Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

Bild:
<< vorherige Seite

sind, werden Sie ihn auch nicht benötigen. Ich allein hole Sie heraus." "Wie wollen Sie das tun?" fragte K. "Da Sie doch vor kurzem selbst gesagt haben, daß das Gericht für Beweisgründe vollständig unzugänglich ist." "Unzugänglich nur für Beweisgründe, die man vor dem Gericht vorbringt," sagte der Maler und hob den Zeigefinger, als habe K. eine feine Unterscheidung nicht bemerkt. "Anders verhält es sich aber damit, was man in dieser Hinsicht hinter dem öffentlichen Gericht versucht, also in den Beratungszimmern, in den Korridoren oder z. B. auch hier im Atelier." Was der Maler jetzt sagte, schien K. nicht mehr so unglaubwürdig, es zeigte vielmehr eine große Übereinstimmung mit dem, was K. auch von andern Leuten gehört hatte. Ja, es war sogar sehr hoffnungsvoll. War der Richter durch persönliche Beziehungen wirklich so leicht zu lenken, wie es der Advokat dargestellt hatte, dann waren die Beziehungen des Malers zu den eitlen Richtern besonders wichtig und jedenfalls keineswegs zu unterschätzen. Dann fügte sich der Maler sehr gut in den Kreis von Helfern, die K. allmählich um sich versammelte. Man hatte einmal

sind, werden Sie ihn auch nicht benötigen. Ich allein hole Sie heraus.“ „Wie wollen Sie das tun?“ fragte K. „Da Sie doch vor kurzem selbst gesagt haben, daß das Gericht für Beweisgründe vollständig unzugänglich ist.“ „Unzugänglich nur für Beweisgründe, die man vor dem Gericht vorbringt,“ sagte der Maler und hob den Zeigefinger, als habe K. eine feine Unterscheidung nicht bemerkt. „Anders verhält es sich aber damit, was man in dieser Hinsicht hinter dem öffentlichen Gericht versucht, also in den Beratungszimmern, in den Korridoren oder z. B. auch hier im Atelier.“ Was der Maler jetzt sagte, schien K. nicht mehr so unglaubwürdig, es zeigte vielmehr eine große Übereinstimmung mit dem, was K. auch von andern Leuten gehört hatte. Ja, es war sogar sehr hoffnungsvoll. War der Richter durch persönliche Beziehungen wirklich so leicht zu lenken, wie es der Advokat dargestellt hatte, dann waren die Beziehungen des Malers zu den eitlen Richtern besonders wichtig und jedenfalls keineswegs zu unterschätzen. Dann fügte sich der Maler sehr gut in den Kreis von Helfern, die K. allmählich um sich versammelte. Man hatte einmal

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0265" n="263"/>
sind, werden Sie ihn auch nicht benötigen. Ich allein hole Sie heraus.&#x201C; &#x201E;Wie wollen Sie das tun?&#x201C; fragte K. &#x201E;Da Sie doch vor kurzem selbst gesagt haben, daß das Gericht für Beweisgründe vollständig unzugänglich ist.&#x201C; &#x201E;Unzugänglich nur für Beweisgründe, die man vor dem Gericht vorbringt,&#x201C; sagte der Maler und hob den Zeigefinger, als habe K. eine feine Unterscheidung nicht bemerkt. &#x201E;Anders verhält es sich aber damit, was man in dieser Hinsicht hinter dem öffentlichen Gericht versucht, also in den Beratungszimmern, in den Korridoren oder z. B. auch hier im Atelier.&#x201C; Was der Maler jetzt sagte, schien K. nicht mehr so unglaubwürdig, es zeigte vielmehr eine große Übereinstimmung mit dem, was K. auch von andern Leuten gehört hatte. Ja, es war sogar sehr hoffnungsvoll. War der Richter durch persönliche Beziehungen wirklich so leicht zu lenken, wie es der Advokat dargestellt hatte, dann waren die Beziehungen des Malers zu den eitlen Richtern besonders wichtig und jedenfalls keineswegs zu unterschätzen. Dann fügte sich der Maler sehr gut in den Kreis von Helfern, die K. allmählich um sich versammelte. Man hatte einmal
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0265] sind, werden Sie ihn auch nicht benötigen. Ich allein hole Sie heraus.“ „Wie wollen Sie das tun?“ fragte K. „Da Sie doch vor kurzem selbst gesagt haben, daß das Gericht für Beweisgründe vollständig unzugänglich ist.“ „Unzugänglich nur für Beweisgründe, die man vor dem Gericht vorbringt,“ sagte der Maler und hob den Zeigefinger, als habe K. eine feine Unterscheidung nicht bemerkt. „Anders verhält es sich aber damit, was man in dieser Hinsicht hinter dem öffentlichen Gericht versucht, also in den Beratungszimmern, in den Korridoren oder z. B. auch hier im Atelier.“ Was der Maler jetzt sagte, schien K. nicht mehr so unglaubwürdig, es zeigte vielmehr eine große Übereinstimmung mit dem, was K. auch von andern Leuten gehört hatte. Ja, es war sogar sehr hoffnungsvoll. War der Richter durch persönliche Beziehungen wirklich so leicht zu lenken, wie es der Advokat dargestellt hatte, dann waren die Beziehungen des Malers zu den eitlen Richtern besonders wichtig und jedenfalls keineswegs zu unterschätzen. Dann fügte sich der Maler sehr gut in den Kreis von Helfern, die K. allmählich um sich versammelte. Man hatte einmal

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-28T19:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-28T19:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Trennungen am Zeilen- und am Seitenende werden aufgelöst, der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/265
Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/265>, abgerufen am 21.11.2024.