Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
Funfzehntes Kap. Rükreise von Jedo bis Nagasacki.
der Pfaffen und die übrigen kleinen Tempel oder Kapellen, die mit sehr natürlich geschniz-
ten Bildern nach einer guten verhältnismäßigen Lebensgröße besezt und ausgeziert waren,
befanden sich am Rande des Berges auf einem großen langen Raume und Wege. Man
bewirthete uns alhier mit einer schönen Sinesischen Mahlzeit, und ohnweit von uns lies
sich der Pater Prior, ein großer, wackerer, freundlicher Mann in seinem ganzen Purpur-
anzuge sehen.
2) Suwa. Dieser Tempel ist auf mehr als 200 Tritten zu ersteigen, nachdem
einige Berggassen queer durch passirt sind. Als dem heiligen Suwa vor ein oder zwei
Jahren vom Mikaddo eine größere Ehre beigelegt worden, hat man auch die Kapelle mit
ihm auf einen erhöhetern Ort gesezt, daher man auch nunmehro zu dieser höher als sonst
weiter hinaufsteigen mus: die dahin führende hölzerne gefirnissete Treppe war für uns nicht
offen, daher wir auf einer andern steinernen den Weg nahmen. Auf diesem Platze stan-
den verschiedene kleine Kapellen, unter andern auch ein Schauspielhaus, ein offenes Haus
zu Aufhangung allerlei Bilder zur Andacht, und eine Kapelle des Abgottes der Tausendbei-
ne, deren einige davor hiengen. Die Cannusj in weltlichem Habit, mit kurzen hinter-
wärts gestrichenen Haaren, wohnten am Rande oder Abfal des Berges herum.
3) Auf der andern Seite des Berges lag der Sjuuntokus-Tempel, welcher
vor etwa zwei Jahren durch einige mit Pulverschwärmern spielende Buben in Brand gera-
then, und daher nur ein Sakabild darin zu sehen war. Es wohnt hieselbst der Censor
der Budsdobücher, welche von Sina zum Verkauf herüber gebracht werden; er ist der
Sensekte zugethan.
4) Koofkusj oder Nanquindira. Hier blieben wir nur vorn auf dem weiten
Tempelplaz, und besahen im übrigen nichts. Man sagte uns, daß es zu dem Tempel
selbst noch höher aufgehe, daß er gros und über Nagasacki hin eine Aussicht habe.
5) Ein weiter Gang führte uns hinauf in eine offene Kapelle, alwo der Daibots
ganz überguldet in einer Tarateblume sas. Bei dieser Kapelle war ein Koo tais oder
Sensjutempel.
6) Bei dem Daikus- oder Jkosjutempel, wo wir um die Mittagszeit anka-
men, hielte unser ganzer Trup eine Mahlzeit. Ein Theil des vordersten Reviers nahm
ein eigentliches Tempelhaus mit einigen darinnen abgetheilten Plätzen ein, deren der hin-
terste den Götzen Amida enthielt, vor welchem sich eine Menge Volks versamlete, zwischen
welchem und der Kapelle sich bald hernach, als der Haufen größer geworden, ein Pfaffe
zum Predigen hinsezte; er las aus einem Buche und erklärte etwas hierauf, und nach-
dem
B b b 2
Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki.
der Pfaffen und die uͤbrigen kleinen Tempel oder Kapellen, die mit ſehr natuͤrlich geſchniz-
ten Bildern nach einer guten verhaͤltnismaͤßigen Lebensgroͤße beſezt und ausgeziert waren,
befanden ſich am Rande des Berges auf einem großen langen Raume und Wege. Man
bewirthete uns alhier mit einer ſchoͤnen Sineſiſchen Mahlzeit, und ohnweit von uns lies
ſich der Pater Prior, ein großer, wackerer, freundlicher Mann in ſeinem ganzen Purpur-
anzuge ſehen.
