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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Nacherinnerungen des Herausgebers.
schen und genauen Beschreiber aus seinem Hauptwerke kennen, so war Kämpfer doch nicht
ganz von dem fast algemeinen Fehler aller Reisebeschreiber frei, dem Leser etwas Sonder-
bares, Neues und Unerwartetes zu sagen, das Land, das man gesehn hat, als ein vor
allen andern merkwürdiges und vorzügliches darzustellen, es gegen alle Vorwürfe zu verthei-
digen, und besonders seine Gesetze und Einrichtungen über die unsrigen zu erheben, und
gelegentlich ein wenig zu moralisiren. Dieser Fehler ist für Leute, die gereiset sind, so na-
türlich, daß man ihn mehr oder weniger bei ihnen allen, vom Westphälischen Bauer, der
in Holland Heu gemähet hat, bis zu unsern besten und philosophischen Reisebeschreibern hin-
auf, antrift.

Jn der Geschichte und Beschreibung von Japan finden wir dies weniger, weil
Kämpfer diese erst später schrieb, da er seine Jdeen schon öftrer und genauer mit einander
verglichen hatte, und weil er auch wirklich zu sehr ehrlicher Mann war, um in einem
Werke, das er zum Unterricht der Zeitgenossen und Nachwelt bestimte, die Sachen vor-
theilhafter zu stellen, als sie seinem ersten Blik und seiner nachherigen reifen Betrachtung
sich dargestelt hatten. Sein ganzes Werk enthält ungemein wenig Raisonnement, noch
weniger algemeine Beschreibungen, sondern fast lauter Fakta und umständliche Darstellung der
Dinge, wie sie sind, über die wir unsnur oft, wegen ihrer zu großen Umständlichkeit, nie beklagen
könten. Eine ganz andre Bewandnis aber hat es mit der hier aus den Amoenit. exot.
übersezten Abhandlung. Kämpfer schrieb sie früher, da er noch manches mit einem Schim-
mer sah, den nachher reifere Untersuchung zertheilte, er konte in derselben keine volstän-
dige, aber er wolte eine auffallende und nicht erwartete Jdee von dem Reiche geben, das
den meisten Europäern verschlossen ist, und nur so selten von einem gelehrten Beobachter
besucht wird. Die ganze Anlage seiner Schrift zeigt, daß Kämpfer darin Paradoxa durch-
setzen wil, und der declamatorische Styl (der in der deutschen Uebersetzung weniger als in
der lateinischen Ursprache gefallen wird) solte fast auf die Vermuthung bringen, daß
Kämpfer vielleicht ein akademisches Uebungsstük bald nach seiner Ankunft in Leyden habe
liefern wollen. Hiezu kömt noch, daß Kämpfer vor hundert Jahren manche Dinge (wie
z. B. das Verhältnis der asiatischen Künste und Wissenschaften zu den europäischen) nicht
so richtig übersehn konte, als es itzt bei erweiterten Einsichten möglich ist.

Nach diesen Gründen wird es sich leicht ergeben, wo und wie manche Aeußerun-
gen unsers Schriftstellers berichtigt werden müssen. Jch darf daher nur kurz diejenigen-
Kämpferischen Sätze durchgehn, die einiger Erläuterung vorzüglich werth scheinen.

I.

Nacherinnerungen des Herausgebers.
ſchen und genauen Beſchreiber aus ſeinem Hauptwerke kennen, ſo war Kaͤmpfer doch nicht
ganz von dem faſt algemeinen Fehler aller Reiſebeſchreiber frei, dem Leſer etwas Sonder-
bares, Neues und Unerwartetes zu ſagen, das Land, das man geſehn hat, als ein vor
allen andern merkwuͤrdiges und vorzuͤgliches darzuſtellen, es gegen alle Vorwuͤrfe zu verthei-
digen, und beſonders ſeine Geſetze und Einrichtungen uͤber die unſrigen zu erheben, und
gelegentlich ein wenig zu moraliſiren. Dieſer Fehler iſt fuͤr Leute, die gereiſet ſind, ſo na-
tuͤrlich, daß man ihn mehr oder weniger bei ihnen allen, vom Weſtphaͤliſchen Bauer, der
in Holland Heu gemaͤhet hat, bis zu unſern beſten und philoſophiſchen Reiſebeſchreibern hin-
auf, antrift.

