Nangasacki aber liegt am westlichen Ende der Jnsel Kjusju zwischen rauhen Gebirgen auf schlechtem Boden, entfernt an diesem äußersten Winkel des Reichs vom volk- reichen Nipon und dem innern Handel, und nunmehr auch von dem auswärtigen Handel mit fremden Nationen fast ganz abgeschnitten. Daher findet man hier wenige Manufak- turiers, Kapitalisten, Kaufleute, Krämer und Wirthe, und meistens nur gemeine Ein- wohner und Taglöhner, die ihre Nahrung durch tägliche Arbeit verdienen müssen. Doch aber macht der bequeme und wohlgeschlosne Hafen diese Stadt zu der algemeinen Nieder- lage aller ausländischen zugelasnen Schiffe, die denn hier ihre eingeführte, nicht verbotne Waaren an die inländischen Kaufleute oder Faktors verhandeln, die zu bestimten Zeiten des Jahrs aus verschiednen Provinzen und Städten des Reichs sich hier zusam- menfinden.
Jn den neuesten Versügungen wegen Behandlung der Fremden, die im Jahr 1638 auf die letzte grausame Vertilgung der Christen folgte, erhielt Nangasacki den Vorzug, daß an keinem andern Orte des Reichs die noch geduldeten Fremden aufgenommen wer- den können, als hier. Auch wenn sie durch Sturm an eine andre japanische Küste ver- schlagen sind, müssen sie hierher gebracht werden, und auch durch gültige Zeugnisse das ihnen wiederfahrne Unglük beweisen. Die beiden einzigen fremden Nationen, welche sich noch jetzt dieser so eingeschränkten Freiheit zu erfreuen haben, sind die Sineser und die sich dieses Namens bedienen, und die Holländer.
Der Hafen nimt Nordwärts von der Stadt einen schmalen Anfang, mit einem un- tiefen, bei der Ebbe abfließendem, moderigem Grunde. Einige Bergflüsse fallen hier noch hinein. Er wird dadurch alsobald breiter und tiefer, und sobald er der Stadt näher ge- kommen, und die Breite einer halben Meile, so wie die Tiefen von fünf bis sechs Klaftern erreicht hat, wendet er sich, und streicht zwischen den Bergen des festen Landes, etwa in der Breite von 1/4 Meile, eine ganze Meile südwestlich fort, bis er eine Jnsel oder viel- mehr nur einen von der See umflosnen Berg erreicht, der Taka Jama oder Taka Boko heist, welches Bambuspik oder hoher Berg bedeutet. Man erzählt noch eine fabelhafte Tradition, daß die römisch-katholischen Priester von diesem Berge herabgestürzt wären, und deswegen nennen ihn die Holländer Papenberg. Er ist der gewöhnliche Ankerplatz al- ler abfahrenden Schiffe. Man würde von hier die ofne See nach einer Meile erreichen, wenn nicht die klippige Untiefe die Durchfarth hinderte. Man pflegt also von hier zwischen verschiednen Jnseln und hart an dem rechtsliegenden festen Lande westwärts durchzufahren. Ein ziemlich langer Umweg, auf dem man nur ganz almählig aus dem Hafen in die ofne See kömmt. Längs dem Hafen liegen verschiedne Bastionen, die aber nicht mit Kanonen besetzt sind. Eine halbe Meile von der Stadt sind an beiden Ufern ofne, unbeschanzte Wa-
chen.
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.
Nangaſacki aber liegt am weſtlichen Ende der Jnſel Kjusju zwiſchen rauhen Gebirgen auf ſchlechtem Boden, entfernt an dieſem aͤußerſten Winkel des Reichs vom volk- reichen Nipon und dem innern Handel, und nunmehr auch von dem auswaͤrtigen Handel mit fremden Nationen faſt ganz abgeſchnitten. Daher findet man hier wenige Manufak- turiers, Kapitaliſten, Kaufleute, Kraͤmer und Wirthe, und meiſtens nur gemeine Ein- wohner und Tagloͤhner, die ihre Nahrung durch taͤgliche Arbeit verdienen muͤſſen. Doch aber macht der bequeme und wohlgeſchlosne Hafen dieſe Stadt zu der algemeinen Nieder- lage aller auslaͤndiſchen zugelasnen Schiffe, die denn hier ihre eingefuͤhrte, nicht verbotne Waaren an die inlaͤndiſchen Kaufleute oder Faktors verhandeln, die zu beſtimten Zeiten des Jahrs aus verſchiednen Provinzen und Staͤdten des Reichs ſich hier zuſam- menfinden.
Jn den neueſten Verſuͤgungen wegen Behandlung der Fremden, die im Jahr 1638 auf die letzte grauſame Vertilgung der Chriſten folgte, erhielt Nangaſacki den Vorzug, daß an keinem andern Orte des Reichs die noch geduldeten Fremden aufgenommen wer- den koͤnnen, als hier. Auch wenn ſie durch Sturm an eine andre japaniſche Kuͤſte ver- ſchlagen ſind, muͤſſen ſie hierher gebracht werden, und auch durch guͤltige Zeugniſſe das ihnen wiederfahrne Ungluͤk beweiſen. Die beiden einzigen fremden Nationen, welche ſich noch jetzt dieſer ſo eingeſchraͤnkten Freiheit zu erfreuen haben, ſind die Sineſer und die ſich dieſes Namens bedienen, und die Hollaͤnder.