2) Suwa. Dieſer Tempel iſt auf mehr als 200 Tritten zu erſteigen, nachdem
einige Berggaſſen queer durch paſſirt ſind. Als dem heiligen Suwa vor ein oder zwei
Jahren vom Mikaddo eine groͤßere Ehre beigelegt worden, hat man auch die Kapelle mit
ihm auf einen erhoͤhetern Ort geſezt, daher man auch nunmehro zu dieſer hoͤher als ſonſt
weiter hinaufſteigen mus: die dahin fuͤhrende hoͤlzerne gefirniſſete Treppe war fuͤr uns nicht
offen, daher wir auf einer andern ſteinernen den Weg nahmen. Auf dieſem Platze ſtan-
den verſchiedene kleine Kapellen, unter andern auch ein Schauſpielhaus, ein offenes Haus
zu Aufhangung allerlei Bilder zur Andacht, und eine Kapelle des Abgottes der Tauſendbei-
ne, deren einige davor hiengen. Die Cannuſj in weltlichem Habit, mit kurzen hinter-
waͤrts geſtrichenen Haaren, wohnten am Rande oder Abfal des Berges herum.
3) Auf der andern Seite des Berges lag der Sjuuntokus-Tempel, welcher
vor etwa zwei Jahren durch einige mit Pulverſchwaͤrmern ſpielende Buben in Brand gera-
then, und daher nur ein Sakabild darin zu ſehen war. Es wohnt hieſelbſt der Cenſor
der Budsdobuͤcher, welche von Sina zum Verkauf heruͤber gebracht werden; er iſt der
Senſekte zugethan.
4) Koofkuſj oder Nanquindira. Hier blieben wir nur vorn auf dem weiten
Tempelplaz, und beſahen im uͤbrigen nichts. Man ſagte uns, daß es zu dem Tempel
ſelbſt noch hoͤher aufgehe, daß er gros und uͤber Nagaſacki hin eine Ausſicht habe.
5) Ein weiter Gang fuͤhrte uns hinauf in eine offene Kapelle, alwo der Daibots
ganz uͤberguldet in einer Tarateblume ſas. Bei dieſer Kapelle war ein Koo tais oder
Senſjutempel.
6) Bei dem Daikus- oder Jkoſjutempel, wo wir um die Mittagszeit anka-
men, hielte unſer ganzer Trup eine Mahlzeit. Ein Theil des vorderſten Reviers nahm
ein eigentliches Tempelhaus mit einigen darinnen abgetheilten Plaͤtzen ein, deren der hin-
terſte den Goͤtzen Amida enthielt, vor welchem ſich eine Menge Volks verſamlete, zwiſchen
welchem und der Kapelle ſich bald hernach, als der Haufen groͤßer geworden, ein Pfaffe
zum Predigen hinſezte; er las aus einem Buche und erklaͤrte etwas hierauf, und nach-
dem
B b b 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <list>
            <item><pb facs="#f0429" n="379"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Funfzehntes Kap. Ru&#x0364;krei&#x017F;e von Jedo bis Naga&#x017F;acki.</hi></fw><lb/>
der Pfaffen und die u&#x0364;brigen kleinen Tempel oder Kapellen, die mit &#x017F;ehr natu&#x0364;rlich ge&#x017F;chniz-<lb/>
ten Bildern nach einer guten verha&#x0364;ltnisma&#x0364;ßigen Lebensgro&#x0364;ße be&#x017F;ezt und ausgeziert waren,<lb/>
befanden &#x017F;ich am Rande des Berges auf einem großen langen Raume und Wege. Man<lb/>
bewirthete uns alhier mit einer &#x017F;cho&#x0364;nen Sine&#x017F;i&#x017F;chen Mahlzeit, und ohnweit von uns lies<lb/>
&#x017F;ich der Pater Prior, ein großer, wackerer, freundlicher Mann in &#x017F;einem ganzen Purpur-<lb/>
anzuge &#x017F;ehen.</item><lb/>
            <item>2) <hi rendition="#fr">Suwa.</hi> Die&#x017F;er Tempel i&#x017F;t auf mehr als 200 Tritten zu er&#x017F;teigen, nachdem<lb/>
