Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

Bild:
<< vorherige Seite

geltend, die selbst in ihren Anfängen den geheimen Bericht festsetzt. Den Beamten fehlt der Zusammenhang mit der Bevölkerung, für die gewöhnlichen mittleren Prozesse sind sie gut ausgerüstet, ein solcher Prozeß rollt fast von selbst auf seiner Bahn ab und braucht nur hier und da einen Anstoß, gegenüber den ganz einfachen Fällen aber, wie auch gegenüber den besonders schwierigen, sind sie oft ratlos, sie haben, weil sie fortwährend Tag und Nacht in ihr Gesetz eingezwängt sind, nicht den richtigen Sinn für menschliche Beziehungen und das entbehren sie in solchen Fällen schwer. Dann kommen sie zum Advokaten um Rat und hinter ihnen trägt ein Diener die Akten, die sonst so geheim sind. An diesem Fenster hätte man manche Herren, von denen man es am wenigsten erwarten würde, antreffen können wie sie geradezu trostlos auf die Gasse hinaussahen, während der Advokat an seinem Tisch die Akten studierte, um ihnen einen guten Rat geben zu können. Übrigens könne man gerade bei solchen Gelegenheiten sehn, wie ungemein ernst die Herren ihren Beruf nehmen und wie sie über Hindernisse, die sie ihrer Natur nach nicht bewältigen

geltend, die selbst in ihren Anfängen den geheimen Bericht festsetzt. Den Beamten fehlt der Zusammenhang mit der Bevölkerung, für die gewöhnlichen mittleren Prozesse sind sie gut ausgerüstet, ein solcher Prozeß rollt fast von selbst auf seiner Bahn ab und braucht nur hier und da einen Anstoß, gegenüber den ganz einfachen Fällen aber, wie auch gegenüber den besonders schwierigen, sind sie oft ratlos, sie haben, weil sie fortwährend Tag und Nacht in ihr Gesetz eingezwängt sind, nicht den richtigen Sinn für menschliche Beziehungen und das entbehren sie in solchen Fällen schwer. Dann kommen sie zum Advokaten um Rat und hinter ihnen trägt ein Diener die Akten, die sonst so geheim sind. An diesem Fenster hätte man manche Herren, von denen man es am wenigsten erwarten würde, antreffen können wie sie geradezu trostlos auf die Gasse hinaussahen, während der Advokat an seinem Tisch die Akten studierte, um ihnen einen guten Rat geben zu können. Übrigens könne man gerade bei solchen Gelegenheiten sehn, wie ungemein ernst die Herren ihren Beruf nehmen und wie sie über Hindernisse, die sie ihrer Natur nach nicht bewältigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0207" n="205"/>
geltend, die selbst in ihren Anfängen den geheimen Bericht festsetzt. Den Beamten fehlt der Zusammenhang mit der Bevölkerung, für die gewöhnlichen mittleren Prozesse sind sie gut ausgerüstet, ein solcher Prozeß rollt fast von selbst auf seiner Bahn ab und braucht nur hier und da einen Anstoß, gegenüber den ganz einfachen Fällen aber, wie auch gegenüber den besonders schwierigen, sind sie oft ratlos, sie haben, weil sie fortwährend Tag und Nacht in ihr Gesetz eingezwängt sind, nicht den richtigen Sinn für menschliche Beziehungen und das entbehren sie in solchen Fällen schwer. Dann kommen sie zum Advokaten um Rat und hinter ihnen trägt ein Diener die Akten, die sonst so geheim sind. An diesem Fenster hätte man manche Herren, von denen man es am wenigsten erwarten würde, antreffen können wie sie geradezu trostlos auf die Gasse hinaussahen, während der Advokat an seinem Tisch die Akten studierte, um ihnen einen guten Rat geben zu können. Übrigens könne man gerade bei solchen Gelegenheiten sehn, wie ungemein ernst die Herren ihren Beruf nehmen und wie sie über Hindernisse, die sie ihrer Natur nach nicht bewältigen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0207] geltend, die selbst in ihren Anfängen den geheimen Bericht festsetzt. Den Beamten fehlt der Zusammenhang mit der Bevölkerung, für die gewöhnlichen mittleren Prozesse sind sie gut ausgerüstet, ein solcher Prozeß rollt fast von selbst auf seiner Bahn ab und braucht nur hier und da einen Anstoß, gegenüber den ganz einfachen Fällen aber, wie auch gegenüber den besonders schwierigen, sind sie oft ratlos, sie haben, weil sie fortwährend Tag und Nacht in ihr Gesetz eingezwängt sind, nicht den richtigen Sinn für menschliche Beziehungen und das entbehren sie in solchen Fällen schwer. Dann kommen sie zum Advokaten um Rat und hinter ihnen trägt ein Diener die Akten, die sonst so geheim sind. An diesem Fenster hätte man manche Herren, von denen man es am wenigsten erwarten würde, antreffen können wie sie geradezu trostlos auf die Gasse hinaussahen, während der Advokat an seinem Tisch die Akten studierte, um ihnen einen guten Rat geben zu können. Übrigens könne man gerade bei solchen Gelegenheiten sehn, wie ungemein ernst die Herren ihren Beruf nehmen und wie sie über Hindernisse, die sie ihrer Natur nach nicht bewältigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-28T19:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-28T19:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Trennungen am Zeilen- und am Seitenende werden aufgelöst, der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/207
Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/207>, abgerufen am 21.11.2024.