Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ich war gerade im Wartezimmer, als Sie durchgingen." "Was für ein Zufall das ist!" rief K. ganz hingenommen und die frühere Lächerlichkeit des Kaufmanns ganz vergessend, "Sie haben mich also gesehn! Sie waren im Wartezimmer, als ich durchging. Ja, ich bin dort einmal durchgegangen." "Es ist kein so großer Zufall," sagte der Kaufmann, "ich bin dort fast jeden Tag." "Ich werde nun wahrscheinlich auch öfters hingehn müssen," sagte K., "nur werde ich wohl kaum mehr so ehrenvoll aufgenommen werden wie damals. Alle standen auf. Man dachte wohl, ich sei ein Richter." "Nein," sagte der Kaufmann, "wir grüßten damals den Gerichtsdiener. Daß Sie ein Angeklagter sind, das wußten wir. Solche Nachrichten verbreiten sich sehr rasch." "Das wußten Sie also schon," sagte K., "dann erschien Ihnen aber mein Benehmen vielleicht hochmütig. Sprach man sich nicht darüber aus?" "Nein," sagte der Kaufmann, "im Gegenteil. Aber das sind Dummheiten." "Was für Dummheiten denn?" fragte K. "Warum fragen Sie danach?" sagte der Kaufmann ärgerlich. "Sie scheinen die Leute dort noch nicht zu kennen und werden es vielleicht unrichtig auffassen. Sie müssen

„Ich war gerade im Wartezimmer, als Sie durchgingen.“ „Was für ein Zufall das ist!“ rief K. ganz hingenommen und die frühere Lächerlichkeit des Kaufmanns ganz vergessend, „Sie haben mich also gesehn! Sie waren im Wartezimmer, als ich durchging. Ja, ich bin dort einmal durchgegangen.“ „Es ist kein so großer Zufall,“ sagte der Kaufmann, „ich bin dort fast jeden Tag.“ „Ich werde nun wahrscheinlich auch öfters hingehn müssen,“ sagte K., „nur werde ich wohl kaum mehr so ehrenvoll aufgenommen werden wie damals. Alle standen auf. Man dachte wohl, ich sei ein Richter.“ „Nein,“ sagte der Kaufmann, „wir grüßten damals den Gerichtsdiener. Daß Sie ein Angeklagter sind, das wußten wir. Solche Nachrichten verbreiten sich sehr rasch.“ „Das wußten Sie also schon,“ sagte K., „dann erschien Ihnen aber mein Benehmen vielleicht hochmütig. Sprach man sich nicht darüber aus?“ „Nein,“ sagte der Kaufmann, „im Gegenteil. Aber das sind Dummheiten.“ „Was für Dummheiten denn?“ fragte K. „Warum fragen Sie danach?“ sagte der Kaufmann ärgerlich. „Sie scheinen die Leute dort noch nicht zu kennen und werden es vielleicht unrichtig auffassen. Sie müssen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0306" n="304"/>
&#x201E;Ich war gerade im Wartezimmer, als Sie durchgingen.&#x201C; &#x201E;Was für ein Zufall das ist!&#x201C; rief K. ganz hingenommen und die frühere Lächerlichkeit des Kaufmanns ganz vergessend, &#x201E;Sie haben mich also gesehn! Sie waren im Wartezimmer, als ich durchging. Ja, ich bin dort einmal durchgegangen.&#x201C; &#x201E;Es ist kein so großer Zufall,&#x201C; sagte der Kaufmann, &#x201E;ich bin dort fast jeden Tag.&#x201C; &#x201E;Ich werde nun wahrscheinlich auch öfters hingehn müssen,&#x201C; sagte K., &#x201E;nur werde ich wohl kaum mehr so ehrenvoll aufgenommen werden wie damals. Alle standen auf. Man dachte wohl, ich sei ein Richter.&#x201C; &#x201E;Nein,&#x201C; sagte der Kaufmann, &#x201E;wir grüßten damals den Gerichtsdiener. Daß Sie ein Angeklagter sind, das wußten wir. Solche Nachrichten verbreiten sich sehr rasch.&#x201C; &#x201E;Das wußten Sie also schon,&#x201C; sagte K., &#x201E;dann erschien Ihnen aber mein Benehmen vielleicht hochmütig. Sprach man sich nicht darüber aus?&#x201C; &#x201E;Nein,&#x201C; sagte der Kaufmann, &#x201E;im Gegenteil. Aber das sind Dummheiten.&#x201C; &#x201E;Was für Dummheiten denn?&#x201C; fragte K. &#x201E;Warum fragen Sie danach?&#x201C; sagte der Kaufmann ärgerlich. &#x201E;Sie scheinen die Leute dort noch nicht zu kennen und werden es vielleicht unrichtig auffassen. Sie müssen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0306] „Ich war gerade im Wartezimmer, als Sie durchgingen.“ „Was für ein Zufall das ist!“ rief K. ganz hingenommen und die frühere Lächerlichkeit des Kaufmanns ganz vergessend, „Sie haben mich also gesehn! Sie waren im Wartezimmer, als ich durchging. Ja, ich bin dort einmal durchgegangen.“ „Es ist kein so großer Zufall,“ sagte der Kaufmann, „ich bin dort fast jeden Tag.“ „Ich werde nun wahrscheinlich auch öfters hingehn müssen,“ sagte K., „nur werde ich wohl kaum mehr so ehrenvoll aufgenommen werden wie damals. Alle standen auf. Man dachte wohl, ich sei ein Richter.“ „Nein,“ sagte der Kaufmann, „wir grüßten damals den Gerichtsdiener. Daß Sie ein Angeklagter sind, das wußten wir. Solche Nachrichten verbreiten sich sehr rasch.“ „Das wußten Sie also schon,“ sagte K., „dann erschien Ihnen aber mein Benehmen vielleicht hochmütig. Sprach man sich nicht darüber aus?“ „Nein,“ sagte der Kaufmann, „im Gegenteil. Aber das sind Dummheiten.“ „Was für Dummheiten denn?“ fragte K. „Warum fragen Sie danach?“ sagte der Kaufmann ärgerlich. „Sie scheinen die Leute dort noch nicht zu kennen und werden es vielleicht unrichtig auffassen. Sie müssen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-28T19:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-28T19:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Trennungen am Zeilen- und am Seitenende werden aufgelöst, der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/306
Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/306>, abgerufen am 23.11.2024.