Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925."Ich war gerade im Wartezimmer, als Sie durchgingen." "Was für ein Zufall das ist!" rief K. ganz hingenommen und die frühere Lächerlichkeit des Kaufmanns ganz vergessend, "Sie haben mich also gesehn! Sie waren im Wartezimmer, als ich durchging. Ja, ich bin dort einmal durchgegangen." "Es ist kein so großer Zufall," sagte der Kaufmann, "ich bin dort fast jeden Tag." "Ich werde nun wahrscheinlich auch öfters hingehn müssen," sagte K., "nur werde ich wohl kaum mehr so ehrenvoll aufgenommen werden wie damals. Alle standen auf. Man dachte wohl, ich sei ein Richter." "Nein," sagte der Kaufmann, "wir grüßten damals den Gerichtsdiener. Daß Sie ein Angeklagter sind, das wußten wir. Solche Nachrichten verbreiten sich sehr rasch." "Das wußten Sie also schon," sagte K., "dann erschien Ihnen aber mein Benehmen vielleicht hochmütig. Sprach man sich nicht darüber aus?" "Nein," sagte der Kaufmann, "im Gegenteil. Aber das sind Dummheiten." "Was für Dummheiten denn?" fragte K. "Warum fragen Sie danach?" sagte der Kaufmann ärgerlich. "Sie scheinen die Leute dort noch nicht zu kennen und werden es vielleicht unrichtig auffassen. Sie müssen „Ich war gerade im Wartezimmer, als Sie durchgingen.“ „Was für ein Zufall das ist!“ rief K. ganz hingenommen und die frühere Lächerlichkeit des Kaufmanns ganz vergessend, „Sie haben mich also gesehn! Sie waren im Wartezimmer, als ich durchging. Ja, ich bin dort einmal durchgegangen.“ „Es ist kein so großer Zufall,“ sagte der Kaufmann, „ich bin dort fast jeden Tag.“ „Ich werde nun wahrscheinlich auch öfters hingehn müssen,“ sagte K., „nur werde ich wohl kaum mehr so ehrenvoll aufgenommen werden wie damals. Alle standen auf. Man dachte wohl, ich sei ein Richter.“ „Nein,“ sagte der Kaufmann, „wir grüßten damals den Gerichtsdiener. Daß Sie ein Angeklagter sind, das wußten wir. Solche Nachrichten verbreiten sich sehr rasch.“ „Das wußten Sie also schon,“ sagte K., „dann erschien Ihnen aber mein Benehmen vielleicht hochmütig. Sprach man sich nicht darüber aus?“ „Nein,“ sagte der Kaufmann, „im Gegenteil. Aber das sind Dummheiten.“ „Was für Dummheiten denn?“ fragte K. „Warum fragen Sie danach?“ sagte der Kaufmann ärgerlich. „Sie scheinen die Leute dort noch nicht zu kennen und werden es vielleicht unrichtig auffassen. Sie müssen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0306" n="304"/> „Ich war gerade im Wartezimmer, als Sie durchgingen.“ „Was für ein Zufall das ist!“ rief K. ganz hingenommen und die frühere Lächerlichkeit des Kaufmanns ganz vergessend, „Sie haben mich also gesehn! Sie waren im Wartezimmer, als ich durchging. Ja, ich bin dort einmal durchgegangen.“ „Es ist kein so großer Zufall,“ sagte der Kaufmann, „ich bin dort fast jeden Tag.“ „Ich werde nun wahrscheinlich auch öfters hingehn müssen,“ sagte K., „nur werde ich wohl kaum mehr so ehrenvoll aufgenommen werden wie damals. Alle standen auf. Man dachte wohl, ich sei ein Richter.“ „Nein,“ sagte der Kaufmann, „wir grüßten damals den Gerichtsdiener. Daß Sie ein Angeklagter sind, das wußten wir. Solche Nachrichten verbreiten sich sehr rasch.“ „Das wußten Sie also schon,“ sagte K., „dann erschien Ihnen aber mein Benehmen vielleicht hochmütig. Sprach man sich nicht darüber aus?“ „Nein,“ sagte der Kaufmann, „im Gegenteil. Aber das sind Dummheiten.“ „Was für Dummheiten denn?“ fragte K. „Warum fragen Sie danach?“ sagte der Kaufmann ärgerlich. „Sie scheinen die Leute dort noch nicht zu kennen und werden es vielleicht unrichtig auffassen. Sie müssen </p> </div> </body> </text> </TEI> [304/0306]
„Ich war gerade im Wartezimmer, als Sie durchgingen.“ „Was für ein Zufall das ist!“ rief K. ganz hingenommen und die frühere Lächerlichkeit des Kaufmanns ganz vergessend, „Sie haben mich also gesehn! Sie waren im Wartezimmer, als ich durchging. Ja, ich bin dort einmal durchgegangen.“ „Es ist kein so großer Zufall,“ sagte der Kaufmann, „ich bin dort fast jeden Tag.“ „Ich werde nun wahrscheinlich auch öfters hingehn müssen,“ sagte K., „nur werde ich wohl kaum mehr so ehrenvoll aufgenommen werden wie damals. Alle standen auf. Man dachte wohl, ich sei ein Richter.“ „Nein,“ sagte der Kaufmann, „wir grüßten damals den Gerichtsdiener. Daß Sie ein Angeklagter sind, das wußten wir. Solche Nachrichten verbreiten sich sehr rasch.“ „Das wußten Sie also schon,“ sagte K., „dann erschien Ihnen aber mein Benehmen vielleicht hochmütig. Sprach man sich nicht darüber aus?“ „Nein,“ sagte der Kaufmann, „im Gegenteil. Aber das sind Dummheiten.“ „Was für Dummheiten denn?“ fragte K. „Warum fragen Sie danach?“ sagte der Kaufmann ärgerlich. „Sie scheinen die Leute dort noch nicht zu kennen und werden es vielleicht unrichtig auffassen. Sie müssen
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