einige Bergga&#x017F;&#x017F;en queer durch pa&#x017F;&#x017F;irt &#x017F;ind. Als dem heiligen Suwa vor ein oder zwei<lb/>
Jahren vom Mikaddo eine gro&#x0364;ßere Ehre beigelegt worden, hat man auch die Kapelle mit<lb/>
ihm auf einen erho&#x0364;hetern Ort ge&#x017F;ezt, daher man auch nunmehro zu die&#x017F;er ho&#x0364;her als &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
weiter hinauf&#x017F;teigen mus: die dahin fu&#x0364;hrende ho&#x0364;lzerne gefirni&#x017F;&#x017F;ete Treppe war fu&#x0364;r uns nicht<lb/>
offen, daher wir auf einer andern &#x017F;teinernen den Weg nahmen. Auf die&#x017F;em Platze &#x017F;tan-<lb/>
den ver&#x017F;chiedene kleine Kapellen, unter andern auch ein Schau&#x017F;pielhaus, ein offenes Haus<lb/>
zu Aufhangung allerlei Bilder zur Andacht, und eine Kapelle des Abgottes der Tau&#x017F;endbei-<lb/>
ne, deren einige davor hiengen. Die <hi rendition="#fr">Cannu&#x017F;j</hi> in weltlichem Habit, mit kurzen hinter-<lb/>
wa&#x0364;rts ge&#x017F;trichenen Haaren, wohnten am Rande oder Abfal des Berges herum.</item><lb/>
            <item>3) Auf der andern Seite des Berges lag der <hi rendition="#fr">Sjuuntokus-Tempel,</hi> welcher<lb/>
vor etwa zwei Jahren durch einige mit Pulver&#x017F;chwa&#x0364;rmern &#x017F;pielende Buben in Brand gera-<lb/>
then, und daher nur ein <hi rendition="#fr">Sakabild</hi> darin zu &#x017F;ehen war. Es wohnt hie&#x017F;elb&#x017F;t der Cen&#x017F;or<lb/>
der Budsdobu&#x0364;cher, welche von Sina zum Verkauf heru&#x0364;ber gebracht werden; er i&#x017F;t der<lb/>
Sen&#x017F;ekte zugethan.</item><lb/>
            <item>4) <hi rendition="#fr">Koofku&#x017F;j</hi> oder <hi rendition="#fr">Nanquindira.</hi> Hier blieben wir nur vorn auf dem weiten<lb/>
Tempelplaz, und be&#x017F;ahen im u&#x0364;brigen nichts. Man &#x017F;agte uns, daß es zu dem Tempel<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t noch ho&#x0364;her aufgehe, daß er gros und u&#x0364;ber <hi rendition="#fr">Naga&#x017F;acki</hi> hin eine Aus&#x017F;icht habe.</item><lb/>
            <item>5) Ein weiter Gang fu&#x0364;hrte uns hinauf in eine offene Kapelle, alwo der <hi rendition="#fr">Daibots</hi><lb/>
ganz u&#x0364;berguldet in einer Tarateblume &#x017F;as. Bei die&#x017F;er Kapelle war ein <hi rendition="#fr">Koo tais</hi> oder<lb/><hi rendition="#fr">Sen&#x017F;jutempel.</hi></item><lb/>
            <item>6) Bei dem <hi rendition="#fr">Daikus-</hi> oder <hi rendition="#fr">Jko&#x017F;jutempel,</hi> wo wir um die Mittagszeit anka-<lb/>
men, hielte un&#x017F;er ganzer Trup eine Mahlzeit. Ein Theil des vorder&#x017F;ten Reviers nahm<lb/>
ein eigentliches Tempelhaus mit einigen darinnen abgetheilten Pla&#x0364;tzen ein, deren der hin-<lb/>
ter&#x017F;te den Go&#x0364;tzen <hi rendition="#fr">Amida</hi> enthielt, vor welchem &#x017F;ich eine Menge Volks ver&#x017F;amlete, zwi&#x017F;chen<lb/>
welchem und der Kapelle &#x017F;ich bald hernach, als der Haufen gro&#x0364;ßer geworden, ein Pfaffe<lb/>
