Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.nachlässig behandelt. Auch dieses Letztere hat seinen Grund; es ist oft besser in Ketten als frei zu sein. Aber ich möchte Ihnen doch zeigen, wie andere Angeklagte behandelt werden, vielleicht gelingt es Ihnen, daraus eine Lehre zu nehmen. Ich werde jetzt nämlich Block vorrufen, sperren Sie die Tür auf und setzen Sie sich hier neben den Nachttisch." "Gerne," sagte K. und tat, was der Advokat verlangt hatte; zu lernen war er immer bereit. Um sich aber für jeden Fall zu sichern, fragte er noch: "Sie haben aber zur Kenntnis genommen, daß ich Ihnen meine Vertretung entziehe?" "Ja," sagte der Advokat, "Sie können es aber heute noch rückgängig machen." Er legte sich wieder ins Bett zurück, zog das Federbett bis zum Knie und drehte sich der Wand zu. Dann läutete er. Fast gleichzeitig mit dem Glockenzeichen erschien Leni, sie suchte durch rasche Blicke zu erfahren, was geschehen war; daß K. still beim Bett des Advokaten saß, schien ihr beruhigend. Sie nickte K., der sie starr ansah, lächelnd zu. "Hole Block," sagte der Advokat. Statt ihn aber zu holen, trat sie nur vor die Tür, rief: "Block! Zum Advokaten!" und schlüpfte dann, wahrscheinlich nachlässig behandelt. Auch dieses Letztere hat seinen Grund; es ist oft besser in Ketten als frei zu sein. Aber ich möchte Ihnen doch zeigen, wie andere Angeklagte behandelt werden, vielleicht gelingt es Ihnen, daraus eine Lehre zu nehmen. Ich werde jetzt nämlich Block vorrufen, sperren Sie die Tür auf und setzen Sie sich hier neben den Nachttisch.“ „Gerne,“ sagte K. und tat, was der Advokat verlangt hatte; zu lernen war er immer bereit. Um sich aber für jeden Fall zu sichern, fragte er noch: „Sie haben aber zur Kenntnis genommen, daß ich Ihnen meine Vertretung entziehe?“ „Ja,“ sagte der Advokat, „Sie können es aber heute noch rückgängig machen.“ Er legte sich wieder ins Bett zurück, zog das Federbett bis zum Knie und drehte sich der Wand zu. Dann läutete er. Fast gleichzeitig mit dem Glockenzeichen erschien Leni, sie suchte durch rasche Blicke zu erfahren, was geschehen war; daß K. still beim Bett des Advokaten saß, schien ihr beruhigend. Sie nickte K., der sie starr ansah, lächelnd zu. „Hole Block,“ sagte der Advokat. Statt ihn aber zu holen, trat sie nur vor die Tür, rief: „Block! Zum Advokaten!“ und schlüpfte dann, wahrscheinlich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0334" n="332"/> nachlässig behandelt. Auch dieses Letztere hat seinen Grund; es ist oft besser in Ketten als frei zu sein. Aber ich möchte Ihnen doch zeigen, wie andere Angeklagte behandelt werden, vielleicht gelingt es Ihnen, daraus eine Lehre zu nehmen. Ich werde jetzt nämlich Block vorrufen, sperren Sie die Tür auf und setzen Sie sich hier neben den Nachttisch.“ „Gerne,“ sagte K. und tat, was der Advokat verlangt hatte; zu lernen war er immer bereit. Um sich aber für jeden Fall zu sichern, fragte er noch: „Sie haben aber zur Kenntnis genommen, daß ich Ihnen meine Vertretung entziehe?“ „Ja,“ sagte der Advokat, „Sie können es aber heute noch rückgängig machen.“ Er legte sich wieder ins Bett zurück, zog das Federbett bis zum Knie und drehte sich der Wand zu. Dann läutete er.</p> <p>Fast gleichzeitig mit dem Glockenzeichen erschien Leni, sie suchte durch rasche Blicke zu erfahren, was geschehen war; daß K. still beim Bett des Advokaten saß, schien ihr beruhigend. Sie nickte K., der sie starr ansah, lächelnd zu. „Hole Block,“ sagte der Advokat. Statt ihn aber zu holen, trat sie nur vor die Tür, rief: „Block! Zum Advokaten!“ und schlüpfte dann, wahrscheinlich </p> </div> </body> </text> </TEI> [332/0334]
nachlässig behandelt. Auch dieses Letztere hat seinen Grund; es ist oft besser in Ketten als frei zu sein. Aber ich möchte Ihnen doch zeigen, wie andere Angeklagte behandelt werden, vielleicht gelingt es Ihnen, daraus eine Lehre zu nehmen. Ich werde jetzt nämlich Block vorrufen, sperren Sie die Tür auf und setzen Sie sich hier neben den Nachttisch.“ „Gerne,“ sagte K. und tat, was der Advokat verlangt hatte; zu lernen war er immer bereit. Um sich aber für jeden Fall zu sichern, fragte er noch: „Sie haben aber zur Kenntnis genommen, daß ich Ihnen meine Vertretung entziehe?“ „Ja,“ sagte der Advokat, „Sie können es aber heute noch rückgängig machen.“ Er legte sich wieder ins Bett zurück, zog das Federbett bis zum Knie und drehte sich der Wand zu. Dann läutete er.
Fast gleichzeitig mit dem Glockenzeichen erschien Leni, sie suchte durch rasche Blicke zu erfahren, was geschehen war; daß K. still beim Bett des Advokaten saß, schien ihr beruhigend. Sie nickte K., der sie starr ansah, lächelnd zu. „Hole Block,“ sagte der Advokat. Statt ihn aber zu holen, trat sie nur vor die Tür, rief: „Block! Zum Advokaten!“ und schlüpfte dann, wahrscheinlich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-28T19:24:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat
(2012-11-28T19:24:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |