Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.Dreizehntes Kap. Rükreise von Jedo bis Nagasacki. bezahlen musten. Der Umfang des Daibotstempels war auf einem an dem Wege gelege-nen hohen Orte, der vorderste Plaz mit großen beinahe zwei Klafter im Quadrat haltenden Steinen nach Verhältnis der Höhe beschlossen, auch mit einer auswärts unsichtbaren, in- wendig aber offenen Gallerie umgeben, deren etwa drei Klaftern hohes Dach von jeder Seite auf 25 runden hölzernen Säulen der Länge nach, jedesmal drei neben einander in der Breite gesezt, ruhete. Ein schmales mit hohen Pfeilern und zur Pracht mit einem dop- pelten Dachwerk versehenes Gebäude machte die Pforte zum Eingange aus, alwo zu beiden Seiten auf einem einer Klafter hohen Fusgestelle die vier Klafter hohe Statüe eines schwar- zen, dicken, nakten und nur mit einem fliegenden Tuche umgürteten Löwenmäßig gebildeten Helden zu sehen war; jede derselben hatte ihre besondere Bedeutung, der Meister aber das Verhältnis der Theile sehr wohl getroffen. Gleich gegen dieser Pforte über in der Mitte des Platzes stand das Gebäude des Tempels selbst, ein Gebäude, das alle andere in der Stadt Miaco an Höhe übertrift, ja sogar das höchste ist, das ich in ganz Japan gefunden. Es hat selbiges ein gedoppeltes Dach, und ruhet auf achtmal zwölf oder 92 *). Pfeilern, (wenn nämlich viere, so in der Mitten weniger sind, davon abgezogen werden); lange unter das erste Dach laufende schmale Thüren verschaffen fast überal einen Eingang. Jn- wendig ist alles bis unter das äußerste Dach offen, das von vielen wunderlich in einem ge- fügten und roth angestrichenen Balken befestigt wird: da wegen der Höhe kein Licht oben hinkommen kan, so ist es daselbst ganz finster. Der Fusboden des Tempels war wider die sonst gewöhnliche Manier mit Quadersteinen belegt, die Pfeiler hingegen von Holz, aus verschiedenen Balken zusammengefügt, 21/2 Klafter dik, und wie alles übrige Holzwerk, roth gefärbt. Wir sahen keine andere Zierrathen, als ein durchaus verguldetes Götzenbild von unglaublicher Größe, so, daß sich drei Matten in dessen flache Hand hätten ausbreiten las- sen; es hatte dasselbe lange Kuhohren, krause Haare, vor der Stirne einen nicht vergul- deten Flecken, und eine güldene Krone auf dem Haupte, welches durch das obere Fenster über dem ersten Dache gesehen werden konte: die Schultern waren blos, Brust und Leib mit einem fliegenden Tuche geschnizt, die rechte Hand etwas erhaben, und die linke vor sich offen: es sas auf Jndianisch in einer Tarateblume, die noch von einer andern von Gipsarbeit mit ihren Blättern von der Erde aufstehend gemachten Blume umgeben war, beide über den ordentlichen Fusboden etwa zwei Klafter erhaben. Der Rücken war mit ei- nem hohen länglich runden Blätterwerk in der Breite von vier Säulen bedekt, und mit kleineren in einer Tarateblume sitzenden Götzen von menschlicher Figur besezt, das Götzen- bild für sich aber so breit, daß es von einer Säule bis zu der andern, welches nach unserer Ausmessung fünf Klaftern betrug, mit den Schultern rührte. Ein achteckigtes hölzernes Gitter *) Scheuchzer sezt 94, und ziehet dagegen aus der Mitte nur zwei anstat viere ab. Q q 3
Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. bezahlen muſten. Der Umfang des Daibotstempels war auf einem an dem Wege gelege-nen hohen Orte, der vorderſte Plaz mit großen beinahe zwei Klafter im Quadrat haltenden Steinen nach Verhaͤltnis der Hoͤhe beſchloſſen, auch mit einer auswaͤrts unſichtbaren, in- wendig aber offenen Gallerie umgeben, deren etwa drei Klaftern hohes Dach von jeder Seite auf 25 runden hoͤlzernen Saͤulen der Laͤnge nach, jedesmal drei neben einander in der Breite geſezt, ruhete. Ein ſchmales mit hohen Pfeilern und zur Pracht mit einem dop- pelten Dachwerk verſehenes Gebaͤude machte die Pforte zum Eingange aus, alwo zu beiden Seiten auf einem einer Klafter hohen Fusgeſtelle die vier Klafter hohe Statuͤe eines ſchwar- zen, dicken, nakten und nur mit einem fliegenden Tuche umguͤrteten Loͤwenmaͤßig gebildeten Helden zu ſehen war; jede derſelben hatte ihre beſondere Bedeutung, der Meiſter aber das Verhaͤltnis der Theile ſehr wohl getroffen. Gleich gegen dieſer Pforte uͤber in der Mitte des Platzes ſtand das Gebaͤude des Tempels ſelbſt, ein Gebaͤude, das alle andere in der Stadt Miaco an Hoͤhe uͤbertrift, ja ſogar das hoͤchſte iſt, das ich in ganz Japan gefunden. Es hat ſelbiges ein gedoppeltes Dach, und ruhet auf achtmal zwoͤlf oder 92 *). Pfeilern, (wenn naͤmlich viere, ſo in der Mitten weniger ſind, davon abgezogen werden); lange unter das erſte Dach laufende ſchmale Thuͤren verſchaffen faſt uͤberal einen Eingang. Jn- wendig iſt alles bis unter das aͤußerſte Dach offen, das von vielen wunderlich in einem ge- fuͤgten und roth angeſtrichenen Balken befeſtigt wird: da wegen der Hoͤhe kein Licht oben hinkommen kan, ſo iſt es daſelbſt ganz finſter. Der Fusboden des Tempels war wider die ſonſt gewoͤhnliche Manier mit Quaderſteinen belegt, die Pfeiler hingegen von Holz, aus verſchiedenen Balken zuſammengefuͤgt, 2½ Klafter dik, und wie alles uͤbrige Holzwerk, roth gefaͤrbt. Wir ſahen keine andere Zierrathen, als ein durchaus verguldetes Goͤtzenbild von unglaublicher Groͤße, ſo, daß ſich drei Matten in deſſen flache Hand haͤtten ausbreiten laſ- ſen; es hatte daſſelbe lange Kuhohren, krauſe Haare, vor der Stirne einen nicht vergul- deten Flecken, und eine guͤldene Krone auf dem Haupte, welches durch das obere Fenſter uͤber dem erſten Dache geſehen werden konte: die Schultern waren blos, Bruſt und Leib mit einem fliegenden Tuche geſchnizt, die rechte Hand etwas erhaben, und die linke vor ſich offen: es ſas auf Jndianiſch in einer Tarateblume, die noch von einer andern von Gipsarbeit mit ihren Blaͤttern von der Erde aufſtehend gemachten Blume umgeben war, beide uͤber den ordentlichen Fusboden etwa zwei Klafter erhaben. Der Ruͤcken war mit ei- nem hohen laͤnglich runden Blaͤtterwerk in der Breite von vier Saͤulen bedekt, und mit kleineren in einer Tarateblume ſitzenden Goͤtzen von menſchlicher Figur beſezt, das Goͤtzen- bild fuͤr ſich aber ſo breit, daß es von einer Saͤule bis zu der andern, welches nach unſerer Ausmeſſung fuͤnf Klaftern betrug, mit den Schultern ruͤhrte. Ein achteckigtes hoͤlzernes Gitter *) Scheuchzer ſezt 94, und ziehet dagegen aus der Mitte nur zwei anſtat viere ab. Q q 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0353" n="309"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.</hi></fw><lb/> bezahlen muſten. Der Umfang des Daibotstempels war auf einem an dem Wege gelege-<lb/> nen hohen Orte, der vorderſte Plaz mit großen beinahe zwei Klafter im Quadrat haltenden<lb/> Steinen nach Verhaͤltnis der Hoͤhe beſchloſſen, auch mit einer auswaͤrts unſichtbaren, in-<lb/> wendig aber offenen Gallerie umgeben, deren etwa drei Klaftern hohes Dach von jeder<lb/> Seite auf 25 runden hoͤlzernen Saͤulen der Laͤnge nach, jedesmal drei neben einander in der<lb/> Breite geſezt, ruhete. Ein ſchmales mit hohen Pfeilern und zur Pracht mit einem dop-<lb/> pelten Dachwerk verſehenes Gebaͤude machte die Pforte zum Eingange aus, alwo zu beiden<lb/> Seiten auf einem einer Klafter hohen Fusgeſtelle die vier Klafter hohe Statuͤe eines ſchwar-<lb/> zen, dicken, nakten und nur mit einem fliegenden Tuche umguͤrteten Loͤwenmaͤßig gebildeten<lb/> Helden zu ſehen war; jede derſelben hatte ihre beſondere Bedeutung, der Meiſter aber das<lb/> Verhaͤltnis der Theile ſehr wohl getroffen. Gleich gegen dieſer Pforte uͤber in der Mitte<lb/> des Platzes ſtand das Gebaͤude des Tempels ſelbſt, ein Gebaͤude, das alle andere in der<lb/> Stadt Miaco an Hoͤhe uͤbertrift, ja ſogar das hoͤchſte iſt, das ich in ganz Japan gefunden.<lb/> Es hat ſelbiges ein gedoppeltes Dach, und ruhet auf achtmal zwoͤlf oder 92 <note place="foot" n="*)">Scheuchzer ſezt 94, und ziehet dagegen aus der Mitte nur zwei anſtat viere ab.</note>. Pfeilern,<lb/> (wenn naͤmlich viere, ſo in der Mitten weniger ſind, davon abgezogen werden); lange<lb/> unter das erſte Dach laufende ſchmale Thuͤren verſchaffen faſt uͤberal einen Eingang. Jn-<lb/> wendig iſt alles bis unter das aͤußerſte Dach offen, das von vielen wunderlich in einem ge-<lb/> fuͤgten und roth angeſtrichenen Balken befeſtigt wird: da wegen der Hoͤhe kein Licht oben<lb/> hinkommen kan, ſo iſt es daſelbſt ganz finſter. Der Fusboden des Tempels war wider die<lb/> ſonſt gewoͤhnliche Manier mit Quaderſteinen belegt, die Pfeiler hingegen von Holz, aus<lb/> verſchiedenen Balken zuſammengefuͤgt, 2½ Klafter dik, und wie alles uͤbrige Holzwerk, roth<lb/> gefaͤrbt. Wir ſahen keine andere Zierrathen, als ein durchaus verguldetes Goͤtzenbild von<lb/> unglaublicher Groͤße, ſo, daß ſich drei Matten in deſſen flache Hand haͤtten ausbreiten laſ-<lb/> ſen; es hatte daſſelbe lange Kuhohren, krauſe Haare, vor der Stirne einen nicht vergul-<lb/> deten Flecken, und eine guͤldene Krone auf dem Haupte, welches durch das obere Fenſter<lb/> uͤber dem erſten Dache geſehen werden konte: die Schultern waren blos, Bruſt und Leib<lb/> mit einem fliegenden Tuche geſchnizt, die rechte Hand etwas erhaben, und die linke vor<lb/> ſich offen: es ſas auf Jndianiſch in einer Tarateblume, die noch von einer andern von<lb/> Gipsarbeit mit ihren Blaͤttern von der Erde aufſtehend gemachten Blume umgeben war,<lb/> beide uͤber den ordentlichen Fusboden etwa zwei Klafter erhaben. Der Ruͤcken war mit ei-<lb/> nem hohen laͤnglich runden Blaͤtterwerk in der Breite von vier Saͤulen bedekt, und mit<lb/> kleineren in einer Tarateblume ſitzenden Goͤtzen von menſchlicher Figur beſezt, das Goͤtzen-<lb/> bild fuͤr ſich aber ſo breit, daß es von einer Saͤule bis zu der andern, welches nach unſerer<lb/> Ausmeſſung fuͤnf Klaftern betrug, mit den Schultern ruͤhrte. Ein achteckigtes hoͤlzernes<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Q q 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Gitter</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [309/0353]
Dreizehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.