Der Hafen nimt Nordwaͤrts von der Stadt einen ſchmalen Anfang, mit einem un- tiefen, bei der Ebbe abfließendem, moderigem Grunde. Einige Bergfluͤſſe fallen hier noch hinein. Er wird dadurch alſobald breiter und tiefer, und ſobald er der Stadt naͤher ge- kommen, und die Breite einer halben Meile, ſo wie die Tiefen von fuͤnf bis ſechs Klaftern erreicht hat, wendet er ſich, und ſtreicht zwiſchen den Bergen des feſten Landes, etwa in der Breite von ¼ Meile, eine ganze Meile ſuͤdweſtlich fort, bis er eine Jnſel oder viel- mehr nur einen von der See umflosnen Berg erreicht, der Taka Jama oder Taka Boko heiſt, welches Bambuspik oder hoher Berg bedeutet. Man erzaͤhlt noch eine fabelhafte Tradition, daß die roͤmiſch-katholiſchen Prieſter von dieſem Berge herabgeſtuͤrzt waͤren, und deswegen nennen ihn die Hollaͤnder Papenberg. Er iſt der gewoͤhnliche Ankerplatz al- ler abfahrenden Schiffe. Man wuͤrde von hier die ofne See nach einer Meile erreichen, wenn nicht die klippige Untiefe die Durchfarth hinderte. Man pflegt alſo von hier zwiſchen verſchiednen Jnſeln und hart an dem rechtsliegenden feſten Lande weſtwaͤrts durchzufahren. Ein ziemlich langer Umweg, auf dem man nur ganz almaͤhlig aus dem Hafen in die ofne See koͤmmt. Laͤngs dem Hafen liegen verſchiedne Baſtionen, die aber nicht mit Kanonen beſetzt ſind. Eine halbe Meile von der Stadt ſind an beiden Ufern ofne, unbeſchanzte Wa-
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[4/0016]
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.
Nangaſacki aber liegt am weſtlichen Ende der Jnſel Kjusju zwiſchen rauhen
Gebirgen auf ſchlechtem Boden, entfernt an dieſem aͤußerſten Winkel des Reichs vom volk-
reichen Nipon und dem innern Handel, und nunmehr auch von dem auswaͤrtigen Handel
mit fremden Nationen faſt ganz abgeſchnitten. Daher findet man hier wenige Manufak-
turiers, Kapitaliſten, Kaufleute, Kraͤmer und Wirthe, und meiſtens nur gemeine Ein-
wohner und Tagloͤhner, die ihre Nahrung durch taͤgliche Arbeit verdienen muͤſſen. Doch
aber macht der bequeme und wohlgeſchlosne Hafen dieſe Stadt zu der algemeinen Nieder-
lage aller auslaͤndiſchen zugelasnen Schiffe, die denn hier ihre eingefuͤhrte, nicht verbotne
Waaren an die inlaͤndiſchen Kaufleute oder Faktors verhandeln, die zu beſtimten Zeiten
des Jahrs aus verſchiednen Provinzen und Staͤdten des Reichs ſich hier zuſam-
menfinden.
Jn den neueſten Verſuͤgungen wegen Behandlung der Fremden, die im Jahr 1638
auf die letzte grauſame Vertilgung der Chriſten folgte, erhielt Nangaſacki den Vorzug,
daß an keinem andern Orte des Reichs die noch geduldeten Fremden aufgenommen wer-
den koͤnnen, als hier. Auch wenn ſie durch Sturm an eine andre japaniſche Kuͤſte ver-
ſchlagen ſind, muͤſſen ſie hierher gebracht werden, und auch durch guͤltige Zeugniſſe das
ihnen wiederfahrne Ungluͤk beweiſen. Die beiden einzigen fremden Nationen, welche ſich
noch jetzt dieſer ſo eingeſchraͤnkten Freiheit zu erfreuen haben, ſind die Sineſer und die ſich
dieſes Namens bedienen, und die Hollaͤnder.
Der Hafen nimt Nordwaͤrts von der Stadt einen ſchmalen Anfang, mit einem un-
tiefen, bei der Ebbe abfließendem, moderigem Grunde. Einige Bergfluͤſſe fallen hier noch
hinein. Er wird dadurch alſobald breiter und tiefer, und ſobald er der Stadt naͤher ge-
kommen, und die Breite einer halben Meile, ſo wie die Tiefen von fuͤnf bis ſechs Klaftern
erreicht hat, wendet er ſich, und ſtreicht zwiſchen den Bergen des feſten Landes, etwa in
der Breite von ¼ Meile, eine ganze Meile ſuͤdweſtlich fort, bis er eine Jnſel oder viel-
mehr nur einen von der See umflosnen Berg erreicht, der Taka Jama oder Taka Boko
heiſt, welches Bambuspik oder hoher Berg bedeutet. Man erzaͤhlt noch eine fabelhafte
Tradition, daß die roͤmiſch-katholiſchen Prieſter von dieſem Berge herabgeſtuͤrzt waͤren,
und deswegen nennen ihn die Hollaͤnder Papenberg. Er iſt der gewoͤhnliche Ankerplatz al-
ler abfahrenden Schiffe. Man wuͤrde von hier die ofne See nach einer Meile erreichen,
wenn nicht die klippige Untiefe die Durchfarth hinderte. Man pflegt alſo von hier zwiſchen
verſchiednen Jnſeln und hart an dem rechtsliegenden feſten Lande weſtwaͤrts durchzufahren.
Ein ziemlich langer Umweg, auf dem man nur ganz almaͤhlig aus dem Hafen in die ofne
See koͤmmt. Laͤngs dem Hafen liegen verſchiedne Baſtionen, die aber nicht mit Kanonen
beſetzt ſind. Eine halbe Meile von der Stadt ſind an beiden Ufern ofne, unbeſchanzte Wa-
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/16>, abgerufen am 23.11.2024.
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