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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Fünftes Buch.
war. Jn den andern Kammern, die wir berührten, hiengen ebenfals viele Gewehre,
ohngefehr so, wie bei dem Gouverneur in Osacka. Zu Ende des Sals hatte sich das neu-
gierige Frauenzimmer hinter zwei papiernen durchlöcherten Schauben unserer wahrzunehmen
versammelt. Kaum hatten wir uns niedergesezt, als der Gouverneur, ein ziemlich grauer
beinahe 60 jähriger, jedoch frischer, ansehnlicher, wohlgestalteter Man, in einem schwar-
zen Kleide und darüber einem Gallarocke, auf etwa 10 Schritte vor uns ein gleiches that.
Er hies uns mit einem freundlichen Wesen wilkommen, und nahm die Geschenke mit vie-
ler Güte an. Der Oberdolmetscher, der ihn schon von langer Zeit her kante, bediente sich
der Gelegenheit, ihm für seine Person noch besonders einige gläserne Europäische Trinkge-
schirre als ein Geschenk zu überreichen, und sich dabei eine Gewogenheit für des Unterdol-
metschers Sohn auszubitten. Es war etwa ein Uhr Nachmittags, als wir von dieser un-
serer Verrichtung in unsern Cangos vor unserm Quartiere wieder abtraten.

Kio oder Miaco heißet auf Japanisch eine Stadt. Sie wird wegen ihrer Ver-
Tab.
XXVII.
treflichkeit (da sie eine Residenz des heilig gehaltenen Dairi, und daher des ganzen Reichs
Hauptstadt ist) mit keinem andern als diesem algemeinen Namen benent. Sie liegt in der Provinz
Jamatto in einem ebenen Felde, und erstrekt sich in der Länge von Nord nach Süd auf drei
Viertel, in der Breite aber von Ost nach West etwa auf eine halbe deutsche Meile. Sie
ist mit Buschwerk und quelreichen Bergen umgeben, wie denn durch den südlichen Theil
der Stadt, an den die Berge am nächsten gränzen, und wo auch viele schöne Tempel,
Klöster und Kapellen stehen, welcher wir in der Rükreise mit mehrerem gedenken wollen,
ein dreifaches nicht gar tiefes Wasser fließet, dessen größester Arm aus der Oitzer See, die
beiden andern aber aus den nördlichen Gebirgen entspringen, und sich gegen die Mitte der
Stadt zu einem Flusse vereinigen, der alda mit einer großen 200 Schrit langen Brücke,
Sansjo no fas genant, belegt ist, und von dannen seinen Lauf etwas Westlich nimt.
An der Nordseite residirt der Dairi mit seiner geistlichen Familie und Hofstaat in einem
von der Bürgerschast mit Graben und Mauren abgesonderten Städtchen von 12 oder 13
Gaffen, wovon im andern Kapitel des zweiten Buchs Meldung geschehen. Die Westseite
endigt sich mit einer von Stein in Quadrat erbaueten Burg oder Vestung, welche der Kai-
ser Sensjonofas zur Zeit eines innerlichen Krieges zu seiner Sicherheit angelegt hat, und
in welcher die jetzigen Kaiser bei ihrer Hieherkunft ihren Aufenthalt zu nehmen pflegen.
Nach dem abgezeichneten Grundrisse hält jede Quadratseite die Länge von 150 Jkins oder
Klaftern, und ist mit einem ausgemauerten tiefen Graben, und dieser wiederum mit einem
breiten leeren Platze umgeben. Die Mitte prangt mit einem viereckigten hohen Thurme
von vielen Stokwerken, und der Grabe hat eine schmakhafte Art Karpen, wovon unserm
Dolmetscher an diesem Abend einige zu Theil wurden. Die Vestung wird im übrigen von
einem Hauptmanne mit einer nicht unbeträchtlichen Besatzung bewohnet und bewacht.

Die

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
war. Jn den andern Kammern, die wir beruͤhrten, hiengen ebenfals viele Gewehre,
ohngefehr ſo, wie bei dem Gouverneur in Oſacka. Zu Ende des Sals hatte ſich das neu-
gierige Frauenzimmer hinter zwei papiernen durchloͤcherten Schauben unſerer wahrzunehmen
verſammelt. Kaum hatten wir uns niedergeſezt, als der Gouverneur, ein ziemlich grauer
beinahe 60 jaͤhriger, jedoch friſcher, anſehnlicher, wohlgeſtalteter Man, in einem ſchwar-
zen Kleide und daruͤber einem Gallarocke, auf etwa 10 Schritte vor uns ein gleiches that.
Er hies uns mit einem freundlichen Weſen wilkommen, und nahm die Geſchenke mit vie-
ler Guͤte an. Der Oberdolmetſcher, der ihn ſchon von langer Zeit her kante, bediente ſich
der Gelegenheit, ihm fuͤr ſeine Perſon noch beſonders einige glaͤſerne Europaͤiſche Trinkge-
ſchirre als ein Geſchenk zu uͤberreichen, und ſich dabei eine Gewogenheit fuͤr des Unterdol-
metſchers Sohn auszubitten. Es war etwa ein Uhr Nachmittags, als wir von dieſer un-
ſerer Verrichtung in unſern Cangos vor unſerm Quartiere wieder abtraten.

Kio oder Miaco heißet auf Japaniſch eine Stadt. Sie wird wegen ihrer Ver-
Tab.
XXVII.
treflichkeit (da ſie eine Reſidenz des heilig gehaltenen Dairi, und daher des ganzen Reichs
Hauptſtadt iſt) mit keinem andern als dieſem algemeinen Namen benent. Sie liegt in der Provinz
Jamatto in einem ebenen Felde, und erſtrekt ſich in der Laͤnge von Nord nach Suͤd auf drei
Viertel, in der Breite aber von Oſt nach Weſt etwa auf eine halbe deutſche Meile. Sie
iſt mit Buſchwerk und quelreichen Bergen umgeben, wie denn durch den ſuͤdlichen Theil
der Stadt, an den die Berge am naͤchſten graͤnzen, und wo auch viele ſchoͤne Tempel,
Kloͤſter und Kapellen ſtehen, welcher wir in der Ruͤkreiſe mit mehrerem gedenken wollen,
ein dreifaches nicht gar tiefes Waſſer fließet, deſſen groͤßeſter Arm aus der Oitzer See, die
beiden andern aber aus den noͤrdlichen Gebirgen entſpringen, und ſich gegen die Mitte der
Stadt zu einem Fluſſe vereinigen, der alda mit einer großen 200 Schrit langen Bruͤcke,
Sanſjo no fas genant, belegt iſt, und von dannen ſeinen Lauf etwas Weſtlich nimt.
An der Nordſeite reſidirt der Dairi mit ſeiner geiſtlichen Familie und Hofſtaat in einem
von der Buͤrgerſchaſt mit Graben und Mauren abgeſonderten Staͤdtchen von 12 oder 13
Gaffen, wovon im andern Kapitel des zweiten Buchs Meldung geſchehen. Die Weſtſeite
endigt ſich mit einer von Stein in Quadrat erbaueten Burg oder Veſtung, welche der Kai-
ſer Sensjonofas zur Zeit eines innerlichen Krieges zu ſeiner Sicherheit angelegt hat, und
in welcher die jetzigen Kaiſer bei ihrer Hieherkunft ihren Aufenthalt zu nehmen pflegen.
Nach dem abgezeichneten Grundriſſe haͤlt jede Quadratſeite die Laͤnge von 150 Jkins oder
Klaftern, und iſt mit einem ausgemauerten tiefen Graben, und dieſer wiederum mit einem
breiten leeren Platze umgeben. Die Mitte prangt mit einem viereckigten hohen Thurme
von vielen Stokwerken, und der Grabe hat eine ſchmakhafte Art Karpen, wovon unſerm
Dolmetſcher an dieſem Abend einige zu Theil wurden. Die Veſtung wird im uͤbrigen von
einem Hauptmanne mit einer nicht unbetraͤchtlichen Beſatzung bewohnet und bewacht.

