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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Neuntes Kap. Reise von Osacka bis Miaco.
Da hier die müssigen Stunden mit so mancherlei Lustbarkeiten vertrieben werden können,
so ist es kein Wunder, daß die Stadt ein Aufenthalt vieler reichen fremden und reisenden Per-
sonen ist. Die Westwärts wohnende Landesherrn, die hier zwar Häuser und ihre Leute
haben, die sie nach Jedo begleiten müssen, dürfen sich nicht über einen Tag und eine Nacht
in der Stadt verweilen, und sind außerdem noch gehalten, ihren Weg außer dem Gesichte
des Kastels zu nehmen. Man trift hier übrigens ein schlechtes und etwas moderichtes
Trinkwasser, jedoch den allerbesten Sacki im ganzen Reich an, welcher in dem nahe bei ge-
legenen Flecken Tenosji gebrauet, und häufig an andere Oerter des Landes, auch von den
Holländern und Sinesen auswärts geführt wird.

Die an der Ostseite, oder vielmehr an dem N. O. Ende der Stadt in der Fläche
gelegene und in ihrem Umkreise die Weite von einer Stunde haltende Vestung, die man,
wenn man nach Miaco reiset, vorbeikomt, ist vom Kaiser Taiko ins Gevierte und nach
der Kriegsbaukunst mit starken Rondelen angelegt. Außer der in Fiugo hat sie an Größe,
Pracht und Stärke im ganzen Reiche ihres gleichen nicht. Die Nordseite beschüzt die von
drei Ströhmen vereinigte Jodo gava, welche alda noch dazu über ihre natürliche Breite er-
weitert ist; die Ostseite bestreicht der in die Jodo gava umfließende Strohm Kasji wari
gawa, über welchem ein großer zum Schlosse gehöriger Garten liegt; die Süd- und West-
seiten gränzen gegen das Ende der Stadt. Die auswendigen Graben haben eine ungemei-
ne Breite, und bis sieben Klafter Tiefe, aus welchen die Wälle mit hohen Mauren von
groben Steinen aufgeführt, oben mit einer Reihe Tannen- oder Cederbäumen zierlich be-
pflanzt (und mit einigen groben Stücken Geschützes belegt *)) sind. Außer dem, daß ich
in der Mitte zweier Seiten noch eine enge Pforte, und zu derselben eine schmale hölzerne
Brücke wahrnahm, habe ich selbst von der weitern Beschaffenheit dieses Kastels nichts be-
trachten können, sondern nur noch aus der Japaner Erzählung folgendes erfahren: so bald
man die erste Vestung betreten, findet man eine zweite von gleicher Bauart, und nach der-
selben auch die dritte oder mittelste, welche zum Zierrath mit gewöhnlichen Thürmen an ih-
ren Ecken, sonst aber noch mit einem hohen aus vielen Stokwerken bestehenden Staats-
thurm versehen ist, auf dessen obersten Dache zwei große an stat der Schuppen mit polirten
güldenen Ubangs belegte Fische befindlich, davon man den Schimmer wegen ihres Glanzes
in Fiongo sol sehen können. Eben dieser Thurm aber ist vor etwa 30 Jahren (von dem
Jahre 1691 an zu rechnen) durch Feuersbrunst in Asche verwandelt worden. Jn der Pfor-
te des zweiten Kastels ist ein fünf Klaftern langer und vier Klaftern breiter, also beinahe
Cubikförmiger, polirter schwärzlicher Stein eingemauert zu sehen, welcher wegen seiner
Größe, Gewicht und wegen der Art, wie er dahin gekommen, für ein Wunder gehalten

