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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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V. Geschichte des Japanischen Thees.
haben. Jm Herbste kommen einzeln auch paarweise zwischen jedem Blatstiel und Zweige
die Blüthen hervor, fast wie wilde Rosen geformt, über einen Zol im Durchschnit, doch
nie ganz ausgestaltet, von schwachem Wohlgeruch, weis, und sechsblättricht mit runden
hohlen Blättern. Die Blumenstiele sind einen halben Zol lang, almählig oberwärts dicker
und ein Ende mit einer unbestimten Anzahl von mehrentheils fünf oder sechs kleinen runden
Schuppen stat Blumenkelchs versehen. Nach der Blüthe entstehet eine Menge einzelner
gepaarter, meistens aber, wie beim Ricinus, dreifacher Früchte. Es wachsen nemlich drei
kugelförmige Knöpfe wie wilde Pflaumen gros oben auf dem Stiel zusammen, und sind,
wo sie einander berühren, wie Küssen eingedrückt. Jedes Knöpfgen enthält seine eigne
Nus, in einem erst grünen, dann ins schwarze reifenden Saamengehäuse, das außen glanz-
los, fet, häutig und etwas holzig ist, und oben, nachdem es lange auf der Staude geses-
sen, einen Spalt bekomt, wodurch man die Nus sehen kan. Die Nus ist beinahe kugel-
förmig, nur an der Seite, wo sie anliegt, etwas eingedrückt. Jhr Häutgen ist hart,
dün, glänzend, rothbraun oder volkommen kastanienfarbig; nach Abzug dessen ein röthlicher
Kern zum Vorschein komt, der zur Härte uud dem öligten Wesen einer Haselnus reift,
zuerst einen Faden süßlichten, gleich darauf aber, wie Levcojen Saamen, einen sehr bit-
tern, unleidlichen Geschmack zurükläst, welcher viel Speichel zieht, und im Schlunde eine
doch bald vorübergehende Empfindung von Ekel erregt.

§. 2.

Noch ist in den Schulen kein Schriftzug, (der nach Japanischer Art eine Defini-
tion des Gegenstandes enthielte) geprüft und angenommen worden, der dem Thee, von den
Japanern Tsjaa und den Sinesen Theh genant, eigenthümlich wäre. Jnzwischen begnügt
man sich mit verschiedenen andern, die entweder nur den Klang des Wortes Thee, oder aber
die Kräfte und Eigenschaften der Staude bedeuten. Von lezterer Art ist der Charakter,
welcher die Augenlieder des Darma, eines berühmten heidnischen Heiligen ausdrükt.
Diese seltsame Vereinbarung so verschiedner Begriffe als Thee und Augenlieder, ist deshalb
wichtig, weil sie den Zeitpunkt umgiebt, in dem man Thee zu trinken angefangen hat.
Eine kleine Digression hierüber wird desfals dem Leser nicht zuwider seyn. Darma, des Jn-
dianischen Königs Kosjuwo dritter Sohn, ein heiliger frommer Priester, war nach dem
Sjaka, einem andern schwarzen ums Jahr vor Christo 1025 gebohrnem Jndianer und
Stifter einer Hauptreligion des östlichen Asiens, der 25ste Nachfolger als Oberhaupt dieser
Kirche. Er landete 519 nach Christi Geburt in Sina, und richtete sein ganzes Augenmerk
dahin, dem Volke die Erkentnis Gottes, und wie ers nante, die wahre seligmachende Re-
ligion beizubringen. Zu dem Ende gieng er ihm nicht nur mit Lehre, sondern auch mit

