Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der übrigen Welt. lebten. Endlich stiftete, gerade zu der Zeit des Romulus, der Dsin Mun Tei, einFürst, der an Klugheit und majestätischer Bildung seines Körpers alle Andre übertraf, die Japanische Monarchie, und erwarb seinem Namen den Ruhm, daß die Annalen und inländische Zeitrechnung mit ihm anfängt, da man die Thaten der übrigen Regenten und die ganze ältere Geschichte, wegen der wenigern Aufmerksamkeit, die man in jenen Zeiten auf die Bemerkungen der Begebenheiten wandte, übergehen mus. Die Mikaddi oder die unum- schränkten Beherrscher dieser ihrer kleinen Welt (denn sie bildeten sich in der That ein, daß ihr Japan die ganze Welt ausmache) maßten sich bald eine abergläubisch verehrte und bald über die Menschheit erhabene Heiligkeit und Macht an. Diese brachte in den frühern unschul- digen Jahrhunderten allerdings gute Folgen hervor, nachher aber war sie dem Glük des Staats sehr zuwider. Diese Halbgötter leiteten ihr hohes Geschlecht in unmittelbarer erst- geborner Linie vom Ten Dsio Dai Dfin dem Jupiter oder höchsten Gott ihrer Welt ab. Nach dieser Jdee ziemte es sich für sie nicht, ihre Unterthanen, die zugleich ihre Verehrer waren, auf eine andre, als höchstsanfte Art zu regieren; sie durften menschliche Dinge nur durch eine mittelbare, weltliche Thätigkeit, und alles, nach Art der Götter, gleichsam mit einem Wink regieren. Durch diese gelinde Regierung wurde in der Folge der Zeit die Macht des hohen Reichsadels immer unbeschränkter. Er unterstand sich nicht, nur die ihm von der höchsten Majestät anvertraute Provinzen für sich als Eigenthum zu behalten, sondern seine Begierde noch nach glänzenderm Glük wurde immer heftiger, und wie der Gebrauch der Waffen eingeführt war, erregte er häufige innere Bewegungen, und fieng an, die Benachbarten zu bekriegen. Dadurch wurde ein gegenseitiger Has in den Gemüthern tief eingewurzelt, dadurch wurden so viele Bürger niedergemetzelt, und die Erbitterung wurde erst in der späten Nachkommenschaft durch das Blut der unterdrükten Parthei gänz- lich getilgt. Um indes die ehrsüchtigen Unternehmungen des Adels so viel möglich einzuschrän- vor-
II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. lebten. Endlich ſtiftete, gerade zu der Zeit des Romulus, der Dſin Mun Tei, einFuͤrſt, der an Klugheit und majeſtaͤtiſcher Bildung ſeines Koͤrpers alle Andre uͤbertraf, die Japaniſche Monarchie, und erwarb ſeinem Namen den Ruhm, daß die Annalen und inlaͤndiſche Zeitrechnung mit ihm anfaͤngt, da man die Thaten der uͤbrigen Regenten und die ganze aͤltere Geſchichte, wegen der wenigern Aufmerkſamkeit, die man in jenen Zeiten auf die Bemerkungen der Begebenheiten wandte, uͤbergehen mus. Die Mikaddi oder die unum- ſchraͤnkten Beherrſcher dieſer ihrer kleinen Welt (denn ſie bildeten ſich in der That ein, daß ihr Japan die ganze Welt ausmache) maßten ſich bald eine aberglaͤubiſch verehrte und bald uͤber die Menſchheit erhabene Heiligkeit und Macht an. Dieſe brachte in den fruͤhern unſchul- digen Jahrhunderten allerdings gute Folgen hervor, nachher aber war ſie dem Gluͤk des Staats ſehr zuwider. Dieſe Halbgoͤtter leiteten ihr hohes Geſchlecht in unmittelbarer erſt- geborner Linie vom Ten Dſio Dai Dfin dem Jupiter oder hoͤchſten Gott ihrer Welt ab. Nach dieſer Jdee ziemte es ſich fuͤr ſie nicht, ihre Unterthanen, die zugleich ihre Verehrer waren, auf eine andre, als hoͤchſtſanfte Art zu regieren; ſie durften menſchliche Dinge nur durch eine mittelbare, weltliche Thaͤtigkeit, und alles, nach Art der Goͤtter, gleichſam mit einem Wink regieren. Durch dieſe gelinde Regierung wurde in der Folge der Zeit die Macht des hohen Reichsadels immer unbeſchraͤnkter. Er unterſtand ſich nicht, nur die ihm von der hoͤchſten Majeſtaͤt anvertraute Provinzen fuͤr ſich als Eigenthum zu behalten, ſondern ſeine Begierde noch nach glaͤnzenderm Gluͤk wurde immer heftiger, und wie der Gebrauch der Waffen eingefuͤhrt war, erregte er haͤufige innere Bewegungen, und fieng an, die Benachbarten zu bekriegen. Dadurch wurde ein gegenſeitiger Has in den Gemuͤthern tief eingewurzelt, dadurch wurden ſo viele Buͤrger niedergemetzelt, und die Erbitterung wurde erſt in der ſpaͤten Nachkommenſchaft durch das Blut der unterdruͤkten Parthei gaͤnz- lich getilgt. Um indes die ehrſuͤchtigen Unternehmungen des Adels ſo viel moͤglich einzuſchraͤn- vor-
<TEI> <text> <back> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0462" n="406"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt.</hi></fw><lb/> lebten. Endlich ſtiftete, gerade zu der Zeit des Romulus, der <hi rendition="#fr">Dſin Mun Tei,</hi> ein<lb/> Fuͤrſt, der an Klugheit und majeſtaͤtiſcher Bildung ſeines Koͤrpers alle Andre uͤbertraf,<lb/> die Japaniſche Monarchie, und erwarb ſeinem Namen den Ruhm, daß die Annalen und<lb/> inlaͤndiſche Zeitrechnung mit ihm anfaͤngt, da man die Thaten der uͤbrigen Regenten und<lb/> die ganze aͤltere Geſchichte, wegen der wenigern Aufmerkſamkeit, die man in jenen Zeiten auf<lb/> die Bemerkungen der Begebenheiten wandte, uͤbergehen mus. Die <hi rendition="#fr">Mikaddi</hi> oder die unum-<lb/> ſchraͤnkten Beherrſcher dieſer ihrer kleinen Welt (denn ſie bildeten ſich in der That ein, daß ihr<lb/> Japan die ganze Welt ausmache) maßten ſich bald eine aberglaͤubiſch verehrte und bald uͤber<lb/> die Menſchheit erhabene Heiligkeit und Macht an. Dieſe brachte in den fruͤhern unſchul-<lb/> digen Jahrhunderten allerdings gute Folgen hervor, nachher aber war ſie dem Gluͤk des<lb/> Staats ſehr zuwider. Dieſe Halbgoͤtter leiteten ihr hohes Geſchlecht in unmittelbarer erſt-<lb/> geborner Linie vom <hi rendition="#fr">Ten Dſio Dai Dfin</hi> dem Jupiter oder hoͤchſten Gott ihrer Welt ab.<lb/> Nach dieſer Jdee ziemte es ſich fuͤr ſie nicht, ihre Unterthanen, die zugleich ihre Verehrer<lb/> waren, auf eine andre, als hoͤchſtſanfte Art zu regieren; ſie durften menſchliche Dinge<lb/> nur durch eine mittelbare, weltliche Thaͤtigkeit, und alles, nach Art der Goͤtter, gleichſam<lb/> mit einem Wink regieren. Durch dieſe gelinde Regierung wurde in der Folge der Zeit die<lb/> Macht des hohen Reichsadels immer unbeſchraͤnkter. Er unterſtand ſich nicht, nur die<lb/> ihm von der hoͤchſten Majeſtaͤt anvertraute Provinzen fuͤr ſich als Eigenthum zu behalten,<lb/> ſondern ſeine Begierde noch nach glaͤnzenderm Gluͤk wurde immer heftiger, und wie der<lb/> Gebrauch der Waffen eingefuͤhrt war, erregte er haͤufige innere Bewegungen, und fieng an,<lb/> die Benachbarten zu bekriegen. Dadurch wurde ein gegenſeitiger Has in den Gemuͤthern<lb/> tief eingewurzelt, dadurch wurden ſo viele Buͤrger niedergemetzelt, und die Erbitterung<lb/> wurde erſt in der ſpaͤten Nachkommenſchaft durch das Blut der unterdruͤkten Parthei gaͤnz-<lb/> lich getilgt.</p><lb/> <p>Um indes die ehrſuͤchtigen Unternehmungen des Adels ſo viel moͤglich einzuſchraͤn-<lb/> ken, wurde als <hi rendition="#fr">Seoguͤn</hi> d. i. hoͤchſter Anfuͤhrer, der aͤlteſte koͤnigliche Sohn, und kuͤnfti-<lb/> ger Thronfolger mit einer Armee ausgeſandt, und hiemit zeigte ſich zuerſt ein gewiſſer welt-<lb/> licher Glanz der hoͤchſten Gewalt. Dieſer nahm in der Folge ſo ſehr zu, daß fuͤnf Jahr-<lb/> hunderte hernach <hi rendition="#fr">Joritomo,</hi> weil er nicht die hoͤchſte oberpaͤbſtliche Wuͤrde erhalten konnte,<lb/> den weltlich-kaiſerlichen Titel annahm, und als ein ſolcher zuerſt angefuͤhrt zu werden<lb/> pflegt. Dieſe weltliche Kaiſer beſaßen indeß noch immer keine eigene ſondern eine erborgte<lb/> Gewalt, und glaͤnzten gleichſam nur von dem zuruͤckfallenden Lichte der Majeſtaͤt ihrer Vaͤ-<lb/> ter, bis endlich im Anfang dieſes (ſiebenzehnten) Jahrhunderts, ein gleichfalls als General<lb/> ausgeſandter juͤngerer Prinz in der weltlichen Regierung ſich eine eigne von dem paͤbſtlichen<lb/> Hofe gar nicht abhaͤngige Gewalt anmaßte. Er bewirkte eine voͤllige Scheidung der hoͤch-<lb/> ſten Majeſtaͤtsrechte, eine Sache von ausnehmender Wichtigkeit, die aber jetzt gut genug<lb/> <fw place="bottom" type="catch">vor-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </back> </text> </TEI> [406/0462]
II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt.
