Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.Verteidigung manches Wertvolle erfahren. Wundere sich K. noch, wenn er alles dieses im Auge behalte über die Gereiztheit der Beamten, die sich manchmal den Parteien gegenüber in - jeder mache diese Erfahrung - beleidigender Weise äußert. Alle Beamten seien gereizt, selbst wenn sie ruhig scheinen. Natürlich haben kleine Advokaten besonders viel darunter zu leiden. Man erzählt z. B. folgende Geschichte, die sehr den Anschein der Wahrheit hat. Ein alter Beamter, ein guter stiller Herr, hatte eine schwierige Gerichtssache, welche besonders durch die Eingaben des Advokaten verwickelt worden war, einen Tag und eine Nacht ununterbrochen studiert - diese Beamten sind tatsächlich fleißig, wie niemand sonst. Gegen Morgen nun, nach 24stündiger, wahrscheinlich nicht sehr ergiebiger Arbeit ging er zur Eingangstür, stellte sich dort in Hinterhalt und warf jeden Advokaten der eintreten wollte, die Treppe hinunter. Die Advokaten sammelten sich unten auf dem Treppenansatz und berieten, was sie tun sollten; einerseits haben sie keinen eigentlichen Anspruch darauf, eingelassen zu werden, können daher rechtlich gegen den Beamten kaum etwas unternehmen und müssen Verteidigung manches Wertvolle erfahren. Wundere sich K. noch, wenn er alles dieses im Auge behalte über die Gereiztheit der Beamten, die sich manchmal den Parteien gegenüber in – jeder mache diese Erfahrung – beleidigender Weise äußert. Alle Beamten seien gereizt, selbst wenn sie ruhig scheinen. Natürlich haben kleine Advokaten besonders viel darunter zu leiden. Man erzählt z. B. folgende Geschichte, die sehr den Anschein der Wahrheit hat. Ein alter Beamter, ein guter stiller Herr, hatte eine schwierige Gerichtssache, welche besonders durch die Eingaben des Advokaten verwickelt worden war, einen Tag und eine Nacht ununterbrochen studiert – diese Beamten sind tatsächlich fleißig, wie niemand sonst. Gegen Morgen nun, nach 24stündiger, wahrscheinlich nicht sehr ergiebiger Arbeit ging er zur Eingangstür, stellte sich dort in Hinterhalt und warf jeden Advokaten der eintreten wollte, die Treppe hinunter. Die Advokaten sammelten sich unten auf dem Treppenansatz und berieten, was sie tun sollten; einerseits haben sie keinen eigentlichen Anspruch darauf, eingelassen zu werden, können daher rechtlich gegen den Beamten kaum etwas unternehmen und müssen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0209" n="207"/> Verteidigung manches Wertvolle erfahren. Wundere sich K. noch, wenn er alles dieses im Auge behalte über die Gereiztheit der Beamten, die sich manchmal den Parteien gegenüber in – jeder mache diese Erfahrung – beleidigender Weise äußert. Alle Beamten seien gereizt, selbst wenn sie ruhig scheinen. Natürlich haben kleine Advokaten besonders viel darunter zu leiden. Man erzählt z. B. folgende Geschichte, die sehr den Anschein der Wahrheit hat. Ein alter Beamter, ein guter stiller Herr, hatte eine schwierige Gerichtssache, welche besonders durch die Eingaben des Advokaten verwickelt worden war, einen Tag und eine Nacht ununterbrochen studiert – diese Beamten sind tatsächlich fleißig, wie niemand sonst. Gegen Morgen nun, nach 24stündiger, wahrscheinlich nicht sehr ergiebiger Arbeit ging er zur Eingangstür, stellte sich dort in Hinterhalt und warf jeden Advokaten der eintreten wollte, die Treppe hinunter. Die Advokaten sammelten sich unten auf dem Treppenansatz und berieten, was sie tun sollten; einerseits haben sie keinen eigentlichen Anspruch darauf, eingelassen zu werden, können daher rechtlich gegen den Beamten kaum etwas unternehmen und müssen </p> </div> </body> </text> </TEI> [207/0209]
Verteidigung manches Wertvolle erfahren. Wundere sich K. noch, wenn er alles dieses im Auge behalte über die Gereiztheit der Beamten, die sich manchmal den Parteien gegenüber in – jeder mache diese Erfahrung – beleidigender Weise äußert. Alle Beamten seien gereizt, selbst wenn sie ruhig scheinen. Natürlich haben kleine Advokaten besonders viel darunter zu leiden. Man erzählt z. B. folgende Geschichte, die sehr den Anschein der Wahrheit hat. Ein alter Beamter, ein guter stiller Herr, hatte eine schwierige Gerichtssache, welche besonders durch die Eingaben des Advokaten verwickelt worden war, einen Tag und eine Nacht ununterbrochen studiert – diese Beamten sind tatsächlich fleißig, wie niemand sonst. Gegen Morgen nun, nach 24stündiger, wahrscheinlich nicht sehr ergiebiger Arbeit ging er zur Eingangstür, stellte sich dort in Hinterhalt und warf jeden Advokaten der eintreten wollte, die Treppe hinunter. Die Advokaten sammelten sich unten auf dem Treppenansatz und berieten, was sie tun sollten; einerseits haben sie keinen eigentlichen Anspruch darauf, eingelassen zu werden, können daher rechtlich gegen den Beamten kaum etwas unternehmen und müssen
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