Jn der Geſchichte und Beſchreibung von Japan finden wir dies weniger, weil
Kaͤmpfer dieſe erſt ſpaͤter ſchrieb, da er ſeine Jdeen ſchon oͤftrer und genauer mit einander
verglichen hatte, und weil er auch wirklich zu ſehr ehrlicher Mann war, um in einem
Werke, das er zum Unterricht der Zeitgenoſſen und Nachwelt beſtimte, die Sachen vor-
theilhafter zu ſtellen, als ſie ſeinem erſten Blik und ſeiner nachherigen reifen Betrachtung
ſich dargeſtelt hatten. Sein ganzes Werk enthaͤlt ungemein wenig Raiſonnement, noch
weniger algemeine Beſchreibungen, ſondern faſt lauter Fakta und umſtaͤndliche Darſtellung der
Dinge, wie ſie ſind, uͤber die wir unsnur oft, wegen ihrer zu großen Umſtaͤndlichkeit, nie beklagen
koͤnten. Eine ganz andre Bewandnis aber hat es mit der hier aus den Amoenit. exot.
uͤberſezten Abhandlung. Kaͤmpfer ſchrieb ſie fruͤher, da er noch manches mit einem Schim-
mer ſah, den nachher reifere Unterſuchung zertheilte, er konte in derſelben keine volſtaͤn-
dige, aber er wolte eine auffallende und nicht erwartete Jdee von dem Reiche geben, das
den meiſten Europaͤern verſchloſſen iſt, und nur ſo ſelten von einem gelehrten Beobachter
beſucht wird. Die ganze Anlage ſeiner Schrift zeigt, daß Kaͤmpfer darin Paradoxa durch-
ſetzen wil, und der declamatoriſche Styl (der in der deutſchen Ueberſetzung weniger als in
der lateiniſchen Urſprache gefallen wird) ſolte faſt auf die Vermuthung bringen, daß
Kaͤmpfer vielleicht ein akademiſches Uebungsſtuͤk bald nach ſeiner Ankunft in Leyden habe
liefern wollen. Hiezu koͤmt noch, daß Kaͤmpfer vor hundert Jahren manche Dinge (wie
z. B. das Verhaͤltnis der aſiatiſchen Kuͤnſte und Wiſſenſchaften zu den europaͤiſchen) nicht
ſo richtig uͤberſehn konte, als es itzt bei erweiterten Einſichten moͤglich iſt.

Nach dieſen Gruͤnden wird es ſich leicht ergeben, wo und wie manche Aeußerun-
gen unſers Schriftſtellers berichtigt werden muͤſſen. Jch darf daher nur kurz diejenigen-
Kaͤmpferiſchen Saͤtze durchgehn, die einiger Erlaͤuterung vorzuͤglich werth ſcheinen.

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[415/0471] Nacherinnerungen des Herausgebers. ſchen und genauen Beſchreiber aus ſeinem Hauptwerke kennen, ſo war Kaͤmpfer doch nicht ganz von dem faſt algemeinen Fehler aller Reiſebeſchreiber frei, dem Leſer etwas Sonder- bares, Neues und Unerwartetes zu ſagen, das Land, das man geſehn hat, als ein vor allen andern merkwuͤrdiges und vorzuͤgliches darzuſtellen, es gegen alle Vorwuͤrfe zu verthei- digen, und beſonders ſeine Geſetze und Einrichtungen uͤber die unſrigen zu erheben, und gelegentlich ein wenig zu moraliſiren. Dieſer Fehler iſt fuͤr Leute, die gereiſet ſind, ſo na- tuͤrlich, daß man ihn mehr oder weniger bei ihnen allen, vom Weſtphaͤliſchen Bauer, der in Holland Heu gemaͤhet hat, bis zu unſern beſten und philoſophiſchen Reiſebeſchreibern hin- auf, antrift. Jn der Geſchichte und Beſchreibung von Japan finden wir dies weniger, weil Kaͤmpfer dieſe erſt ſpaͤter ſchrieb, da er ſeine Jdeen ſchon oͤftrer und genauer mit einander verglichen hatte, und weil er auch wirklich zu ſehr ehrlicher Mann war, um in einem Werke, das er zum Unterricht der Zeitgenoſſen und Nachwelt beſtimte, die Sachen vor- theilhafter zu ſtellen, als ſie ſeinem erſten Blik und ſeiner nachherigen reifen Betrachtung ſich dargeſtelt hatten. Sein ganzes Werk enthaͤlt ungemein wenig Raiſonnement, noch weniger algemeine Beſchreibungen, ſondern faſt lauter Fakta und umſtaͤndliche Darſtellung der Dinge, wie ſie ſind, uͤber die wir unsnur oft, wegen ihrer zu großen Umſtaͤndlichkeit, nie beklagen koͤnten. Eine ganz andre Bewandnis aber hat es mit der hier aus den Amoenit. exot. uͤberſezten Abhandlung. Kaͤmpfer ſchrieb ſie fruͤher, da er noch manches mit einem Schim- mer ſah, den nachher reifere Unterſuchung zertheilte, er konte in derſelben keine volſtaͤn- dige, aber er wolte eine auffallende und nicht erwartete Jdee von dem Reiche geben, das den meiſten Europaͤern verſchloſſen iſt, und nur ſo ſelten von einem gelehrten Beobachter beſucht wird. Die ganze Anlage ſeiner Schrift zeigt, daß Kaͤmpfer darin Paradoxa durch- ſetzen wil, und der declamatoriſche Styl (der in der deutſchen Ueberſetzung weniger als in der lateiniſchen Urſprache gefallen wird) ſolte faſt auf die Vermuthung bringen, daß Kaͤmpfer vielleicht ein akademiſches Uebungsſtuͤk bald nach ſeiner Ankunft in Leyden habe liefern wollen. Hiezu koͤmt noch, daß Kaͤmpfer vor hundert Jahren manche Dinge (wie z. B. das Verhaͤltnis der aſiatiſchen Kuͤnſte und Wiſſenſchaften zu den europaͤiſchen) nicht ſo richtig uͤberſehn konte, als es itzt bei erweiterten Einſichten moͤglich iſt. Nach dieſen Gruͤnden wird es ſich leicht ergeben, wo und wie manche Aeußerun- gen unſers Schriftſtellers berichtigt werden muͤſſen. Jch darf daher nur kurz diejenigen- Kaͤmpferiſchen Saͤtze durchgehn, die einiger Erlaͤuterung vorzuͤglich werth ſcheinen. I.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/471>, abgerufen am 24.11.2024.