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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Kämpfers Geschichte von Japan. Fünftes Buch.
schien ein niedergehokter Pfaffe zu seyn, der Plaz aber, wo bei der ersten Audienz die Goso
basj sich befanden, und den eine Schirmwand von dem Nebengemache absondert, war le-
dig, einige saßen jedoch im Gange. Hinter uns saßen 25 und in selbiger Reihe, obwol
außer dem Gesichte des Kaisers, 18 Personen zu Volstreckung der Kaiserlichen Befehle, so
wie in der Krümme des Ganges zur rechten Seite noch eine Reihe dergleichen, ohne dieje-
nigen, die sich bei würklich eröfneter Audienz noch einfanden, so, daß der Gang überhaupt
ziemlich davon vol wurde. Wir legten uns denn also auf Japanische Manier zur Erde,
man hies uns aber vor die Matten treten, wo ein jeder von uns nach Europäischem Ge-
brauch vor dem Kaiser seine Ehrerbietung bezeigen muste. Jch bekam abermals den Be-
fehl ein Lied anzustimmen. Jch sang demnach eben die Arie, die ich zu Ehren meiner al-
ten und mir in allen Ehren treu gewesenen Florimene im vorigen Jahre alhier gemacht hatte,
nämlich: Jch gedenke meiner Pflicht, an dem äußersten der Erden etc. Am
Schlusse machte ich die Veränderung: Hundert tausend Dukatonen, hundert tau-
send Millionen, sind nichts werth vor Lieblichkeit, meiner edlen Florimenen
etc.
Hierüber begehrte der Kaiser eine Erklärung. Jch antwortete, daß ich damit so viel sagen
wollen, daß die Götter mit hundert tausendfachem Glük, Heil und Segen den Kaiser und
das ganze Kaiserliche Haus aus dem Himmel überströmen möchten. Nach diesem musten
wir den Mantel abnehmen und in dem Zimmer rund umher gehen, welches der Capitain
auch mitmachte. Sodann stelleten wir die Komplimente guter einander sich unvermuthet
begegnender Freunde und das Abschiednehmen von Freunden, von einem Vater und von
einer Geliebten vor, auch wie diejenigen, so sich mit Wortwechsel unterhalten, nach ge-
schehener guten Versöhnung wieder von einander scheiden. Darnach muste ein Pfaffe her-
beikommen, welcher einen Schaden am Fuße hatte, der in einem hitzigen Geschwür auf
dem Schienbein bestand, jedoch von keiner Bedeutung war. Er hatte ein kleines rundes
auf Europäischem Linnen dik geschmiertes Pflaster darauf liegen. Man hies mich, ihm
den Puls fühlen und den Schaden untersuchen; bei dem ersteren beurtheilte ich ihn als einen
gesunden starken Menschen, in Ansehung des lezteren versicherte ich ihm, daß es keine Ge-
fahr habe, und daß das Pflaster, das ich halb öfnete und so fort wieder zuschlos, schon
helfen würde, nur müsse er, wie ich an der Wunde wahrnähme, (das ihm aber eigentlich
an der Nase zu sehen war) etwas weniger Sacki dabei gebrauchen, worüber der Kaiser
und der ganze Hof aus Wohlgefallen herzlich lachten. Hierauf befahl der Kaiser, daß
zwei von seinen Chirurgen erscheinen solten: sie hielten sich in dem inneren Kaiserlichen
Gemache auf, weshalben der Bingo linker Hand um die Gittermatte gieng und sie selbst
hervor rief. Sie hatten geschorne Häupter und waren wie Pfaffen gekleidet. Der eine
war am rechten Auge blind, der andere nicht viel besser, beide aber im übrigen ziemlich ge-
sunde Leute. Jm Betracht, daß sie Kaiserliche Chirurgen waren, gab ich ihnen den

Vor-

Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch.