bezahlen muſten. Der Umfang des Daibotstempels war auf einem an dem Wege gelege-
nen hohen Orte, der vorderſte Plaz mit großen beinahe zwei Klafter im Quadrat haltenden
Steinen nach Verhaͤltnis der Hoͤhe beſchloſſen, auch mit einer auswaͤrts unſichtbaren, in-
wendig aber offenen Gallerie umgeben, deren etwa drei Klaftern hohes Dach von jeder
Seite auf 25 runden hoͤlzernen Saͤulen der Laͤnge nach, jedesmal drei neben einander in der
Breite geſezt, ruhete. Ein ſchmales mit hohen Pfeilern und zur Pracht mit einem dop-
pelten Dachwerk verſehenes Gebaͤude machte die Pforte zum Eingange aus, alwo zu beiden
Seiten auf einem einer Klafter hohen Fusgeſtelle die vier Klafter hohe Statuͤe eines ſchwar-
zen, dicken, nakten und nur mit einem fliegenden Tuche umguͤrteten Loͤwenmaͤßig gebildeten
Helden zu ſehen war; jede derſelben hatte ihre beſondere Bedeutung, der Meiſter aber das
Verhaͤltnis der Theile ſehr wohl getroffen. Gleich gegen dieſer Pforte uͤber in der Mitte
des Platzes ſtand das Gebaͤude des Tempels ſelbſt, ein Gebaͤude, das alle andere in der
Stadt Miaco an Hoͤhe uͤbertrift, ja ſogar das hoͤchſte iſt, das ich in ganz Japan gefunden.
Es hat ſelbiges ein gedoppeltes Dach, und ruhet auf achtmal zwoͤlf oder 92 *). Pfeilern,
(wenn naͤmlich viere, ſo in der Mitten weniger ſind, davon abgezogen werden); lange
unter das erſte Dach laufende ſchmale Thuͤren verſchaffen faſt uͤberal einen Eingang. Jn-
wendig iſt alles bis unter das aͤußerſte Dach offen, das von vielen wunderlich in einem ge-
fuͤgten und roth angeſtrichenen Balken befeſtigt wird: da wegen der Hoͤhe kein Licht oben
hinkommen kan, ſo iſt es daſelbſt ganz finſter. Der Fusboden des Tempels war wider die
ſonſt gewoͤhnliche Manier mit Quaderſteinen belegt, die Pfeiler hingegen von Holz, aus
verſchiedenen Balken zuſammengefuͤgt, 2½ Klafter dik, und wie alles uͤbrige Holzwerk, roth
gefaͤrbt. Wir ſahen keine andere Zierrathen, als ein durchaus verguldetes Goͤtzenbild von
unglaublicher Groͤße, ſo, daß ſich drei Matten in deſſen flache Hand haͤtten ausbreiten laſ-
ſen; es hatte daſſelbe lange Kuhohren, krauſe Haare, vor der Stirne einen nicht vergul-
deten Flecken, und eine guͤldene Krone auf dem Haupte, welches durch das obere Fenſter
uͤber dem erſten Dache geſehen werden konte: die Schultern waren blos, Bruſt und Leib
mit einem fliegenden Tuche geſchnizt, die rechte Hand etwas erhaben, und die linke vor
ſich offen: es ſas auf Jndianiſch in einer Tarateblume, die noch von einer andern von
Gipsarbeit mit ihren Blaͤttern von der Erde aufſtehend gemachten Blume umgeben war,
beide uͤber den ordentlichen Fusboden etwa zwei Klafter erhaben. Der Ruͤcken war mit ei-
nem hohen laͤnglich runden Blaͤtterwerk in der Breite von vier Saͤulen bedekt, und mit
kleineren in einer Tarateblume ſitzenden Goͤtzen von menſchlicher Figur beſezt, das Goͤtzen-
bild fuͤr ſich aber ſo breit, daß es von einer Saͤule bis zu der andern, welches nach unſerer
Ausmeſſung fuͤnf Klaftern betrug, mit den Schultern ruͤhrte. Ein achteckigtes hoͤlzernes
Gitter
*) Scheuchzer ſezt 94, und ziehet dagegen aus der Mitte nur zwei anſtat viere ab.
Q q 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |