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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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IV. Von der Moxa, dem vortreflichen Brenmittel,
etwas größerer Breite zu haben pflegt. Dieser Kegel wird alsdenn auf den zu brennenden
Ort gestelt, und unten etwas mit Speichel angefeuchtet, damit er feste anklebe. Darauf
zündet man oben die Spitze mit einem brennenden kleinen sehr zarten Stäbchen an, das die
Japaner Senko nennen. Der Kegel ist gemeiniglich in kurzer Zeit abgebrant, und oft
wird alsdenn noch ein neuer angelegt, und dies fortgesezt bis die Vorschrift der Heilkunst
und die vorgesezte Absicht nach dem Urtheil dessen erfült ist, der das Brennen anordnet
oder selbst verrichtet. Die Wundärzte dieser Art heißen Tensasj, d. i. Berührer, oder
mit dem Gefühl untersuchende, weil sie mit dem Finger denjenigen Ort ausforschen, der
mit Moxa zu belegen ist. Die angezündeten kleinen Ruthen sind von eben der Art, wie
diejenigen, mit denen die heidnischen Mönche ihren Götzen opfern, und in den Tempeln die
Andachtsstunden abmessen, so wie auch im Lager die Stunden der Wachen auf eben diese
Art abgemessen werden. Denn sie brennen sehr langsam und almählig ab, haben aber
einen sehr starken und angenehmen Geruch. Man macht diese Stäbchen aus der schleimich-
ten Rinde des Baumes Taab oder Taab noki, Lauri Japonicae Sylvestris, des
größten Baumes dieses Landes. Mit dieser ganz zu Pulver zerstoßnen Rinde wird als-
denn das Holz Agallochi vermischt, oder nur die harzichte und kostbarste Theile desselben,
Calemback, und nach dem Gutfinden des Verfertigers, auch allerlei andre stark und
wohlriechende Dinge. Diese Mischung wird alsdenn noch mit etwas Wasser versezt, und
ein dicker Brei daraus gemacht, hernach mit den Händen tüchtig durchgearbeitet und in ein
Gefäs gebracht, das viele runde Löcher hat, auf welches man starke Gewichte legt. Die-
se Wirkung ist, daß unten durch die Löcher sich kleine Stäbchen hervordrängen, die dün-
ner als ein Strohhalm sind, die man alsdenn auf kleine Latten legt, und im Schatten trok-
net. Diese Stäbchen kommen alsdenn als Rauchkerzen in die Werkstätten, und werden
daselbst kleine Bündel derselben, mit Papier umwunden, zu dem vorher angegebenen Ge-
brauch verkauft. Aber alles dieses ist nur eine überflüssige Zugabe bei der Feuerchirurgie,
die nur gar äußere Ausschmückung der Operation, nicht aber zur Sache selbst, etwas bei-
trägt. An sich selbst ist es genug, mit irgend einem Stäbchen das Feuer hervorgebracht zu
haben, und so pflegt es auch der gemeine Mann zu halten. Das Geheimnis der Kunst
selbst aber besteht in der zuverlässigen und genauen Kentnis des Orts, der nach Beschaf-
fenheit jeder Art Krankheit gebrant werden mus. Nach unsern europäischen Grundsätzen
würde man nun denjenigen Ort für den bequemsten zu Austreibung der Dünste (als worauf
die ganze Absicht des Brennens gehe) halten, der dem leidenden Theile am nächsten ist;
aber die japanischen Kunstverständigen wählen ost einen ganz entfernten Ort, und der mit
dem leidenden auf gar keine in der Anatomie bekante Art, sondern nur durch das alge-
meine Band des Körpers zusammenhängt. So ungereimt es einem gewissen Litthauischen
Edelmann schien, bei dem Kopfweh ein Klistier zu geben, so wunderbar kommen dem

