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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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IV. Von der Moxa, dem vortreflichen Brenmittel,
Einschnitte, als die Urheber dieser Kunst selbst, da bei ihnen die Leiden des Körpers welt
anhaltender, und die böse Materie tiefer verschlossen ist. Auch die holländischen Kolonien
in Jndien haben neuerlich die Wirkung dieses Mittels wider gichtische Schmerzen, Podagra und
rheumatische Zufälle erfahren. Dieses Brennen zertheilt die vom Rheinwein in der Bein-
haut angesezte Materie, und in den gichtischen Zufällen die scharfe Feuchtigkeit, welche sich
in den Hölungen der Gebeine angesezt hat. Diese Materie mus aber denn in größerer
Menge und fehr frühzeitig beigebracht werden, ehe jene Feuchtigkeit die Häute zu sehr aus-
gedehnt und die Muskeln zerrissen hat. Denn in solchem Fal werden die Gefäße sehr ver-
lezt, und die haarigten Zwischenräume mit Feuchtigkeiten angefült, woraus oft sehr gefähr-
liche Geschwüre entstehn, welche gemeiniglich nur mit dem chirurgischen Messer weggenom-
men werden können. Jn allen Fällen aber thut diese Brenkur in unsern kältern europäischen
Ländern nicht die Wirkung, wie in den heißen asiatischen. Jn diesen kan der menschliche
Körper mehr von allen Arten von Ausdünstungen durchzogen werden, die Materie ist flüs-
siger, die Pori sind offener, die Muskeln und Häute mehr erschlaffet. Auch wird über-
haupt durch das Moxabrennen der Schmerz mehr gestilt, als gänzlich ausgerottet. Es ist
nemlich ganz begreiflich, daß an denen Orten, wo durch die verbrante Materie die bösen
Feuchtigkeiten herausgezogen oder auch das Periostium ganz weggebrant ist, die Empfin-
dung auf höre, dagegen die Schmerzen an andern Theilen wieder entstehen. Die Brach-
manen versichern indes, daß die Schmerzen auf ewig ausbleiben würden, wenn man nach
dem Brennen sich schlechterdings aller durch Gährung entstandner Getränke (als des
Weins, des Biers und dergleichen) wie auch aller Arten von Fleischspeisen enthielte.
Diese, sagen sie, brächten neue crude Materie hervor, die sich in dem Umlauf des Bluts
nach den Beinen fenkte, und widerum in dem Periostium ihren Siz nähme. Jch glaube
indes, daß Bushofius, ein Geistlicher in Batavia, etwas zu weit gegangen ist, da er
feinen europäischen Landsleuten die Moxa als ein ganz unfehlbares Mittel wider das Poda-
gra angepriesen hat, und ich glaube mit Recht fürchten zu müssen, daß in unserm Deutsch-
land sich manche sehr betrogen finden werden, wenn sie dieser Empfehlung zu viel trauen.
Der berühmte Valentini, Professor in Gießen, und Mitglied der deutschen naturforschen-
den Geselschaft, hat auch neuerlich hierüber sich beklagt, in seinem (wie alle seine Schrif-
ten) sehr gelehrt abgefaßtem und gedruktem Schreiben an den berühmten Cleyer, dem das-
selbe in meiner Gegenwart übergeben wurde. Bei epileptischen Zufällen und chronischen
Hauptbeschwerden bedienen sich die benachbarten schwarzen Nationen der Moxa mehr, als
die Sineser, und zu ihrer wirklichen Erleichterung. Sie pflegen alsdann die ganze obere
Kopf haut mit sehr langer und breit aufgelegter Moxa auszubrennen, und man behauptet,
daß durch dieses Mittel zuweilen Uebel geheilet wären, die schon alle Aerzte aufgegeben
hatten.

§. 5.

