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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Fünftes Buch.

2) der Tempel Gibon oder der Blumentempel genant, dahin einige von uns zu
Fuße giengen, andere aber sich tragen ließen. Es war derselbe mit vielen, etwa 30 bis
40 kleinen Kapellen in regelmäßiger Form umgeben, auch an verschiedenen Orten mit
Krambuden umher besezt, so wie mit durch Bäume artig eingefasseten Plätzen zum Pfeilschie-
ßen versehen, gleich als ob es nur zur Lust der jungen Leute seyn solte. Der Tempel an
und für sich machte ein langes enges Gebäude aus, alwo der in der Mitte mit einer Gal-
lerie abgesonderte Ort einen großen und ihm zu den Seiten viele kleine Abgötter, nebst an-
dern Auszierungen in sehr großer Menge in sich hielt: so sahe man unter andern ein gefir-
nissetes ziemlich großes Jungfernbild von ohngefähr zwei bis drei Klaftern lang, Teufel,
Helden und dergleichen Figuren hin und wieder in nicht geringer Anzahl, ein Holländisches
Schif, einige Säbel und mehrere solcher ungereimter Sachen durch einander. Eine halbe
Meile von da durch einen Bergweg, Ziwon Jasakki, sage Sjiwon Jasakki, d. i. die
Betler- und Hurengasse genant, ließen wir uns

Tab.
XXXIV.

3) zu dem merkwürdigen Tempel Kiamitz forttragen. Erst kamen wir an einen
hohen Thurm von sieben Dächern, in dessen unterstem einige Stuffen von der Erde erhöhe-
ten Altar ein großes und einige kleine güldene Götzen standen; sodann etwas weiter nach
dem Gebürge hin zu dem Tempel selbst, an einem steilen Abfalle des Berges gelegen, der
die eine Seite unterstüzte, dagegen die andere Seite durch hohe bis auf die Tiefe des Grun-
des reichende Pfähle von 81/2 Jkin verwahrt war. Wir trafen hieselbst ein Gewimmel von
Menschen an. Jn der Mitte des mit einem Gitter umschlossenen Platzes befand sich ein
großer runder Spiegel, zwei Almosenkasten und einige Gumgum, die derjenige, der et-
was in den Kasten legte, mit dem daran hangenden dicken Stricke anzog und in den Ton
brachte. Ohnweit davon lief eine steinerne Treppe von 85 Stuffen hinab zu einem aus
dem Gebürge entstehenden Springbrunnen von drei Strahlen, Otowan takki genant,
einem Wasser, welches die Kraft haben sol, daß alle, die davon trinken, weise und klug
werden; ich fand es sehr klar und im Geschmak von allem übrigen Mijacoschen Wasser
gar nicht unterschieden. Man gieng hier an einer an der Bergseite aufgemauerten Ebene
einige in einer krummen Linie gebauete Kapellen und kleinere Tempel vorbei, bis zu noch ei-
nem in diesen Bezirk gehörigen größeren ebenfals senkrecht an der Seite des Berges herauf-
stehenden Tempel von gleicher inwendiger Beschaffenheit mit dem ersteren, und einer sehr
schönen Aussicht. Die vornehmsten Götzen darinnen saßen mit zusammengefaltenen Hän-
den, so, daß sie mit dem Zeigefinger den Daumen berührten. Nach diesem ließen wir
uns tragen

Tab.
XXXV.

4) zu dem großen Daibotstempel, nicht weit von der Heerstraße unsers Wegs
nach Fitzimi entfernt, da wir erst in ein kleines Bordel eintraten, und das Abschiedstrakta-
ment unsers Wirths einnahmen, das wir aber mit einem Cobang und also vierdoppelt

bezah-
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.

2) der Tempel Gibon oder der Blumentempel genant, dahin einige von uns zu
Fuße giengen, andere aber ſich tragen ließen. Es war derſelbe mit vielen, etwa 30 bis
40 kleinen Kapellen in regelmaͤßiger Form umgeben, auch an verſchiedenen Orten mit
Krambuden umher beſezt, ſo wie mit durch Baͤume artig eingefaſſeten Plaͤtzen zum Pfeilſchie-
ßen verſehen, gleich als ob es nur zur Luſt der jungen Leute ſeyn ſolte. Der Tempel an
und fuͤr ſich machte ein langes enges Gebaͤude aus, alwo der in der Mitte mit einer Gal-
lerie abgeſonderte Ort einen großen und ihm zu den Seiten viele kleine Abgoͤtter, nebſt an-
dern Auszierungen in ſehr großer Menge in ſich hielt: ſo ſahe man unter andern ein gefir-
niſſetes ziemlich großes Jungfernbild von ohngefaͤhr zwei bis drei Klaftern lang, Teufel,
Helden und dergleichen Figuren hin und wieder in nicht geringer Anzahl, ein Hollaͤndiſches
Schif, einige Saͤbel und mehrere ſolcher ungereimter Sachen durch einander. Eine halbe
Meile von da durch einen Bergweg, Ziwon Jaſakki, ſage Sjiwon Jaſakki, d. i. die
Betler- und Hurengaſſe genant, ließen wir uns

Tab.
XXXIV.

3) zu dem merkwuͤrdigen Tempel Kiamitz forttragen. Erſt kamen wir an einen
hohen Thurm von ſieben Daͤchern, in deſſen unterſtem einige Stuffen von der Erde erhoͤhe-
ten Altar ein großes und einige kleine guͤldene Goͤtzen ſtanden; ſodann etwas weiter nach
dem Gebuͤrge hin zu dem Tempel ſelbſt, an einem ſteilen Abfalle des Berges gelegen, der
die eine Seite unterſtuͤzte, dagegen die andere Seite durch hohe bis auf die Tiefe des Grun-
des reichende Pfaͤhle von 8½ Jkin verwahrt war. Wir trafen hieſelbſt ein Gewimmel von
Menſchen an. Jn der Mitte des mit einem Gitter umſchloſſenen Platzes befand ſich ein
großer runder Spiegel, zwei Almoſenkaſten und einige Gumgum, die derjenige, der et-
was in den Kaſten legte, mit dem daran hangenden dicken Stricke anzog und in den Ton
brachte. Ohnweit davon lief eine ſteinerne Treppe von 85 Stuffen hinab zu einem aus
dem Gebuͤrge entſtehenden Springbrunnen von drei Strahlen, Otowan takki genant,
einem Waſſer, welches die Kraft haben ſol, daß alle, die davon trinken, weiſe und klug
werden; ich fand es ſehr klar und im Geſchmak von allem uͤbrigen Mijacoſchen Waſſer
gar nicht unterſchieden. Man gieng hier an einer an der Bergſeite aufgemauerten Ebene
einige in einer krummen Linie gebauete Kapellen und kleinere Tempel vorbei, bis zu noch ei-
nem in dieſen Bezirk gehoͤrigen groͤßeren ebenfals ſenkrecht an der Seite des Berges herauf-
ſtehenden Tempel von gleicher inwendiger Beſchaffenheit mit dem erſteren, und einer ſehr
ſchoͤnen Ausſicht. Die vornehmſten Goͤtzen darinnen ſaßen mit zuſammengefaltenen Haͤn-
den, ſo, daß ſie mit dem Zeigefinger den Daumen beruͤhrten. Nach dieſem ließen wir
uns tragen

Tab.
XXXV.