Frem-

IV. Von der Moxa, dem vortreflichen Brenmittel,
etwas groͤßerer Breite zu haben pflegt. Dieſer Kegel wird alsdenn auf den zu brennenden
Ort geſtelt, und unten etwas mit Speichel angefeuchtet, damit er feſte anklebe. Darauf
zuͤndet man oben die Spitze mit einem brennenden kleinen ſehr zarten Staͤbchen an, das die
Japaner Senko nennen. Der Kegel iſt gemeiniglich in kurzer Zeit abgebrant, und oft
wird alsdenn noch ein neuer angelegt, und dies fortgeſezt bis die Vorſchrift der Heilkunſt
und die vorgeſezte Abſicht nach dem Urtheil deſſen erfuͤlt iſt, der das Brennen anordnet
oder ſelbſt verrichtet. Die Wundaͤrzte dieſer Art heißen Tenſaſj, d. i. Beruͤhrer, oder
mit dem Gefuͤhl unterſuchende, weil ſie mit dem Finger denjenigen Ort ausforſchen, der
mit Moxa zu belegen iſt. Die angezuͤndeten kleinen Ruthen ſind von eben der Art, wie
diejenigen, mit denen die heidniſchen Moͤnche ihren Goͤtzen opfern, und in den Tempeln die
Andachtsſtunden abmeſſen, ſo wie auch im Lager die Stunden der Wachen auf eben dieſe
Art abgemeſſen werden. Denn ſie brennen ſehr langſam und almaͤhlig ab, haben aber
einen ſehr ſtarken und angenehmen Geruch. Man macht dieſe Staͤbchen aus der ſchleimich-
ten Rinde des Baumes Taab oder Taab noki, Lauri Japonicae Sylveſtris, des
groͤßten Baumes dieſes Landes. Mit dieſer ganz zu Pulver zerſtoßnen Rinde wird als-
denn das Holz Agallochi vermiſcht, oder nur die harzichte und koſtbarſte Theile deſſelben,
Calemback, und nach dem Gutfinden des Verfertigers, auch allerlei andre ſtark und
wohlriechende Dinge. Dieſe Miſchung wird alsdenn noch mit etwas Waſſer verſezt, und
ein dicker Brei daraus gemacht, hernach mit den Haͤnden tuͤchtig durchgearbeitet und in ein
Gefaͤs gebracht, das viele runde Loͤcher hat, auf welches man ſtarke Gewichte legt. Die-
ſe Wirkung iſt, daß unten durch die Loͤcher ſich kleine Staͤbchen hervordraͤngen, die duͤn-
ner als ein Strohhalm ſind, die man alsdenn auf kleine Latten legt, und im Schatten trok-
net. Dieſe Staͤbchen kommen alsdenn als Rauchkerzen in die Werkſtaͤtten, und werden
daſelbſt kleine Buͤndel derſelben, mit Papier umwunden, zu dem vorher angegebenen Ge-
brauch verkauft. Aber alles dieſes iſt nur eine uͤberfluͤſſige Zugabe bei der Feuerchirurgie,
die nur gar aͤußere Ausſchmuͤckung der Operation, nicht aber zur Sache ſelbſt, etwas bei-
traͤgt. An ſich ſelbſt iſt es genug, mit irgend einem Staͤbchen das Feuer hervorgebracht zu
haben, und ſo pflegt es auch der gemeine Mann zu halten. Das Geheimnis der Kunſt
ſelbſt aber beſteht in der zuverlaͤſſigen und genauen Kentnis des Orts, der nach Beſchaf-
fenheit jeder Art Krankheit gebrant werden mus. Nach unſern europaͤiſchen Grundſaͤtzen
wuͤrde man nun denjenigen Ort fuͤr den bequemſten zu Austreibung der Duͤnſte (als worauf
die ganze Abſicht des Brennens gehe) halten, der dem leidenden Theile am naͤchſten iſt;
aber die japaniſchen Kunſtverſtaͤndigen waͤhlen oſt einen ganz entfernten Ort, und der mit
dem leidenden auf gar keine in der Anatomie bekante Art, ſondern nur durch das alge-
meine Band des Koͤrpers zuſammenhaͤngt. So ungereimt es einem gewiſſen Litthauiſchen
Edelmann ſchien, bei dem Kopfweh ein Kliſtier zu geben, ſo wunderbar kommen dem