zum Predigen hin&#x017F;ezte; er las aus einem Buche und erkla&#x0364;rte etwas hierauf, und nach-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b b 2</fw><fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></item>
          </list>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0429] Funfzehntes Kap. Ruͤkreiſe von Jedo bis Nagaſacki. der Pfaffen und die uͤbrigen kleinen Tempel oder Kapellen, die mit ſehr natuͤrlich geſchniz- ten Bildern nach einer guten verhaͤltnismaͤßigen Lebensgroͤße beſezt und ausgeziert waren, befanden ſich am Rande des Berges auf einem großen langen Raume und Wege. Man bewirthete uns alhier mit einer ſchoͤnen Sineſiſchen Mahlzeit, und ohnweit von uns lies ſich der Pater Prior, ein großer, wackerer, freundlicher Mann in ſeinem ganzen Purpur- anzuge ſehen. 2) Suwa. Dieſer Tempel iſt auf mehr als 200 Tritten zu erſteigen, nachdem einige Berggaſſen queer durch paſſirt ſind. Als dem heiligen Suwa vor ein oder zwei Jahren vom Mikaddo eine groͤßere Ehre beigelegt worden, hat man auch die Kapelle mit ihm auf einen erhoͤhetern Ort geſezt, daher man auch nunmehro zu dieſer hoͤher als ſonſt weiter hinaufſteigen mus: die dahin fuͤhrende hoͤlzerne gefirniſſete Treppe war fuͤr uns nicht offen, daher wir auf einer andern ſteinernen den Weg nahmen. Auf dieſem Platze ſtan- den verſchiedene kleine Kapellen, unter andern auch ein Schauſpielhaus, ein offenes Haus zu Aufhangung allerlei Bilder zur Andacht, und eine Kapelle des Abgottes der Tauſendbei- ne, deren einige davor hiengen. Die Cannuſj in weltlichem Habit, mit kurzen hinter- waͤrts geſtrichenen Haaren, wohnten am Rande oder Abfal des Berges herum. 3) Auf der andern Seite des Berges lag der Sjuuntokus-Tempel, welcher vor etwa zwei Jahren durch einige mit Pulverſchwaͤrmern ſpielende Buben in Brand gera- then, und daher nur ein Sakabild darin zu ſehen war. Es wohnt hieſelbſt der Cenſor der Budsdobuͤcher, welche von Sina zum Verkauf heruͤber gebracht werden; er iſt der Senſekte zugethan. 4) Koofkuſj oder Nanquindira. Hier blieben wir nur vorn auf dem weiten Tempelplaz, und beſahen im uͤbrigen nichts. Man ſagte uns, daß es zu dem Tempel ſelbſt noch hoͤher aufgehe, daß er gros und uͤber Nagaſacki hin eine Ausſicht habe. 5) Ein weiter Gang fuͤhrte uns hinauf in eine offene Kapelle, alwo der Daibots ganz uͤberguldet in einer Tarateblume ſas. Bei dieſer Kapelle war ein Koo tais oder Senſjutempel. 6) Bei dem Daikus- oder Jkoſjutempel, wo wir um die Mittagszeit anka- men, hielte unſer ganzer Trup eine Mahlzeit. Ein Theil des vorderſten Reviers nahm ein eigentliches Tempelhaus mit einigen darinnen abgetheilten Plaͤtzen ein, deren der hin- terſte den Goͤtzen Amida enthielt, vor welchem ſich eine Menge Volks verſamlete, zwiſchen welchem und der Kapelle ſich bald hernach, als der Haufen groͤßer geworden, ein Pfaffe zum Predigen hinſezte; er las aus einem Buche und erklaͤrte etwas hierauf, und nach- dem B b b 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/429
Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/429>, abgerufen am 22.11.2024.