4) zu dem großen Daibotstempel, nicht weit von der Heerſtraße unſers Wegs
nach Fitzimi entfernt, da wir erſt in ein kleines Bordel eintraten, und das Abſchiedstrakta-
ment unſers Wirths einnahmen, das wir aber mit einem Cobang und alſo vierdoppelt

bezah-
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[308/0348] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. 2) der Tempel Gibon oder der Blumentempel genant, dahin einige von uns zu Fuße giengen, andere aber ſich tragen ließen. Es war derſelbe mit vielen, etwa 30 bis 40 kleinen Kapellen in regelmaͤßiger Form umgeben, auch an verſchiedenen Orten mit Krambuden umher beſezt, ſo wie mit durch Baͤume artig eingefaſſeten Plaͤtzen zum Pfeilſchie- ßen verſehen, gleich als ob es nur zur Luſt der jungen Leute ſeyn ſolte. Der Tempel an und fuͤr ſich machte ein langes enges Gebaͤude aus, alwo der in der Mitte mit einer Gal- lerie abgeſonderte Ort einen großen und ihm zu den Seiten viele kleine Abgoͤtter, nebſt an- dern Auszierungen in ſehr großer Menge in ſich hielt: ſo ſahe man unter andern ein gefir- niſſetes ziemlich großes Jungfernbild von ohngefaͤhr zwei bis drei Klaftern lang, Teufel, Helden und dergleichen Figuren hin und wieder in nicht geringer Anzahl, ein Hollaͤndiſches Schif, einige Saͤbel und mehrere ſolcher ungereimter Sachen durch einander. Eine halbe Meile von da durch einen Bergweg, Ziwon Jaſakki, ſage Sjiwon Jaſakki, d. i. die Betler- und Hurengaſſe genant, ließen wir uns 3) zu dem merkwuͤrdigen Tempel Kiamitz forttragen. Erſt kamen wir an einen hohen Thurm von ſieben Daͤchern, in deſſen unterſtem einige Stuffen von der Erde erhoͤhe- ten Altar ein großes und einige kleine guͤldene Goͤtzen ſtanden; ſodann etwas weiter nach dem Gebuͤrge hin zu dem Tempel ſelbſt, an einem ſteilen Abfalle des Berges gelegen, der die eine Seite unterſtuͤzte, dagegen die andere Seite durch hohe bis auf die Tiefe des Grun- des reichende Pfaͤhle von 8½ Jkin verwahrt war. Wir trafen hieſelbſt ein Gewimmel von Menſchen an. Jn der Mitte des mit einem Gitter umſchloſſenen Platzes befand ſich ein großer runder Spiegel, zwei Almoſenkaſten und einige Gumgum, die derjenige, der et- was in den Kaſten legte, mit dem daran hangenden dicken Stricke anzog und in den Ton brachte. Ohnweit davon lief eine ſteinerne Treppe von 85 Stuffen hinab zu einem aus dem Gebuͤrge entſtehenden Springbrunnen von drei Strahlen, Otowan takki genant, einem Waſſer, welches die Kraft haben ſol, daß alle, die davon trinken, weiſe und klug werden; ich fand es ſehr klar und im Geſchmak von allem uͤbrigen Mijacoſchen Waſſer gar nicht unterſchieden. Man gieng hier an einer an der Bergſeite aufgemauerten Ebene einige in einer krummen Linie gebauete Kapellen und kleinere Tempel vorbei, bis zu noch ei- nem in dieſen Bezirk gehoͤrigen groͤßeren ebenfals ſenkrecht an der Seite des Berges herauf- ſtehenden Tempel von gleicher inwendiger Beſchaffenheit mit dem erſteren, und einer ſehr ſchoͤnen Ausſicht. Die vornehmſten Goͤtzen darinnen ſaßen mit zuſammengefaltenen Haͤn- den, ſo, daß ſie mit dem Zeigefinger den Daumen beruͤhrten. Nach dieſem ließen wir uns tragen 4) zu dem großen Daibotstempel, nicht weit von der Heerſtraße unſers Wegs nach Fitzimi entfernt, da wir erſt in ein kleines Bordel eintraten, und das Abſchiedstrakta- ment unſers Wirths einnahmen, das wir aber mit einem Cobang und alſo vierdoppelt bezah-

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/348>, abgerufen am 24.11.2024.