wird.
*) Stehet bei Scheuchzern nicht.
F f 2

Neuntes Kap. Reiſe von Oſacka bis Miaco.
Da hier die muͤſſigen Stunden mit ſo mancherlei Luſtbarkeiten vertrieben werden koͤnnen,
ſo iſt es kein Wunder, daß die Stadt ein Aufenthalt vieler reichen fremden und reiſenden Per-
ſonen iſt. Die Weſtwaͤrts wohnende Landesherrn, die hier zwar Haͤuſer und ihre Leute
haben, die ſie nach Jedo begleiten muͤſſen, duͤrfen ſich nicht uͤber einen Tag und eine Nacht
in der Stadt verweilen, und ſind außerdem noch gehalten, ihren Weg außer dem Geſichte
des Kaſtels zu nehmen. Man trift hier uͤbrigens ein ſchlechtes und etwas moderichtes
Trinkwaſſer, jedoch den allerbeſten Sacki im ganzen Reich an, welcher in dem nahe bei ge-
legenen Flecken Tenoſji gebrauet, und haͤufig an andere Oerter des Landes, auch von den
Hollaͤndern und Sineſen auswaͤrts gefuͤhrt wird.

Die an der Oſtſeite, oder vielmehr an dem N. O. Ende der Stadt in der Flaͤche
gelegene und in ihrem Umkreiſe die Weite von einer Stunde haltende Veſtung, die man,
wenn man nach Miaco reiſet, vorbeikomt, iſt vom Kaiſer Taiko ins Gevierte und nach
der Kriegsbaukunſt mit ſtarken Rondelen angelegt. Außer der in Fiugo hat ſie an Groͤße,
Pracht und Staͤrke im ganzen Reiche ihres gleichen nicht. Die Nordſeite beſchuͤzt die von
drei Stroͤhmen vereinigte Jodo gava, welche alda noch dazu uͤber ihre natuͤrliche Breite er-
weitert iſt; die Oſtſeite beſtreicht der in die Jodo gava umfließende Strohm Kaſji wari
gawa, uͤber welchem ein großer zum Schloſſe gehoͤriger Garten liegt; die Suͤd- und Weſt-
ſeiten graͤnzen gegen das Ende der Stadt. Die auswendigen Graben haben eine ungemei-
ne Breite, und bis ſieben Klafter Tiefe, aus welchen die Waͤlle mit hohen Mauren von
groben Steinen aufgefuͤhrt, oben mit einer Reihe Tannen- oder Cederbaͤumen zierlich be-
pflanzt (und mit einigen groben Stuͤcken Geſchuͤtzes belegt *)) ſind. Außer dem, daß ich
in der Mitte zweier Seiten noch eine enge Pforte, und zu derſelben eine ſchmale hoͤlzerne
Bruͤcke wahrnahm, habe ich ſelbſt von der weitern Beſchaffenheit dieſes Kaſtels nichts be-
trachten koͤnnen, ſondern nur noch aus der Japaner Erzaͤhlung folgendes erfahren: ſo bald
man die erſte Veſtung betreten, findet man eine zweite von gleicher Bauart, und nach der-
ſelben auch die dritte oder mittelſte, welche zum Zierrath mit gewoͤhnlichen Thuͤrmen an ih-
ren Ecken, ſonſt aber noch mit einem hohen aus vielen Stokwerken beſtehenden Staats-
thurm verſehen iſt, auf deſſen oberſten Dache zwei große an ſtat der Schuppen mit polirten
guͤldenen Ubangs belegte Fiſche befindlich, davon man den Schimmer wegen ihres Glanzes
in Fiongo ſol ſehen koͤnnen. Eben dieſer Thurm aber iſt vor etwa 30 Jahren (von dem
Jahre 1691 an zu rechnen) durch Feuersbrunſt in Aſche verwandelt worden. Jn der Pfor-
te des zweiten Kaſtels iſt ein fuͤnf Klaftern langer und vier Klaftern breiter, alſo beinahe
Cubikfoͤrmiger, polirter ſchwaͤrzlicher Stein eingemauert zu ſehen, welcher wegen ſeiner
Groͤße, Gewicht und wegen der Art, wie er dahin gekommen, fuͤr ein Wunder gehalten

