Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.der Maler und warf das Hemd, das über der Staffelei hing, dem Brief nach auf das Bett. "Es ist ein Porträt. Eine gute Arbeit, aber noch nicht ganz fertig." Der Zufall war K. günstig, die Möglichkeit vom Gericht zu reden, wurde ihm förmlich angeboten, denn es war offenbar das Porträt eines Richters. Es war übrigens dem Bild im Arbeitszimmer des Advokaten auffallend ähnlich. Es handelte sich hier zwar um einen ganz andern Richter, einen dicken Mann mit schwarzem buschigen Vollbart, der seitlich weit die Wangen hinaufreichte, auch war jenes Bild ein Ölbild, dieses aber mit Pastellfarben schwach und undeutlich angesetzt. Aber alles übrige war ähnlich, denn auch hier wollte sich gerade der Richter von seinem Thronsessel, dessen Seitenlehnen er festhielt, drohend erheben. "Das ist ja ein Richter," hatte K. gleich sagen wollen, hielt sich dann aber vorläufig noch zurück und näherte sich dem Bild, als wolle er es in den Einzelheiten studieren. Eine große Figur, die in der Mitte über der Rückenlehne des Thronsessels stand, konnte er sich nicht erklären und fragte den Maler nach ihr. Sie müsse noch ein wenig ausgearbeitet werden, antwortete der Maler und warf das Hemd, das über der Staffelei hing, dem Brief nach auf das Bett. „Es ist ein Porträt. Eine gute Arbeit, aber noch nicht ganz fertig.“ Der Zufall war K. günstig, die Möglichkeit vom Gericht zu reden, wurde ihm förmlich angeboten, denn es war offenbar das Porträt eines Richters. Es war übrigens dem Bild im Arbeitszimmer des Advokaten auffallend ähnlich. Es handelte sich hier zwar um einen ganz andern Richter, einen dicken Mann mit schwarzem buschigen Vollbart, der seitlich weit die Wangen hinaufreichte, auch war jenes Bild ein Ölbild, dieses aber mit Pastellfarben schwach und undeutlich angesetzt. Aber alles übrige war ähnlich, denn auch hier wollte sich gerade der Richter von seinem Thronsessel, dessen Seitenlehnen er festhielt, drohend erheben. „Das ist ja ein Richter,“ hatte K. gleich sagen wollen, hielt sich dann aber vorläufig noch zurück und näherte sich dem Bild, als wolle er es in den Einzelheiten studieren. Eine große Figur, die in der Mitte über der Rückenlehne des Thronsessels stand, konnte er sich nicht erklären und fragte den Maler nach ihr. Sie müsse noch ein wenig ausgearbeitet werden, antwortete <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0255" n="253"/> der Maler und warf das Hemd, das über der Staffelei hing, dem Brief nach auf das Bett. „Es ist ein Porträt. Eine gute Arbeit, aber noch nicht ganz fertig.“ Der Zufall war K. günstig, die Möglichkeit vom Gericht zu reden, wurde ihm förmlich angeboten, denn es war offenbar das Porträt eines Richters. Es war übrigens dem Bild im Arbeitszimmer des Advokaten auffallend ähnlich. Es handelte sich hier zwar um einen ganz andern Richter, einen dicken Mann mit schwarzem buschigen Vollbart, der seitlich weit die Wangen hinaufreichte, auch war jenes Bild ein Ölbild, dieses aber mit Pastellfarben schwach und undeutlich angesetzt. Aber alles übrige war ähnlich, denn auch hier wollte sich gerade der Richter von seinem Thronsessel, dessen Seitenlehnen er festhielt, drohend erheben. „Das ist ja ein Richter,“ hatte K. gleich sagen wollen, hielt sich dann aber vorläufig noch zurück und näherte sich dem Bild, als wolle er es in den Einzelheiten studieren. Eine große Figur, die in der Mitte über der Rückenlehne des Thronsessels stand, konnte er sich nicht erklären und fragte den Maler nach ihr. Sie müsse noch ein wenig ausgearbeitet werden, antwortete </p> </div> </body> </text> </TEI> [253/0255]
der Maler und warf das Hemd, das über der Staffelei hing, dem Brief nach auf das Bett. „Es ist ein Porträt. Eine gute Arbeit, aber noch nicht ganz fertig.“ Der Zufall war K. günstig, die Möglichkeit vom Gericht zu reden, wurde ihm förmlich angeboten, denn es war offenbar das Porträt eines Richters. Es war übrigens dem Bild im Arbeitszimmer des Advokaten auffallend ähnlich. Es handelte sich hier zwar um einen ganz andern Richter, einen dicken Mann mit schwarzem buschigen Vollbart, der seitlich weit die Wangen hinaufreichte, auch war jenes Bild ein Ölbild, dieses aber mit Pastellfarben schwach und undeutlich angesetzt. Aber alles übrige war ähnlich, denn auch hier wollte sich gerade der Richter von seinem Thronsessel, dessen Seitenlehnen er festhielt, drohend erheben. „Das ist ja ein Richter,“ hatte K. gleich sagen wollen, hielt sich dann aber vorläufig noch zurück und näherte sich dem Bild, als wolle er es in den Einzelheiten studieren. Eine große Figur, die in der Mitte über der Rückenlehne des Thronsessels stand, konnte er sich nicht erklären und fragte den Maler nach ihr. Sie müsse noch ein wenig ausgearbeitet werden, antwortete
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