Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.gäbe es da einen Irrtum?" "Dieses Gesetz kenne ich nicht," sagte K. "Desto schlimmer für Sie," sagte der Wächter. "Es besteht wohl auch nur in Ihren Köpfen," sagte K., er wollte sich irgendwie in die Gedanken der Wächter einschleichen, sie zu seinen Gunsten wenden oder sich dort einbürgern. Aber der Wächter sagte nur abweisend: "Sie werden es zu fühlen bekommen." Franz mischte sich ein und sagte: "Sieh, Willem, er gibt zu, er kenne das Gesetz nicht und behauptet gleichzeitig, schuldlos zu sein." "Du hast ganz recht, aber ihm kann man nichts begreiflich machen," sagte der andere. K. antwortete nichts mehr; muß ich, dachte er, durch das Geschwätz dieser niedrigsten Organe - sie geben selbst zu, es zu sein - mich noch mehr verwirren lassen? Sie reden doch jedenfalls von Dingen, die sie gar nicht verstehn. Ihre Sicherheit ist nur durch ihre Dummheit möglich. Ein paar Worte, die ich mit einem mir ebenbürtigen Menschen sprechen werde, werden alles unvergleichlich klarer machen als die längsten Reden mit diesen. Er ging einige Male in dem freien Raum des Zimmers auf und ab, drüben sah er die alte Frau, die einen noch viel ältern Greis zum Fenster gezerrt hatte, den sie gäbe es da einen Irrtum?“ „Dieses Gesetz kenne ich nicht,“ sagte K. „Desto schlimmer für Sie,“ sagte der Wächter. „Es besteht wohl auch nur in Ihren Köpfen,“ sagte K., er wollte sich irgendwie in die Gedanken der Wächter einschleichen, sie zu seinen Gunsten wenden oder sich dort einbürgern. Aber der Wächter sagte nur abweisend: „Sie werden es zu fühlen bekommen.“ Franz mischte sich ein und sagte: „Sieh, Willem, er gibt zu, er kenne das Gesetz nicht und behauptet gleichzeitig, schuldlos zu sein.“ „Du hast ganz recht, aber ihm kann man nichts begreiflich machen,“ sagte der andere. K. antwortete nichts mehr; muß ich, dachte er, durch das Geschwätz dieser niedrigsten Organe – sie geben selbst zu, es zu sein – mich noch mehr verwirren lassen? Sie reden doch jedenfalls von Dingen, die sie gar nicht verstehn. Ihre Sicherheit ist nur durch ihre Dummheit möglich. Ein paar Worte, die ich mit einem mir ebenbürtigen Menschen sprechen werde, werden alles unvergleichlich klarer machen als die längsten Reden mit diesen. Er ging einige Male in dem freien Raum des Zimmers auf und ab, drüben sah er die alte Frau, die einen noch viel ältern Greis zum Fenster gezerrt hatte, den sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0013" n="11"/> gäbe es da einen Irrtum?“ „Dieses Gesetz kenne ich nicht,“ sagte K. „Desto schlimmer für Sie,“ sagte der Wächter. „Es besteht wohl auch nur in Ihren Köpfen,“ sagte K., er wollte sich irgendwie in die Gedanken der Wächter einschleichen, sie zu seinen Gunsten wenden oder sich dort einbürgern. Aber der Wächter sagte nur abweisend: „Sie werden es zu fühlen bekommen.“ Franz mischte sich ein und sagte: „Sieh, Willem, er gibt zu, er kenne das Gesetz nicht und behauptet gleichzeitig, schuldlos zu sein.“ „Du hast ganz recht, aber ihm kann man nichts begreiflich machen,“ sagte der andere. K. antwortete nichts mehr; muß ich, dachte er, durch das Geschwätz dieser niedrigsten Organe – sie geben selbst zu, es zu sein – mich noch mehr verwirren lassen? Sie reden doch jedenfalls von Dingen, die sie gar nicht verstehn. Ihre Sicherheit ist nur durch ihre Dummheit möglich. Ein paar Worte, die ich mit einem mir ebenbürtigen Menschen sprechen werde, werden alles unvergleichlich klarer machen als die längsten Reden mit diesen. Er ging einige Male in dem freien Raum des Zimmers auf und ab, drüben sah er die alte Frau, die einen noch viel ältern Greis zum Fenster gezerrt hatte, den sie </p> </div> </body> </text> </TEI> [11/0013]
gäbe es da einen Irrtum?“ „Dieses Gesetz kenne ich nicht,“ sagte K. „Desto schlimmer für Sie,“ sagte der Wächter. „Es besteht wohl auch nur in Ihren Köpfen,“ sagte K., er wollte sich irgendwie in die Gedanken der Wächter einschleichen, sie zu seinen Gunsten wenden oder sich dort einbürgern. Aber der Wächter sagte nur abweisend: „Sie werden es zu fühlen bekommen.“ Franz mischte sich ein und sagte: „Sieh, Willem, er gibt zu, er kenne das Gesetz nicht und behauptet gleichzeitig, schuldlos zu sein.“ „Du hast ganz recht, aber ihm kann man nichts begreiflich machen,“ sagte der andere. K. antwortete nichts mehr; muß ich, dachte er, durch das Geschwätz dieser niedrigsten Organe – sie geben selbst zu, es zu sein – mich noch mehr verwirren lassen? Sie reden doch jedenfalls von Dingen, die sie gar nicht verstehn. Ihre Sicherheit ist nur durch ihre Dummheit möglich. Ein paar Worte, die ich mit einem mir ebenbürtigen Menschen sprechen werde, werden alles unvergleichlich klarer machen als die längsten Reden mit diesen. Er ging einige Male in dem freien Raum des Zimmers auf und ab, drüben sah er die alte Frau, die einen noch viel ältern Greis zum Fenster gezerrt hatte, den sie
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