Den 28 fuhren in diesem Frühjahre die ersten Jonken, etwa 20 an der Zahl, ab, die in vier Tagen in China sind.
Den 1 Junius war ein Festtag der Japaner, da man Pelag, wie es die unsrigen nennen, spielte. Sie üben sich an demselben mit Kahnen und Barken in Schiffen, und suchen einer dem andern durch starkes Rudern vorzukommen, wobei sie unter stetem Schel- len- und Glockenspiel oft Pelo rufen und überaus lustig sind. Man hat alsdenn in allen Häusern pappene Flaggen und sonstige Zierrathen ausgestelt. Keine als nur die jungen Leute dürfen an der Feier dieses Tages Antheil nehmen.
Den 3 Junius wurden in der Nacht einige Schleichhändler ertapt, die von den Chinesen Waaren erkauft hatten. Der eine davon gedachte sich zu entleiben, ein Häscher aber überfiel ihn bei der Gefangennehmung so schleunig, daß er sich nur eine geringe Wunde beigebracht, und an dem aus Furcht der Schande erwählten Selbstmord war verhindert worden, ob er sich gleich boshafter Weise die Zunge fast ganz abgebissen hatte.
Jn diesen Tagen pflegt die Japanische Setzuki oder Regenszeit anzufangen, welche denn auch mit unaufhörlichem nassen Wetter, Plazregen und Winden begleitet ist. Hingegen wird in eben diesem Regenmonat der Reis gepflanzt, welche Arbeit die Frauen und Mägde verrichten.
Den 20 haben wir unsere Barken gemustert, und eine alt und unbrauchbar ge- funden. Auf dem Vorgebürge bei einem Tempel hielten wir Mittag.
Einige Barken von verschiedenen Orten zogen um diese Zeit ab, und andere ka- men wieder an, daher Nangasacki zu Verhütung alles heimlichen Handels stets verschlossen war, und alle Passirende visitirt wurden.
Den 30 war in der verwichenen Nacht von einem Orte aus China eine Jonke un- ter einer Batavischen Prinzen Flagge angekommen.
Den 10 Julius wurden die nächtlichen Jahrmärkte, so sieben Tage gewährt, ge- schlossen, und das große Fest Giwo einem heiligen Japanischen Götzen zu Ehren gefeiert.
Den 16 musten die Köche und übrigen Bedienten auf Desima einen Eid mit ihrem Blute besiegeln, daß sie mit den unsrigen keine Gemeinschaft pflegen wolten.
Den 20 dieser Tage wurden zwei junge Leute *) tod auf der Gasse gefunden, deren einer den andern mit dem Säbel verwundet, und darnach durch Abschneidung der Kehle jeder sich selbst getödtet hatte. Wenige Tage zuvor hatte sich ein Bedienter den Bauch selbst aufgeschnitten. Ein anderer schnit sich den Hals ab, weil er von einem seines glei- chen war beschimpft worden, wider den er keine Genugthuung von dem Stadtbürgermeister
erhalten
*) Jn meinen beiden Handschristen: "zwei Lichtmessen."
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
Den 28 fuhren in dieſem Fruͤhjahre die erſten Jonken, etwa 20 an der Zahl, ab, die in vier Tagen in China ſind.
Den 1 Junius war ein Feſttag der Japaner, da man Pelag, wie es die unſrigen nennen, ſpielte. Sie uͤben ſich an demſelben mit Kahnen und Barken in Schiffen, und ſuchen einer dem andern durch ſtarkes Rudern vorzukommen, wobei ſie unter ſtetem Schel- len- und Glockenſpiel oft Pelo rufen und uͤberaus luſtig ſind. Man hat alsdenn in allen Haͤuſern pappene Flaggen und ſonſtige Zierrathen ausgeſtelt. Keine als nur die jungen Leute duͤrfen an der Feier dieſes Tages Antheil nehmen.
Den 3 Junius wurden in der Nacht einige Schleichhaͤndler ertapt, die von den Chineſen Waaren erkauft hatten. Der eine davon gedachte ſich zu entleiben, ein Haͤſcher aber uͤberfiel ihn bei der Gefangennehmung ſo ſchleunig, daß er ſich nur eine geringe Wunde beigebracht, und an dem aus Furcht der Schande erwaͤhlten Selbſtmord war verhindert worden, ob er ſich gleich boshafter Weiſe die Zunge faſt ganz abgebiſſen hatte.
Jn dieſen Tagen pflegt die Japaniſche Setzuki oder Regenszeit anzufangen, welche denn auch mit unaufhoͤrlichem naſſen Wetter, Plazregen und Winden begleitet iſt. Hingegen wird in eben dieſem Regenmonat der Reis gepflanzt, welche Arbeit die Frauen und Maͤgde verrichten.
Den 20 haben wir unſere Barken gemuſtert, und eine alt und unbrauchbar ge- funden. Auf dem Vorgebuͤrge bei einem Tempel hielten wir Mittag.
Einige Barken von verſchiedenen Orten zogen um dieſe Zeit ab, und andere ka- men wieder an, daher Nangaſacki zu Verhuͤtung alles heimlichen Handels ſtets verſchloſſen war, und alle Paſſirende viſitirt wurden.
Den 30 war in der verwichenen Nacht von einem Orte aus China eine Jonke un- ter einer Bataviſchen Prinzen Flagge angekommen.
Den 10 Julius wurden die naͤchtlichen Jahrmaͤrkte, ſo ſieben Tage gewaͤhrt, ge- ſchloſſen, und das große Feſt Giwo einem heiligen Japaniſchen Goͤtzen zu Ehren gefeiert.
Den 16 muſten die Koͤche und uͤbrigen Bedienten auf Deſima einen Eid mit ihrem Blute beſiegeln, daß ſie mit den unſrigen keine Gemeinſchaft pflegen wolten.
Den 20 dieſer Tage wurden zwei junge Leute *) tod auf der Gaſſe gefunden, deren einer den andern mit dem Saͤbel verwundet, und darnach durch Abſchneidung der Kehle jeder ſich ſelbſt getoͤdtet hatte. Wenige Tage zuvor hatte ſich ein Bedienter den Bauch ſelbſt aufgeſchnitten. Ein anderer ſchnit ſich den Hals ab, weil er von einem ſeines glei- chen war beſchimpft worden, wider den er keine Genugthuung von dem Stadtbuͤrgermeiſter
erhalten
*) Jn meinen beiden Handſchriſten: „zwei Lichtmeſſen.‟
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Den 28 fuhren in dieſem Fruͤhjahre die erſten Jonken, etwa 20 an der Zahl, ab,
die in vier Tagen in China ſind.
Den 1 Junius war ein Feſttag der Japaner, da man Pelag, wie es die unſrigen
nennen, ſpielte. Sie uͤben ſich an demſelben mit Kahnen und Barken in Schiffen, und
ſuchen einer dem andern durch ſtarkes Rudern vorzukommen, wobei ſie unter ſtetem Schel-
len- und Glockenſpiel oft Pelo rufen und uͤberaus luſtig ſind. Man hat alsdenn in allen
Haͤuſern pappene Flaggen und ſonſtige Zierrathen ausgeſtelt. Keine als nur die jungen Leute
duͤrfen an der Feier dieſes Tages Antheil nehmen.
Den 3 Junius wurden in der Nacht einige Schleichhaͤndler ertapt, die von den
Chineſen Waaren erkauft hatten. Der eine davon gedachte ſich zu entleiben, ein Haͤſcher
aber uͤberfiel ihn bei der Gefangennehmung ſo ſchleunig, daß er ſich nur eine geringe Wunde
beigebracht, und an dem aus Furcht der Schande erwaͤhlten Selbſtmord war verhindert
worden, ob er ſich gleich boshafter Weiſe die Zunge faſt ganz abgebiſſen hatte.
Jn dieſen Tagen pflegt die Japaniſche Setzuki oder Regenszeit anzufangen,
welche denn auch mit unaufhoͤrlichem naſſen Wetter, Plazregen und Winden begleitet iſt.
Hingegen wird in eben dieſem Regenmonat der Reis gepflanzt, welche Arbeit die Frauen
und Maͤgde verrichten.
Den 20 haben wir unſere Barken gemuſtert, und eine alt und unbrauchbar ge-
funden. Auf dem Vorgebuͤrge bei einem Tempel hielten wir Mittag.
Einige Barken von verſchiedenen Orten zogen um dieſe Zeit ab, und andere ka-
men wieder an, daher Nangaſacki zu Verhuͤtung alles heimlichen Handels ſtets verſchloſſen
war, und alle Paſſirende viſitirt wurden.
Den 30 war in der verwichenen Nacht von einem Orte aus China eine Jonke un-
ter einer Bataviſchen Prinzen Flagge angekommen.
Den 10 Julius wurden die naͤchtlichen Jahrmaͤrkte, ſo ſieben Tage gewaͤhrt, ge-
ſchloſſen, und das große Feſt Giwo einem heiligen Japaniſchen Goͤtzen zu Ehren
gefeiert.
Den 16 muſten die Koͤche und uͤbrigen Bedienten auf Deſima einen Eid mit ihrem
Blute beſiegeln, daß ſie mit den unſrigen keine Gemeinſchaft pflegen wolten.
Den 20 dieſer Tage wurden zwei junge Leute *) tod auf der Gaſſe gefunden, deren
einer den andern mit dem Saͤbel verwundet, und darnach durch Abſchneidung der Kehle
jeder ſich ſelbſt getoͤdtet hatte. Wenige Tage zuvor hatte ſich ein Bedienter den Bauch
ſelbſt aufgeſchnitten. Ein anderer ſchnit ſich den Hals ab, weil er von einem ſeines glei-
chen war beſchimpft worden, wider den er keine Genugthuung von dem Stadtbuͤrgermeiſter
erhalten
*) Jn meinen beiden Handſchriſten: „zwei Lichtmeſſen.‟
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/366>, abgerufen am 23.06.2024.
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