ein Bündel Papiere, wahrscheinlich Prozeßschriften. "Sie schlafen im Dienstmädchenzimmer?" fragte K. und wendete sich zum Kaufmann zurück. "Leni hat es mir eingeräumt," antwortete der Kaufmann, "es ist sehr vorteilhaft." K. sah ihn lange an; der erste Eindruck, den er von dem Kaufmann erhalten hatte, war vielleicht doch der richtige gewesen; Erfahrungen hatte er, denn sein Prozeß dauerte schon lange, aber er hatte diese Erfahrungen teuer bezahlt. Plötzlich ertrug K. den Anblick des Kaufmanns nicht mehr. "Bring ihn doch ins Bett," rief er Leni zu, die ihn gar nicht zu verstehen schien. Er selbst aber wollte zum Advokaten gehn und durch die Kündigung sich nicht nur vom Advokaten, sondern auch von Leni und dem Kaufmann befreien. Aber noch ehe er zur Tür gekommen war, sprach ihn der Kaufmann mit leiser Stimme an: "Herr Prokurist," K. wandte sich mit bösem Gesichte um. "Sie haben Ihr Versprechen vergessen," sagte der Kaufmann und streckte sich von seinem Sitz aus bittend K. entgegen. "Sie wollten mir auch ein Geheimnis sagen. "Wahrhaftig," sagte K. und streifte auch Leni, die ihn aufmerksam ansah mit einem Blick, "also hören
ein Bündel Papiere, wahrscheinlich Prozeßschriften. „Sie schlafen im Dienstmädchenzimmer?“ fragte K. und wendete sich zum Kaufmann zurück. „Leni hat es mir eingeräumt,“ antwortete der Kaufmann, „es ist sehr vorteilhaft.“ K. sah ihn lange an; der erste Eindruck, den er von dem Kaufmann erhalten hatte, war vielleicht doch der richtige gewesen; Erfahrungen hatte er, denn sein Prozeß dauerte schon lange, aber er hatte diese Erfahrungen teuer bezahlt. Plötzlich ertrug K. den Anblick des Kaufmanns nicht mehr. „Bring ihn doch ins Bett,“ rief er Leni zu, die ihn gar nicht zu verstehen schien. Er selbst aber wollte zum Advokaten gehn und durch die Kündigung sich nicht nur vom Advokaten, sondern auch von Leni und dem Kaufmann befreien. Aber noch ehe er zur Tür gekommen war, sprach ihn der Kaufmann mit leiser Stimme an: „Herr Prokurist,“ K. wandte sich mit bösem Gesichte um. „Sie haben Ihr Versprechen vergessen,“ sagte der Kaufmann und streckte sich von seinem Sitz aus bittend K. entgegen. „Sie wollten mir auch ein Geheimnis sagen. „Wahrhaftig,“ sagte K. und streifte auch Leni, die ihn aufmerksam ansah mit einem Blick, „also hören
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0321"n="319"/>
ein Bündel Papiere, wahrscheinlich Prozeßschriften. „Sie schlafen im Dienstmädchenzimmer?“ fragte K. und wendete sich zum Kaufmann zurück. „Leni hat es mir eingeräumt,“ antwortete der Kaufmann, „es ist sehr vorteilhaft.“ K. sah ihn lange an; der erste Eindruck, den er von dem Kaufmann erhalten hatte, war vielleicht doch der richtige gewesen; Erfahrungen hatte er, denn sein Prozeß dauerte schon lange, aber er hatte diese Erfahrungen teuer bezahlt. Plötzlich ertrug K. den Anblick des Kaufmanns nicht mehr. „Bring ihn doch ins Bett,“ rief er Leni zu, die ihn gar nicht zu verstehen schien. Er selbst aber wollte zum Advokaten gehn und durch die Kündigung sich nicht nur vom Advokaten, sondern auch von Leni und dem Kaufmann befreien. Aber noch ehe er zur Tür gekommen war, sprach ihn der Kaufmann mit leiser Stimme an: „Herr Prokurist,“ K. wandte sich mit bösem Gesichte um. „Sie haben Ihr Versprechen vergessen,“ sagte der Kaufmann und streckte sich von seinem Sitz aus bittend K. entgegen. „Sie wollten mir auch ein Geheimnis sagen. „Wahrhaftig,“ sagte K. und streifte auch Leni, die ihn aufmerksam ansah mit einem Blick, „also hören
</p></div></body></text></TEI>
[319/0321]
ein Bündel Papiere, wahrscheinlich Prozeßschriften. „Sie schlafen im Dienstmädchenzimmer?“ fragte K. und wendete sich zum Kaufmann zurück. „Leni hat es mir eingeräumt,“ antwortete der Kaufmann, „es ist sehr vorteilhaft.“ K. sah ihn lange an; der erste Eindruck, den er von dem Kaufmann erhalten hatte, war vielleicht doch der richtige gewesen; Erfahrungen hatte er, denn sein Prozeß dauerte schon lange, aber er hatte diese Erfahrungen teuer bezahlt. Plötzlich ertrug K. den Anblick des Kaufmanns nicht mehr. „Bring ihn doch ins Bett,“ rief er Leni zu, die ihn gar nicht zu verstehen schien. Er selbst aber wollte zum Advokaten gehn und durch die Kündigung sich nicht nur vom Advokaten, sondern auch von Leni und dem Kaufmann befreien. Aber noch ehe er zur Tür gekommen war, sprach ihn der Kaufmann mit leiser Stimme an: „Herr Prokurist,“ K. wandte sich mit bösem Gesichte um. „Sie haben Ihr Versprechen vergessen,“ sagte der Kaufmann und streckte sich von seinem Sitz aus bittend K. entgegen. „Sie wollten mir auch ein Geheimnis sagen. „Wahrhaftig,“ sagte K. und streifte auch Leni, die ihn aufmerksam ansah mit einem Blick, „also hören
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-28T19:24:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat
(2012-11-28T19:24:31Z)
Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/321>, abgerufen am 19.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.