Die
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[234/0262] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. war. Jn den andern Kammern, die wir beruͤhrten, hiengen ebenfals viele Gewehre, ohngefehr ſo, wie bei dem Gouverneur in Oſacka. Zu Ende des Sals hatte ſich das neu- gierige Frauenzimmer hinter zwei papiernen durchloͤcherten Schauben unſerer wahrzunehmen verſammelt. Kaum hatten wir uns niedergeſezt, als der Gouverneur, ein ziemlich grauer beinahe 60 jaͤhriger, jedoch friſcher, anſehnlicher, wohlgeſtalteter Man, in einem ſchwar- zen Kleide und daruͤber einem Gallarocke, auf etwa 10 Schritte vor uns ein gleiches that. Er hies uns mit einem freundlichen Weſen wilkommen, und nahm die Geſchenke mit vie- ler Guͤte an. Der Oberdolmetſcher, der ihn ſchon von langer Zeit her kante, bediente ſich der Gelegenheit, ihm fuͤr ſeine Perſon noch beſonders einige glaͤſerne Europaͤiſche Trinkge- ſchirre als ein Geſchenk zu uͤberreichen, und ſich dabei eine Gewogenheit fuͤr des Unterdol- metſchers Sohn auszubitten. Es war etwa ein Uhr Nachmittags, als wir von dieſer un- ſerer Verrichtung in unſern Cangos vor unſerm Quartiere wieder abtraten. Kio oder Miaco heißet auf Japaniſch eine Stadt. Sie wird wegen ihrer Ver- treflichkeit (da ſie eine Reſidenz des heilig gehaltenen Dairi, und daher des ganzen Reichs Hauptſtadt iſt) mit keinem andern als dieſem algemeinen Namen benent. Sie liegt in der Provinz Jamatto in einem ebenen Felde, und erſtrekt ſich in der Laͤnge von Nord nach Suͤd auf drei Viertel, in der Breite aber von Oſt nach Weſt etwa auf eine halbe deutſche Meile. Sie iſt mit Buſchwerk und quelreichen Bergen umgeben, wie denn durch den ſuͤdlichen Theil der Stadt, an den die Berge am naͤchſten graͤnzen, und wo auch viele ſchoͤne Tempel, Kloͤſter und Kapellen ſtehen, welcher wir in der Ruͤkreiſe mit mehrerem gedenken wollen, ein dreifaches nicht gar tiefes Waſſer fließet, deſſen groͤßeſter Arm aus der Oitzer See, die beiden andern aber aus den noͤrdlichen Gebirgen entſpringen, und ſich gegen die Mitte der Stadt zu einem Fluſſe vereinigen, der alda mit einer großen 200 Schrit langen Bruͤcke, Sanſjo no fas genant, belegt iſt, und von dannen ſeinen Lauf etwas Weſtlich nimt. An der Nordſeite reſidirt der Dairi mit ſeiner geiſtlichen Familie und Hofſtaat in einem von der Buͤrgerſchaſt mit Graben und Mauren abgeſonderten Staͤdtchen von 12 oder 13 Gaffen, wovon im andern Kapitel des zweiten Buchs Meldung geſchehen. Die Weſtſeite endigt ſich mit einer von Stein in Quadrat erbaueten Burg oder Veſtung, welche der Kai- ſer Sensjonofas zur Zeit eines innerlichen Krieges zu ſeiner Sicherheit angelegt hat, und in welcher die jetzigen Kaiſer bei ihrer Hieherkunft ihren Aufenthalt zu nehmen pflegen. Nach dem abgezeichneten Grundriſſe haͤlt jede Quadratſeite die Laͤnge von 150 Jkins oder Klaftern, und iſt mit einem ausgemauerten tiefen Graben, und dieſer wiederum mit einem breiten leeren Platze umgeben. Die Mitte prangt mit einem viereckigten hohen Thurme von vielen Stokwerken, und der Grabe hat eine ſchmakhafte Art Karpen, wovon unſerm Dolmetſcher an dieſem Abend einige zu Theil wurden. Die Veſtung wird im uͤbrigen von einem Hauptmanne mit einer nicht unbetraͤchtlichen Beſatzung bewohnet und bewacht. Tab. XXVII. Die

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/262>, abgerufen am 24.11.2024.