Bei-
K k k 2

V. Geſchichte des Japaniſchen Thees.
haben. Jm Herbſte kommen einzeln auch paarweiſe zwiſchen jedem Blatſtiel und Zweige
die Bluͤthen hervor, faſt wie wilde Roſen geformt, uͤber einen Zol im Durchſchnit, doch
nie ganz ausgeſtaltet, von ſchwachem Wohlgeruch, weis, und ſechsblaͤttricht mit runden
hohlen Blaͤttern. Die Blumenſtiele ſind einen halben Zol lang, almaͤhlig oberwaͤrts dicker
und ein Ende mit einer unbeſtimten Anzahl von mehrentheils fuͤnf oder ſechs kleinen runden
Schuppen ſtat Blumenkelchs verſehen. Nach der Bluͤthe entſtehet eine Menge einzelner
gepaarter, meiſtens aber, wie beim Ricinus, dreifacher Fruͤchte. Es wachſen nemlich drei
kugelfoͤrmige Knoͤpfe wie wilde Pflaumen gros oben auf dem Stiel zuſammen, und ſind,
wo ſie einander beruͤhren, wie Kuͤſſen eingedruͤckt. Jedes Knoͤpfgen enthaͤlt ſeine eigne
Nus, in einem erſt gruͤnen, dann ins ſchwarze reifenden Saamengehaͤuſe, das außen glanz-
los, fet, haͤutig und etwas holzig iſt, und oben, nachdem es lange auf der Staude geſeſ-
ſen, einen Spalt bekomt, wodurch man die Nus ſehen kan. Die Nus iſt beinahe kugel-
foͤrmig, nur an der Seite, wo ſie anliegt, etwas eingedruͤckt. Jhr Haͤutgen iſt hart,
duͤn, glaͤnzend, rothbraun oder volkommen kaſtanienfarbig; nach Abzug deſſen ein roͤthlicher
Kern zum Vorſchein komt, der zur Haͤrte uud dem oͤligten Weſen einer Haſelnus reift,
zuerſt einen Faden ſuͤßlichten, gleich darauf aber, wie Levcojen Saamen, einen ſehr bit-
tern, unleidlichen Geſchmack zuruͤklaͤſt, welcher viel Speichel zieht, und im Schlunde eine
doch bald voruͤbergehende Empfindung von Ekel erregt.

§. 2.

Noch iſt in den Schulen kein Schriftzug, (der nach Japaniſcher Art eine Defini-
tion des Gegenſtandes enthielte) gepruͤft und angenommen worden, der dem Thee, von den
Japanern Tſjaa und den Sineſen Theh genant, eigenthuͤmlich waͤre. Jnzwiſchen begnuͤgt
man ſich mit verſchiedenen andern, die entweder nur den Klang des Wortes Thee, oder aber
die Kraͤfte und Eigenſchaften der Staude bedeuten. Von lezterer Art iſt der Charakter,
welcher die Augenlieder des Darma, eines beruͤhmten heidniſchen Heiligen ausdruͤkt.
Dieſe ſeltſame Vereinbarung ſo verſchiedner Begriffe als Thee und Augenlieder, iſt deshalb
wichtig, weil ſie den Zeitpunkt umgiebt, in dem man Thee zu trinken angefangen hat.
Eine kleine Digreſſion hieruͤber wird desfals dem Leſer nicht zuwider ſeyn. Darma, des Jn-
dianiſchen Koͤnigs Kosjuwo dritter Sohn, ein heiliger frommer Prieſter, war nach dem
Sjaka, einem andern ſchwarzen ums Jahr vor Chriſto 1025 gebohrnem Jndianer und
Stifter einer Hauptreligion des oͤſtlichen Aſiens, der 25ſte Nachfolger als Oberhaupt dieſer
Kirche. Er landete 519 nach Chriſti Geburt in Sina, und richtete ſein ganzes Augenmerk
dahin, dem Volke die Erkentnis Gottes, und wie ers nante, die wahre ſeligmachende Re-
ligion beizubringen. Zu dem Ende gieng er ihm nicht nur mit Lehre, ſondern auch mit