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[436/0494] IV. Von der Moxa, dem vortreflichen Brenmittel, etwas groͤßerer Breite zu haben pflegt. Dieſer Kegel wird alsdenn auf den zu brennenden Ort geſtelt, und unten etwas mit Speichel angefeuchtet, damit er feſte anklebe. Darauf zuͤndet man oben die Spitze mit einem brennenden kleinen ſehr zarten Staͤbchen an, das die Japaner Senko nennen. Der Kegel iſt gemeiniglich in kurzer Zeit abgebrant, und oft wird alsdenn noch ein neuer angelegt, und dies fortgeſezt bis die Vorſchrift der Heilkunſt und die vorgeſezte Abſicht nach dem Urtheil deſſen erfuͤlt iſt, der das Brennen anordnet oder ſelbſt verrichtet. Die Wundaͤrzte dieſer Art heißen Tenſaſj, d. i. Beruͤhrer, oder mit dem Gefuͤhl unterſuchende, weil ſie mit dem Finger denjenigen Ort ausforſchen, der mit Moxa zu belegen iſt. Die angezuͤndeten kleinen Ruthen ſind von eben der Art, wie diejenigen, mit denen die heidniſchen Moͤnche ihren Goͤtzen opfern, und in den Tempeln die Andachtsſtunden abmeſſen, ſo wie auch im Lager die Stunden der Wachen auf eben dieſe Art abgemeſſen werden. Denn ſie brennen ſehr langſam und almaͤhlig ab, haben aber einen ſehr ſtarken und angenehmen Geruch. Man macht dieſe Staͤbchen aus der ſchleimich- ten Rinde des Baumes Taab oder Taab noki, Lauri Japonicae Sylveſtris, des groͤßten Baumes dieſes Landes. Mit dieſer ganz zu Pulver zerſtoßnen Rinde wird als- denn das Holz Agallochi vermiſcht, oder nur die harzichte und koſtbarſte Theile deſſelben, Calemback, und nach dem Gutfinden des Verfertigers, auch allerlei andre ſtark und wohlriechende Dinge. Dieſe Miſchung wird alsdenn noch mit etwas Waſſer verſezt, und ein dicker Brei daraus gemacht, hernach mit den Haͤnden tuͤchtig durchgearbeitet und in ein Gefaͤs gebracht, das viele runde Loͤcher hat, auf welches man ſtarke Gewichte legt. Die- ſe Wirkung iſt, daß unten durch die Loͤcher ſich kleine Staͤbchen hervordraͤngen, die duͤn- ner als ein Strohhalm ſind, die man alsdenn auf kleine Latten legt, und im Schatten trok- net. Dieſe Staͤbchen kommen alsdenn als Rauchkerzen in die Werkſtaͤtten, und werden daſelbſt kleine Buͤndel derſelben, mit Papier umwunden, zu dem vorher angegebenen Ge- brauch verkauft. Aber alles dieſes iſt nur eine uͤberfluͤſſige Zugabe bei der Feuerchirurgie, die nur gar aͤußere Ausſchmuͤckung der Operation, nicht aber zur Sache ſelbſt, etwas bei- traͤgt. An ſich ſelbſt iſt es genug, mit irgend einem Staͤbchen das Feuer hervorgebracht zu haben, und ſo pflegt es auch der gemeine Mann zu halten. Das Geheimnis der Kunſt ſelbſt aber beſteht in der zuverlaͤſſigen und genauen Kentnis des Orts, der nach Beſchaf- fenheit jeder Art Krankheit gebrant werden mus. Nach unſern europaͤiſchen Grundſaͤtzen wuͤrde man nun denjenigen Ort fuͤr den bequemſten zu Austreibung der Duͤnſte (als worauf die ganze Abſicht des Brennens gehe) halten, der dem leidenden Theile am naͤchſten iſt; aber die japaniſchen Kunſtverſtaͤndigen waͤhlen oſt einen ganz entfernten Ort, und der mit dem leidenden auf gar keine in der Anatomie bekante Art, ſondern nur durch das alge- meine Band des Koͤrpers zuſammenhaͤngt. So ungereimt es einem gewiſſen Litthauiſchen Edelmann ſchien, bei dem Kopfweh ein Kliſtier zu geben, ſo wunderbar kommen dem Frem-

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/494>, abgerufen am 24.11.2024.