lebten. Endlich ſtiftete, gerade zu der Zeit des Romulus, der Dſin Mun Tei, ein
Fuͤrſt, der an Klugheit und majeſtaͤtiſcher Bildung ſeines Koͤrpers alle Andre uͤbertraf,
die Japaniſche Monarchie, und erwarb ſeinem Namen den Ruhm, daß die Annalen und
inlaͤndiſche Zeitrechnung mit ihm anfaͤngt, da man die Thaten der uͤbrigen Regenten und
die ganze aͤltere Geſchichte, wegen der wenigern Aufmerkſamkeit, die man in jenen Zeiten auf
die Bemerkungen der Begebenheiten wandte, uͤbergehen mus. Die Mikaddi oder die unum-
ſchraͤnkten Beherrſcher dieſer ihrer kleinen Welt (denn ſie bildeten ſich in der That ein, daß ihr
Japan die ganze Welt ausmache) maßten ſich bald eine aberglaͤubiſch verehrte und bald uͤber
die Menſchheit erhabene Heiligkeit und Macht an. Dieſe brachte in den fruͤhern unſchul-
digen Jahrhunderten allerdings gute Folgen hervor, nachher aber war ſie dem Gluͤk des
Staats ſehr zuwider. Dieſe Halbgoͤtter leiteten ihr hohes Geſchlecht in unmittelbarer erſt-
geborner Linie vom Ten Dſio Dai Dfin dem Jupiter oder hoͤchſten Gott ihrer Welt ab.
Nach dieſer Jdee ziemte es ſich fuͤr ſie nicht, ihre Unterthanen, die zugleich ihre Verehrer
waren, auf eine andre, als hoͤchſtſanfte Art zu regieren; ſie durften menſchliche Dinge
nur durch eine mittelbare, weltliche Thaͤtigkeit, und alles, nach Art der Goͤtter, gleichſam
mit einem Wink regieren. Durch dieſe gelinde Regierung wurde in der Folge der Zeit die
Macht des hohen Reichsadels immer unbeſchraͤnkter. Er unterſtand ſich nicht, nur die
ihm von der hoͤchſten Majeſtaͤt anvertraute Provinzen fuͤr ſich als Eigenthum zu behalten,
ſondern ſeine Begierde noch nach glaͤnzenderm Gluͤk wurde immer heftiger, und wie der
Gebrauch der Waffen eingefuͤhrt war, erregte er haͤufige innere Bewegungen, und fieng an,
die Benachbarten zu bekriegen. Dadurch wurde ein gegenſeitiger Has in den Gemuͤthern
tief eingewurzelt, dadurch wurden ſo viele Buͤrger niedergemetzelt, und die Erbitterung
wurde erſt in der ſpaͤten Nachkommenſchaft durch das Blut der unterdruͤkten Parthei gaͤnz-
lich getilgt.
Um indes die ehrſuͤchtigen Unternehmungen des Adels ſo viel moͤglich einzuſchraͤn-
ken, wurde als Seoguͤn d. i. hoͤchſter Anfuͤhrer, der aͤlteſte koͤnigliche Sohn, und kuͤnfti-
ger Thronfolger mit einer Armee ausgeſandt, und hiemit zeigte ſich zuerſt ein gewiſſer welt-
licher Glanz der hoͤchſten Gewalt. Dieſer nahm in der Folge ſo ſehr zu, daß fuͤnf Jahr-
hunderte hernach Joritomo, weil er nicht die hoͤchſte oberpaͤbſtliche Wuͤrde erhalten konnte,
den weltlich-kaiſerlichen Titel annahm, und als ein ſolcher zuerſt angefuͤhrt zu werden
pflegt. Dieſe weltliche Kaiſer beſaßen indeß noch immer keine eigene ſondern eine erborgte
Gewalt, und glaͤnzten gleichſam nur von dem zuruͤckfallenden Lichte der Majeſtaͤt ihrer Vaͤ-
ter, bis endlich im Anfang dieſes (ſiebenzehnten) Jahrhunderts, ein gleichfalls als General
ausgeſandter juͤngerer Prinz in der weltlichen Regierung ſich eine eigne von dem paͤbſtlichen
Hofe gar nicht abhaͤngige Gewalt anmaßte. Er bewirkte eine voͤllige Scheidung der hoͤch-
ſten Majeſtaͤtsrechte, eine Sache von ausnehmender Wichtigkeit, die aber jetzt gut genug
vor-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |