Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.Leni umfaßte und an sich zog, sie lehnte still den Kopf an seine Schulter. Zu dem übrigen aber sagte er: "Was für einen Rang hat er?" "Er ist Untersuchungsrichter," sagte sie, ergriff K.s Hand, mit der er sie umfaßt hielt, und spielte mit seinen Fingern. "Wieder nur Untersuchungsrichter," sagte K. enttäuscht, "die hohen Beamten verstecken sich. Aber er sitzt doch auf einem Thronsessel." "Das ist alles Erfindung," sagte Leni, das Gesicht über K.s Hand gebeugt, "in Wirklichkeit sitzt er auf einem Küchensessel, auf dem eine alte Pferdedecke zusammengelegt ist. Aber müssen Sie denn immerfort an Ihren Prozeß denken?" fügte sie langsam hinzu. "Nein, durchaus nicht," sagte K., "ich denke wahrscheinlich sogar zu wenig an ihn." "Das ist nicht der Fehler, den Sie machen," sagte Leni, "Sie sind zu unnachgiebig, so habe ich es gehört." "Wer hat das gesagt?" fragte K., er fühlte ihren Körper an seiner Brust und sah auf ihr reiches dunkles fest gedrehtes Haar hinab. "Ich würde zuviel verraten, wenn ich das sagte," antwortete Leni. "Fragen Sie, bitte, nicht nach Namen, stellen Sie aber Ihren Fehler ab, seien Sie nicht mehr so unnachgiebig, gegen dieses Gericht kann Leni umfaßte und an sich zog, sie lehnte still den Kopf an seine Schulter. Zu dem übrigen aber sagte er: „Was für einen Rang hat er?“ „Er ist Untersuchungsrichter,“ sagte sie, ergriff K.s Hand, mit der er sie umfaßt hielt, und spielte mit seinen Fingern. „Wieder nur Untersuchungsrichter,“ sagte K. enttäuscht, „die hohen Beamten verstecken sich. Aber er sitzt doch auf einem Thronsessel.“ „Das ist alles Erfindung,“ sagte Leni, das Gesicht über K.s Hand gebeugt, „in Wirklichkeit sitzt er auf einem Küchensessel, auf dem eine alte Pferdedecke zusammengelegt ist. Aber müssen Sie denn immerfort an Ihren Prozeß denken?“ fügte sie langsam hinzu. „Nein, durchaus nicht,“ sagte K., „ich denke wahrscheinlich sogar zu wenig an ihn.“ „Das ist nicht der Fehler, den Sie machen,“ sagte Leni, „Sie sind zu unnachgiebig, so habe ich es gehört.“ „Wer hat das gesagt?“ fragte K., er fühlte ihren Körper an seiner Brust und sah auf ihr reiches dunkles fest gedrehtes Haar hinab. „Ich würde zuviel verraten, wenn ich das sagte,“ antwortete Leni. „Fragen Sie, bitte, nicht nach Namen, stellen Sie aber Ihren Fehler ab, seien Sie nicht mehr so unnachgiebig, gegen dieses Gericht kann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0189" n="187"/> Leni umfaßte und an sich zog, sie lehnte still den Kopf an seine Schulter. Zu dem übrigen aber sagte er: „Was für einen Rang hat er?“ „Er ist Untersuchungsrichter,“ sagte sie, ergriff K.s Hand, mit der er sie umfaßt hielt, und spielte mit seinen Fingern. „Wieder nur Untersuchungsrichter,“ sagte K. enttäuscht, „die hohen Beamten verstecken sich. Aber er sitzt doch auf einem Thronsessel.“ „Das ist alles Erfindung,“ sagte Leni, das Gesicht über K.s Hand gebeugt, „in Wirklichkeit sitzt er auf einem Küchensessel, auf dem eine alte Pferdedecke zusammengelegt ist. Aber müssen Sie denn immerfort an Ihren Prozeß denken?“ fügte sie langsam hinzu. „Nein, durchaus nicht,“ sagte K., „ich denke wahrscheinlich sogar zu wenig an ihn.“ „Das ist nicht der Fehler, den Sie machen,“ sagte Leni, „Sie sind zu unnachgiebig, so habe ich es gehört.“ „Wer hat das gesagt?“ fragte K., er fühlte ihren Körper an seiner Brust und sah auf ihr reiches dunkles fest gedrehtes Haar hinab. „Ich würde zuviel verraten, wenn ich das sagte,“ antwortete Leni. „Fragen Sie, bitte, nicht nach Namen, stellen Sie aber Ihren Fehler ab, seien Sie nicht mehr so unnachgiebig, gegen dieses Gericht kann </p> </div> </body> </text> </TEI> [187/0189]
Leni umfaßte und an sich zog, sie lehnte still den Kopf an seine Schulter. Zu dem übrigen aber sagte er: „Was für einen Rang hat er?“ „Er ist Untersuchungsrichter,“ sagte sie, ergriff K.s Hand, mit der er sie umfaßt hielt, und spielte mit seinen Fingern. „Wieder nur Untersuchungsrichter,“ sagte K. enttäuscht, „die hohen Beamten verstecken sich. Aber er sitzt doch auf einem Thronsessel.“ „Das ist alles Erfindung,“ sagte Leni, das Gesicht über K.s Hand gebeugt, „in Wirklichkeit sitzt er auf einem Küchensessel, auf dem eine alte Pferdedecke zusammengelegt ist. Aber müssen Sie denn immerfort an Ihren Prozeß denken?“ fügte sie langsam hinzu. „Nein, durchaus nicht,“ sagte K., „ich denke wahrscheinlich sogar zu wenig an ihn.“ „Das ist nicht der Fehler, den Sie machen,“ sagte Leni, „Sie sind zu unnachgiebig, so habe ich es gehört.“ „Wer hat das gesagt?“ fragte K., er fühlte ihren Körper an seiner Brust und sah auf ihr reiches dunkles fest gedrehtes Haar hinab. „Ich würde zuviel verraten, wenn ich das sagte,“ antwortete Leni. „Fragen Sie, bitte, nicht nach Namen, stellen Sie aber Ihren Fehler ab, seien Sie nicht mehr so unnachgiebig, gegen dieses Gericht kann
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