wird.
*) Stehet bei Scheuchzern nicht.
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[227/0255] Neuntes Kap. Reiſe von Oſacka bis Miaco. Da hier die muͤſſigen Stunden mit ſo mancherlei Luſtbarkeiten vertrieben werden koͤnnen, ſo iſt es kein Wunder, daß die Stadt ein Aufenthalt vieler reichen fremden und reiſenden Per- ſonen iſt. Die Weſtwaͤrts wohnende Landesherrn, die hier zwar Haͤuſer und ihre Leute haben, die ſie nach Jedo begleiten muͤſſen, duͤrfen ſich nicht uͤber einen Tag und eine Nacht in der Stadt verweilen, und ſind außerdem noch gehalten, ihren Weg außer dem Geſichte des Kaſtels zu nehmen. Man trift hier uͤbrigens ein ſchlechtes und etwas moderichtes Trinkwaſſer, jedoch den allerbeſten Sacki im ganzen Reich an, welcher in dem nahe bei ge- legenen Flecken Tenoſji gebrauet, und haͤufig an andere Oerter des Landes, auch von den Hollaͤndern und Sineſen auswaͤrts gefuͤhrt wird. Die an der Oſtſeite, oder vielmehr an dem N. O. Ende der Stadt in der Flaͤche gelegene und in ihrem Umkreiſe die Weite von einer Stunde haltende Veſtung, die man, wenn man nach Miaco reiſet, vorbeikomt, iſt vom Kaiſer Taiko ins Gevierte und nach der Kriegsbaukunſt mit ſtarken Rondelen angelegt. Außer der in Fiugo hat ſie an Groͤße, Pracht und Staͤrke im ganzen Reiche ihres gleichen nicht. Die Nordſeite beſchuͤzt die von drei Stroͤhmen vereinigte Jodo gava, welche alda noch dazu uͤber ihre natuͤrliche Breite er- weitert iſt; die Oſtſeite beſtreicht der in die Jodo gava umfließende Strohm Kaſji wari gawa, uͤber welchem ein großer zum Schloſſe gehoͤriger Garten liegt; die Suͤd- und Weſt- ſeiten graͤnzen gegen das Ende der Stadt. Die auswendigen Graben haben eine ungemei- ne Breite, und bis ſieben Klafter Tiefe, aus welchen die Waͤlle mit hohen Mauren von groben Steinen aufgefuͤhrt, oben mit einer Reihe Tannen- oder Cederbaͤumen zierlich be- pflanzt (und mit einigen groben Stuͤcken Geſchuͤtzes belegt *)) ſind. Außer dem, daß ich in der Mitte zweier Seiten noch eine enge Pforte, und zu derſelben eine ſchmale hoͤlzerne Bruͤcke wahrnahm, habe ich ſelbſt von der weitern Beſchaffenheit dieſes Kaſtels nichts be- trachten koͤnnen, ſondern nur noch aus der Japaner Erzaͤhlung folgendes erfahren: ſo bald man die erſte Veſtung betreten, findet man eine zweite von gleicher Bauart, und nach der- ſelben auch die dritte oder mittelſte, welche zum Zierrath mit gewoͤhnlichen Thuͤrmen an ih- ren Ecken, ſonſt aber noch mit einem hohen aus vielen Stokwerken beſtehenden Staats- thurm verſehen iſt, auf deſſen oberſten Dache zwei große an ſtat der Schuppen mit polirten guͤldenen Ubangs belegte Fiſche befindlich, davon man den Schimmer wegen ihres Glanzes in Fiongo ſol ſehen koͤnnen. Eben dieſer Thurm aber iſt vor etwa 30 Jahren (von dem Jahre 1691 an zu rechnen) durch Feuersbrunſt in Aſche verwandelt worden. Jn der Pfor- te des zweiten Kaſtels iſt ein fuͤnf Klaftern langer und vier Klaftern breiter, alſo beinahe Cubikfoͤrmiger, polirter ſchwaͤrzlicher Stein eingemauert zu ſehen, welcher wegen ſeiner Groͤße, Gewicht und wegen der Art, wie er dahin gekommen, fuͤr ein Wunder gehalten wird. *) Stehet bei Scheuchzern nicht. F f 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/255>, abgerufen am 24.11.2024.