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[443/0505] V. Geſchichte des Japaniſchen Thees. haben. Jm Herbſte kommen einzeln auch paarweiſe zwiſchen jedem Blatſtiel und Zweige die Bluͤthen hervor, faſt wie wilde Roſen geformt, uͤber einen Zol im Durchſchnit, doch nie ganz ausgeſtaltet, von ſchwachem Wohlgeruch, weis, und ſechsblaͤttricht mit runden hohlen Blaͤttern. Die Blumenſtiele ſind einen halben Zol lang, almaͤhlig oberwaͤrts dicker und ein Ende mit einer unbeſtimten Anzahl von mehrentheils fuͤnf oder ſechs kleinen runden Schuppen ſtat Blumenkelchs verſehen. Nach der Bluͤthe entſtehet eine Menge einzelner gepaarter, meiſtens aber, wie beim Ricinus, dreifacher Fruͤchte. Es wachſen nemlich drei kugelfoͤrmige Knoͤpfe wie wilde Pflaumen gros oben auf dem Stiel zuſammen, und ſind, wo ſie einander beruͤhren, wie Kuͤſſen eingedruͤckt. Jedes Knoͤpfgen enthaͤlt ſeine eigne Nus, in einem erſt gruͤnen, dann ins ſchwarze reifenden Saamengehaͤuſe, das außen glanz- los, fet, haͤutig und etwas holzig iſt, und oben, nachdem es lange auf der Staude geſeſ- ſen, einen Spalt bekomt, wodurch man die Nus ſehen kan. Die Nus iſt beinahe kugel- foͤrmig, nur an der Seite, wo ſie anliegt, etwas eingedruͤckt. Jhr Haͤutgen iſt hart, duͤn, glaͤnzend, rothbraun oder volkommen kaſtanienfarbig; nach Abzug deſſen ein roͤthlicher Kern zum Vorſchein komt, der zur Haͤrte uud dem oͤligten Weſen einer Haſelnus reift, zuerſt einen Faden ſuͤßlichten, gleich darauf aber, wie Levcojen Saamen, einen ſehr bit- tern, unleidlichen Geſchmack zuruͤklaͤſt, welcher viel Speichel zieht, und im Schlunde eine doch bald voruͤbergehende Empfindung von Ekel erregt. §. 2. Noch iſt in den Schulen kein Schriftzug, (der nach Japaniſcher Art eine Defini- tion des Gegenſtandes enthielte) gepruͤft und angenommen worden, der dem Thee, von den Japanern Tſjaa und den Sineſen Theh genant, eigenthuͤmlich waͤre. Jnzwiſchen begnuͤgt man ſich mit verſchiedenen andern, die entweder nur den Klang des Wortes Thee, oder aber die Kraͤfte und Eigenſchaften der Staude bedeuten. Von lezterer Art iſt der Charakter, welcher die Augenlieder des Darma, eines beruͤhmten heidniſchen Heiligen ausdruͤkt. Dieſe ſeltſame Vereinbarung ſo verſchiedner Begriffe als Thee und Augenlieder, iſt deshalb wichtig, weil ſie den Zeitpunkt umgiebt, in dem man Thee zu trinken angefangen hat. Eine kleine Digreſſion hieruͤber wird desfals dem Leſer nicht zuwider ſeyn. Darma, des Jn- dianiſchen Koͤnigs Kosjuwo dritter Sohn, ein heiliger frommer Prieſter, war nach dem Sjaka, einem andern ſchwarzen ums Jahr vor Chriſto 1025 gebohrnem Jndianer und Stifter einer Hauptreligion des oͤſtlichen Aſiens, der 25ſte Nachfolger als Oberhaupt dieſer Kirche. Er landete 519 nach Chriſti Geburt in Sina, und richtete ſein ganzes Augenmerk dahin, dem Volke die Erkentnis Gottes, und wie ers nante, die wahre ſeligmachende Re- ligion beizubringen. Zu dem Ende gieng er ihm nicht nur mit Lehre, ſondern auch mit Bei- K k k 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/505>, abgerufen am 24.11.2024.