IV. Von der Moxa, dem vortreflichen Brenmittel,
Einſchnitte, als die Urheber dieſer Kunſt ſelbſt, da bei ihnen die Leiden des Koͤrpers welt
anhaltender, und die boͤſe Materie tiefer verſchloſſen iſt. Auch die hollaͤndiſchen Kolonien
in Jndien haben neuerlich die Wirkung dieſes Mittels wider gichtiſche Schmerzen, Podagra und
rheumatiſche Zufaͤlle erfahren. Dieſes Brennen zertheilt die vom Rheinwein in der Bein-
haut angeſezte Materie, und in den gichtiſchen Zufaͤllen die ſcharfe Feuchtigkeit, welche ſich
in den Hoͤlungen der Gebeine angeſezt hat. Dieſe Materie mus aber denn in groͤßerer
Menge und fehr fruͤhzeitig beigebracht werden, ehe jene Feuchtigkeit die Haͤute zu ſehr aus-
gedehnt und die Muskeln zerriſſen hat. Denn in ſolchem Fal werden die Gefaͤße ſehr ver-
lezt, und die haarigten Zwiſchenraͤume mit Feuchtigkeiten angefuͤlt, woraus oft ſehr gefaͤhr-
liche Geſchwuͤre entſtehn, welche gemeiniglich nur mit dem chirurgiſchen Meſſer weggenom-
men werden koͤnnen. Jn allen Faͤllen aber thut dieſe Brenkur in unſern kaͤltern europaͤiſchen
Laͤndern nicht die Wirkung, wie in den heißen aſiatiſchen. Jn dieſen kan der menſchliche
Koͤrper mehr von allen Arten von Ausduͤnſtungen durchzogen werden, die Materie iſt fluͤſ-
ſiger, die Pori ſind offener, die Muskeln und Haͤute mehr erſchlaffet. Auch wird uͤber-
haupt durch das Moxabrennen der Schmerz mehr geſtilt, als gaͤnzlich ausgerottet. Es iſt
nemlich ganz begreiflich, daß an denen Orten, wo durch die verbrante Materie die boͤſen
Feuchtigkeiten herausgezogen oder auch das Perioſtium ganz weggebrant iſt, die Empfin-
dung auf hoͤre, dagegen die Schmerzen an andern Theilen wieder entſtehen. Die Brach-
manen verſichern indes, daß die Schmerzen auf ewig ausbleiben wuͤrden, wenn man nach
dem Brennen ſich ſchlechterdings aller durch Gaͤhrung entſtandner Getraͤnke (als des
Weins, des Biers und dergleichen) wie auch aller Arten von Fleiſchſpeiſen enthielte.
Dieſe, ſagen ſie, braͤchten neue crude Materie hervor, die ſich in dem Umlauf des Bluts
nach den Beinen fenkte, und widerum in dem Perioſtium ihren Siz naͤhme. Jch glaube
indes, daß Bushofius, ein Geiſtlicher in Batavia, etwas zu weit gegangen iſt, da er
feinen europaͤiſchen Landsleuten die Moxa als ein ganz unfehlbares Mittel wider das Poda-
gra angeprieſen hat, und ich glaube mit Recht fuͤrchten zu muͤſſen, daß in unſerm Deutſch-
land ſich manche ſehr betrogen finden werden, wenn ſie dieſer Empfehlung zu viel trauen.
Der beruͤhmte Valentini, Profeſſor in Gießen, und Mitglied der deutſchen naturforſchen-
den Geſelſchaft, hat auch neuerlich hieruͤber ſich beklagt, in ſeinem (wie alle ſeine Schrif-
ten) ſehr gelehrt abgefaßtem und gedruktem Schreiben an den beruͤhmten Cleyer, dem daſ-
ſelbe in meiner Gegenwart uͤbergeben wurde. Bei epileptiſchen Zufaͤllen und chroniſchen
Hauptbeſchwerden bedienen ſich die benachbarten ſchwarzen Nationen der Moxa mehr, als
die Sineſer, und zu ihrer wirklichen Erleichterung. Sie pflegen alsdann die ganze obere
Kopf haut mit ſehr langer und breit aufgelegter Moxa auszubrennen, und man behauptet,
daß durch dieſes Mittel zuweilen Uebel geheilet waͤren, die ſchon alle Aerzte aufgegeben
hatten.

§. 5.