ſchien ein niedergehokter Pfaffe zu ſeyn, der Plaz aber, wo bei der erſten Audienz die Goſo
baſj ſich befanden, und den eine Schirmwand von dem Nebengemache abſondert, war le-
dig, einige ſaßen jedoch im Gange. Hinter uns ſaßen 25 und in ſelbiger Reihe, obwol
außer dem Geſichte des Kaiſers, 18 Perſonen zu Volſtreckung der Kaiſerlichen Befehle, ſo
wie in der Kruͤmme des Ganges zur rechten Seite noch eine Reihe dergleichen, ohne dieje-
nigen, die ſich bei wuͤrklich eroͤfneter Audienz noch einfanden, ſo, daß der Gang uͤberhaupt
ziemlich davon vol wurde. Wir legten uns denn alſo auf Japaniſche Manier zur Erde,
man hies uns aber vor die Matten treten, wo ein jeder von uns nach Europaͤiſchem Ge-
brauch vor dem Kaiſer ſeine Ehrerbietung bezeigen muſte. Jch bekam abermals den Be-
fehl ein Lied anzuſtimmen. Jch ſang demnach eben die Arie, die ich zu Ehren meiner al-
ten und mir in allen Ehren treu geweſenen Florimene im vorigen Jahre alhier gemacht hatte,
naͤmlich: Jch gedenke meiner Pflicht, an dem aͤußerſten der Erden ꝛc. Am
Schluſſe machte ich die Veraͤnderung: Hundert tauſend Dukatonen, hundert tau-
ſend Millionen, ſind nichts werth vor Lieblichkeit, meiner edlen Florimenen
ꝛc.
Hieruͤber begehrte der Kaiſer eine Erklaͤrung. Jch antwortete, daß ich damit ſo viel ſagen
wollen, daß die Goͤtter mit hundert tauſendfachem Gluͤk, Heil und Segen den Kaiſer und
das ganze Kaiſerliche Haus aus dem Himmel uͤberſtroͤmen moͤchten. Nach dieſem muſten
wir den Mantel abnehmen und in dem Zimmer rund umher gehen, welches der Capitain
auch mitmachte. Sodann ſtelleten wir die Komplimente guter einander ſich unvermuthet
begegnender Freunde und das Abſchiednehmen von Freunden, von einem Vater und von
einer Geliebten vor, auch wie diejenigen, ſo ſich mit Wortwechſel unterhalten, nach ge-
ſchehener guten Verſoͤhnung wieder von einander ſcheiden. Darnach muſte ein Pfaffe her-
beikommen, welcher einen Schaden am Fuße hatte, der in einem hitzigen Geſchwuͤr auf
dem Schienbein beſtand, jedoch von keiner Bedeutung war. Er hatte ein kleines rundes
auf Europaͤiſchem Linnen dik geſchmiertes Pflaſter darauf liegen. Man hies mich, ihm
den Puls fuͤhlen und den Schaden unterſuchen; bei dem erſteren beurtheilte ich ihn als einen
geſunden ſtarken Menſchen, in Anſehung des lezteren verſicherte ich ihm, daß es keine Ge-
fahr habe, und daß das Pflaſter, das ich halb oͤfnete und ſo fort wieder zuſchlos, ſchon
helfen wuͤrde, nur muͤſſe er, wie ich an der Wunde wahrnaͤhme, (das ihm aber eigentlich
an der Naſe zu ſehen war) etwas weniger Sacki dabei gebrauchen, woruͤber der Kaiſer
und der ganze Hof aus Wohlgefallen herzlich lachten. Hierauf befahl der Kaiſer, daß
zwei von ſeinen Chirurgen erſcheinen ſolten: ſie hielten ſich in dem inneren Kaiſerlichen
Gemache auf, weshalben der Bingo linker Hand um die Gittermatte gieng und ſie ſelbſt
hervor rief. Sie hatten geſchorne Haͤupter und waren wie Pfaffen gekleidet. Der eine
war am rechten Auge blind, der andere nicht viel beſſer, beide aber im uͤbrigen ziemlich ge-
ſunde Leute. Jm Betracht, daß ſie Kaiſerliche Chirurgen waren, gab ich ihnen den

Vor-
