Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

Bild:
<< vorherige Seite

umgeworfene leere irdene Tintenflaschen lagen hinter der Schwelle. In der Kammer selbst aber standen drei Männer, gebückt in dem niedrigen Raum. Eine auf einem Regal festgemachte Kerze gab ihnen Licht. "Was treibt ihr hier?" fragte K., sich vor Aufregung überstürzend, aber nicht laut. Der eine Mann, der die andern offenbar beherrschte und zuerst den Blick auf sich lenkte, stak in einer Art dunklen Lederkleidung, die den Hals bis tief zur Brust und die ganzen Arme nackt ließ. Er antwortete nicht. Aber die zwei andern riefen: "Herr! Wir sollen geprügelt werden, weil du dich beim Untersuchungsrichter über uns beklagt hast." Und nun erst erkannte K., daß es wirklich die Wächter Franz und Willem waren, und daß der Dritte eine Rute in der Hand hielt, um sie zu prügeln. "Nun," sagte K. und starrte sie an, "ich habe mich nicht beklagt, ich habe nur gesagt, wie es sich in meiner Wohnung zugetragen hat. Und einwandfrei habt Ihr Euch ja nicht benommen." "Herr," sagte Willem, während Franz sich hinter ihm vor dem Dritten offenbar zu sichern suchte, "wenn Ihr wüßtet, wie schlecht wir bezahlt sind, Ihr würdet besser über

umgeworfene leere irdene Tintenflaschen lagen hinter der Schwelle. In der Kammer selbst aber standen drei Männer, gebückt in dem niedrigen Raum. Eine auf einem Regal festgemachte Kerze gab ihnen Licht. „Was treibt ihr hier?“ fragte K., sich vor Aufregung überstürzend, aber nicht laut. Der eine Mann, der die andern offenbar beherrschte und zuerst den Blick auf sich lenkte, stak in einer Art dunklen Lederkleidung, die den Hals bis tief zur Brust und die ganzen Arme nackt ließ. Er antwortete nicht. Aber die zwei andern riefen: „Herr! Wir sollen geprügelt werden, weil du dich beim Untersuchungsrichter über uns beklagt hast.“ Und nun erst erkannte K., daß es wirklich die Wächter Franz und Willem waren, und daß der Dritte eine Rute in der Hand hielt, um sie zu prügeln. „Nun,“ sagte K. und starrte sie an, „ich habe mich nicht beklagt, ich habe nur gesagt, wie es sich in meiner Wohnung zugetragen hat. Und einwandfrei habt Ihr Euch ja nicht benommen.“ „Herr,“ sagte Willem, während Franz sich hinter ihm vor dem Dritten offenbar zu sichern suchte, „wenn Ihr wüßtet, wie schlecht wir bezahlt sind, Ihr würdet besser über

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0146" n="144"/>
umgeworfene leere irdene Tintenflaschen lagen hinter der Schwelle. In der Kammer selbst aber standen drei Männer, gebückt in dem niedrigen Raum. Eine auf einem Regal festgemachte Kerze gab ihnen Licht. &#x201E;Was treibt ihr hier?&#x201C; fragte K., sich vor Aufregung überstürzend, aber nicht laut. Der eine Mann, der die andern offenbar beherrschte und zuerst den Blick auf sich lenkte, stak in einer Art dunklen Lederkleidung, die den Hals bis tief zur Brust und die ganzen Arme nackt ließ. Er antwortete nicht. Aber die zwei andern riefen: &#x201E;Herr! Wir sollen geprügelt werden, weil du dich beim Untersuchungsrichter über uns beklagt hast.&#x201C; Und nun erst erkannte K., daß es wirklich die Wächter Franz und Willem waren, und daß der Dritte eine Rute in der Hand hielt, um sie zu prügeln. &#x201E;Nun,&#x201C; sagte K. und starrte sie an, &#x201E;ich habe mich nicht beklagt, ich habe nur gesagt, wie es sich in meiner Wohnung zugetragen hat. Und einwandfrei habt Ihr Euch ja nicht benommen.&#x201C; &#x201E;Herr,&#x201C; sagte Willem, während Franz sich hinter ihm vor dem Dritten offenbar zu sichern suchte, &#x201E;wenn Ihr wüßtet, wie schlecht wir bezahlt sind, Ihr würdet besser über
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0146] umgeworfene leere irdene Tintenflaschen lagen hinter der Schwelle. In der Kammer selbst aber standen drei Männer, gebückt in dem niedrigen Raum. Eine auf einem Regal festgemachte Kerze gab ihnen Licht. „Was treibt ihr hier?“ fragte K., sich vor Aufregung überstürzend, aber nicht laut. Der eine Mann, der die andern offenbar beherrschte und zuerst den Blick auf sich lenkte, stak in einer Art dunklen Lederkleidung, die den Hals bis tief zur Brust und die ganzen Arme nackt ließ. Er antwortete nicht. Aber die zwei andern riefen: „Herr! Wir sollen geprügelt werden, weil du dich beim Untersuchungsrichter über uns beklagt hast.“ Und nun erst erkannte K., daß es wirklich die Wächter Franz und Willem waren, und daß der Dritte eine Rute in der Hand hielt, um sie zu prügeln. „Nun,“ sagte K. und starrte sie an, „ich habe mich nicht beklagt, ich habe nur gesagt, wie es sich in meiner Wohnung zugetragen hat. Und einwandfrei habt Ihr Euch ja nicht benommen.“ „Herr,“ sagte Willem, während Franz sich hinter ihm vor dem Dritten offenbar zu sichern suchte, „wenn Ihr wüßtet, wie schlecht wir bezahlt sind, Ihr würdet besser über

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-28T19:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-28T19:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Trennungen am Zeilen- und am Seitenende werden aufgelöst, der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/146
Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/146>, abgerufen am 22.11.2024.