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[434/0492] IV. Von der Moxa, dem vortreflichen Brenmittel, Einſchnitte, als die Urheber dieſer Kunſt ſelbſt, da bei ihnen die Leiden des Koͤrpers welt anhaltender, und die boͤſe Materie tiefer verſchloſſen iſt. Auch die hollaͤndiſchen Kolonien in Jndien haben neuerlich die Wirkung dieſes Mittels wider gichtiſche Schmerzen, Podagra und rheumatiſche Zufaͤlle erfahren. Dieſes Brennen zertheilt die vom Rheinwein in der Bein- haut angeſezte Materie, und in den gichtiſchen Zufaͤllen die ſcharfe Feuchtigkeit, welche ſich in den Hoͤlungen der Gebeine angeſezt hat. Dieſe Materie mus aber denn in groͤßerer Menge und fehr fruͤhzeitig beigebracht werden, ehe jene Feuchtigkeit die Haͤute zu ſehr aus- gedehnt und die Muskeln zerriſſen hat. Denn in ſolchem Fal werden die Gefaͤße ſehr ver- lezt, und die haarigten Zwiſchenraͤume mit Feuchtigkeiten angefuͤlt, woraus oft ſehr gefaͤhr- liche Geſchwuͤre entſtehn, welche gemeiniglich nur mit dem chirurgiſchen Meſſer weggenom- men werden koͤnnen. Jn allen Faͤllen aber thut dieſe Brenkur in unſern kaͤltern europaͤiſchen Laͤndern nicht die Wirkung, wie in den heißen aſiatiſchen. Jn dieſen kan der menſchliche Koͤrper mehr von allen Arten von Ausduͤnſtungen durchzogen werden, die Materie iſt fluͤſ- ſiger, die Pori ſind offener, die Muskeln und Haͤute mehr erſchlaffet. Auch wird uͤber- haupt durch das Moxabrennen der Schmerz mehr geſtilt, als gaͤnzlich ausgerottet. Es iſt nemlich ganz begreiflich, daß an denen Orten, wo durch die verbrante Materie die boͤſen Feuchtigkeiten herausgezogen oder auch das Perioſtium ganz weggebrant iſt, die Empfin- dung auf hoͤre, dagegen die Schmerzen an andern Theilen wieder entſtehen. Die Brach- manen verſichern indes, daß die Schmerzen auf ewig ausbleiben wuͤrden, wenn man nach dem Brennen ſich ſchlechterdings aller durch Gaͤhrung entſtandner Getraͤnke (als des Weins, des Biers und dergleichen) wie auch aller Arten von Fleiſchſpeiſen enthielte. Dieſe, ſagen ſie, braͤchten neue crude Materie hervor, die ſich in dem Umlauf des Bluts nach den Beinen fenkte, und widerum in dem Perioſtium ihren Siz naͤhme. Jch glaube indes, daß Bushofius, ein Geiſtlicher in Batavia, etwas zu weit gegangen iſt, da er feinen europaͤiſchen Landsleuten die Moxa als ein ganz unfehlbares Mittel wider das Poda- gra angeprieſen hat, und ich glaube mit Recht fuͤrchten zu muͤſſen, daß in unſerm Deutſch- land ſich manche ſehr betrogen finden werden, wenn ſie dieſer Empfehlung zu viel trauen. Der beruͤhmte Valentini, Profeſſor in Gießen, und Mitglied der deutſchen naturforſchen- den Geſelſchaft, hat auch neuerlich hieruͤber ſich beklagt, in ſeinem (wie alle ſeine Schrif- ten) ſehr gelehrt abgefaßtem und gedruktem Schreiben an den beruͤhmten Cleyer, dem daſ- ſelbe in meiner Gegenwart uͤbergeben wurde. Bei epileptiſchen Zufaͤllen und chroniſchen Hauptbeſchwerden bedienen ſich die benachbarten ſchwarzen Nationen der Moxa mehr, als die Sineſer, und zu ihrer wirklichen Erleichterung. Sie pflegen alsdann die ganze obere Kopf haut mit ſehr langer und breit aufgelegter Moxa auszubrennen, und man behauptet, daß durch dieſes Mittel zuweilen Uebel geheilet waͤren, die ſchon alle Aerzte aufgegeben hatten. §. 5.

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/492>, abgerufen am 24.11.2024.