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[352/0398] Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Fuͤnftes Buch. ſchien ein niedergehokter Pfaffe zu ſeyn, der Plaz aber, wo bei der erſten Audienz die Goſo baſj ſich befanden, und den eine Schirmwand von dem Nebengemache abſondert, war le- dig, einige ſaßen jedoch im Gange. Hinter uns ſaßen 25 und in ſelbiger Reihe, obwol außer dem Geſichte des Kaiſers, 18 Perſonen zu Volſtreckung der Kaiſerlichen Befehle, ſo wie in der Kruͤmme des Ganges zur rechten Seite noch eine Reihe dergleichen, ohne dieje- nigen, die ſich bei wuͤrklich eroͤfneter Audienz noch einfanden, ſo, daß der Gang uͤberhaupt ziemlich davon vol wurde. Wir legten uns denn alſo auf Japaniſche Manier zur Erde, man hies uns aber vor die Matten treten, wo ein jeder von uns nach Europaͤiſchem Ge- brauch vor dem Kaiſer ſeine Ehrerbietung bezeigen muſte. Jch bekam abermals den Be- fehl ein Lied anzuſtimmen. Jch ſang demnach eben die Arie, die ich zu Ehren meiner al- ten und mir in allen Ehren treu geweſenen Florimene im vorigen Jahre alhier gemacht hatte, naͤmlich: Jch gedenke meiner Pflicht, an dem aͤußerſten der Erden ꝛc. Am Schluſſe machte ich die Veraͤnderung: Hundert tauſend Dukatonen, hundert tau- ſend Millionen, ſind nichts werth vor Lieblichkeit, meiner edlen Florimenen ꝛc. Hieruͤber begehrte der Kaiſer eine Erklaͤrung. Jch antwortete, daß ich damit ſo viel ſagen wollen, daß die Goͤtter mit hundert tauſendfachem Gluͤk, Heil und Segen den Kaiſer und das ganze Kaiſerliche Haus aus dem Himmel uͤberſtroͤmen moͤchten. Nach dieſem muſten wir den Mantel abnehmen und in dem Zimmer rund umher gehen, welches der Capitain auch mitmachte. Sodann ſtelleten wir die Komplimente guter einander ſich unvermuthet begegnender Freunde und das Abſchiednehmen von Freunden, von einem Vater und von einer Geliebten vor, auch wie diejenigen, ſo ſich mit Wortwechſel unterhalten, nach ge- ſchehener guten Verſoͤhnung wieder von einander ſcheiden. Darnach muſte ein Pfaffe her- beikommen, welcher einen Schaden am Fuße hatte, der in einem hitzigen Geſchwuͤr auf dem Schienbein beſtand, jedoch von keiner Bedeutung war. Er hatte ein kleines rundes auf Europaͤiſchem Linnen dik geſchmiertes Pflaſter darauf liegen. Man hies mich, ihm den Puls fuͤhlen und den Schaden unterſuchen; bei dem erſteren beurtheilte ich ihn als einen geſunden ſtarken Menſchen, in Anſehung des lezteren verſicherte ich ihm, daß es keine Ge- fahr habe, und daß das Pflaſter, das ich halb oͤfnete und ſo fort wieder zuſchlos, ſchon helfen wuͤrde, nur muͤſſe er, wie ich an der Wunde wahrnaͤhme, (das ihm aber eigentlich an der Naſe zu ſehen war) etwas weniger Sacki dabei gebrauchen, woruͤber der Kaiſer und der ganze Hof aus Wohlgefallen herzlich lachten. Hierauf befahl der Kaiſer, daß zwei von ſeinen Chirurgen erſcheinen ſolten: ſie hielten ſich in dem inneren Kaiſerlichen Gemache auf, weshalben der Bingo linker Hand um die Gittermatte gieng und ſie ſelbſt hervor rief. Sie hatten geſchorne Haͤupter und waren wie Pfaffen gekleidet. Der eine war am rechten Auge blind, der andere nicht viel beſſer, beide aber im uͤbrigen ziemlich ge- ſunde Leute. Jm Betracht, daß ſie Kaiſerliche Chirurgen waren, gab ich ihnen den Vor-

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/398>, abgerufen am 29.11.2024.