte nemlich dadurch verhuͤtet werden, daß unter Wegs
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Erſtes Kapitel.
Vorbereitungen zu unſerer Hofreiſe und Beſchreibung
der inlaͤndiſchen Art zu reiſen.
Seit den Zeiten des Joritomo, des erſten weltlichen Erbkaiſers, der die jetzige
Regierungsform einfuͤhrte, iſt es Gewohnheit geworden, daß nicht nur die
Gouverneurs der kaiſerlichen Staͤdte und Beſitzungen, ſondern auch alle uͤbrige
ſogenante Daimjo und Sjomjo, d. i. Stathalter vom erſten und zweiten
Range, einmal im Jahr am Hofe erſcheinen muͤſſen. Die erſtern, als die vornehmſten,
die man auch wohl wegen ihres ſehr großen Anſehens, Koͤnige oder Fuͤrſten nennen koͤnte,
bezeugten ſodann ihre Ehrerbietung dem Kaiſer ſelbſt, die andern aber nur dem Collegio der
verſammelten Reichsraͤthe. Beide uͤberreichten zugleich Geſchenke, zum Zeichen der Hul-
digung, ſo wie es ihre Wuͤrde erforderte.
So wie ſich die Portugieſen zu ihrer Zeit zu dieſer Ceremonie bequemen muͤſſen,
ſo thun es auch jezt der Reſident und Agent der loͤblichen hollaͤndiſchen oſtindiſchen Geſelſchaft.
Einen Wundarzt nebſt einem oder zween Sekretairs koͤnnen ſie mit auf dieſe Reiſe nehmen,
außerdem aber werden ſie von einer Schar Japaner verſchiedenen Standes und Wuͤrden be-
gleitet, welche von den Gouverneurs der Stadt Nagaſacki, unter deren Befehlen ſie ſte-
hen, dazu ernent werden. Es ſolte dieſes zwar den Anſchein haben, als ob denen, ſo den
Kaiſer zu ſehen verlangen, hiemit eine Ehre erzeugt wuͤrde, in der That aber war die Ab-
ſicht, die man mit dieſer Eskorte verbarg, eine ganz andere, und der gleich, die man bei
Spions und Gefangenen hat; es ſolte nemlich dadurch verhuͤtet werden, daß unter Wegs
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/159>, abgerufen am 24.11.2024.
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