Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

Bild:
<< vorherige Seite

ihr Zimmer gehen, in das K. gewiß um Mitternacht nicht eindringen durfte; er mußte sie also jetzt ansprechen, hatte aber unglücklicherweise versäumt, das elektrische Licht in seinem Zimmer anzudrehen, so daß sein Vortreten aus dem dunklen Zimmer den Anschein eines Überfalls hatte und wenigstens sehr erschrecken mußte. In seiner Hilflosigkeit und da keine Zeit zu verlieren war, flüsterte er durch den Türspalt: "Fräulein Bürstner." Es klang wie eine Bitte, nicht wie ein Anruf. "Ist jemand hier," fragte Fräulein Bürstner und sah sich mit großen Augen um. "Ich bin es," sagte K. und trat vor. "Ach, Herr K.!" sagte Fräulein Bürstner lächelnd. "Guten Abend" und sie reichte ihm die Hand. "Ich wollte ein paar Worte mit Ihnen sprechen, wollen Sie mir das jetzt erlauben?" "Jetzt?" fragte Fräulein Bürstner, "muß es jetzt sein? Es ist ein wenig sonderbar, nicht?" "Ich warte seit 9 Uhr auf Sie." "Nun ja, ich war im Theater, ich wußte doch nichts von Ihnen." "Der Anlaß für das, was ich Ihnen sagen will, hat sich erst heute ergeben." "So, nun ich habe ja nichts Grundsätzliches dagegen, außer daß ich zum Hinfallen müde bin. Also kommen Sie auf ein paar

ihr Zimmer gehen, in das K. gewiß um Mitternacht nicht eindringen durfte; er mußte sie also jetzt ansprechen, hatte aber unglücklicherweise versäumt, das elektrische Licht in seinem Zimmer anzudrehen, so daß sein Vortreten aus dem dunklen Zimmer den Anschein eines Überfalls hatte und wenigstens sehr erschrecken mußte. In seiner Hilflosigkeit und da keine Zeit zu verlieren war, flüsterte er durch den Türspalt: „Fräulein Bürstner.“ Es klang wie eine Bitte, nicht wie ein Anruf. „Ist jemand hier,“ fragte Fräulein Bürstner und sah sich mit großen Augen um. „Ich bin es,“ sagte K. und trat vor. „Ach, Herr K.!“ sagte Fräulein Bürstner lächelnd. „Guten Abend“ und sie reichte ihm die Hand. „Ich wollte ein paar Worte mit Ihnen sprechen, wollen Sie mir das jetzt erlauben?“ „Jetzt?“ fragte Fräulein Bürstner, „muß es jetzt sein? Es ist ein wenig sonderbar, nicht?“ „Ich warte seit 9 Uhr auf Sie.“ „Nun ja, ich war im Theater, ich wußte doch nichts von Ihnen.“ „Der Anlaß für das, was ich Ihnen sagen will, hat sich erst heute ergeben.“ „So, nun ich habe ja nichts Grundsätzliches dagegen, außer daß ich zum Hinfallen müde bin. Also kommen Sie auf ein paar

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0043" n="41"/>
ihr Zimmer gehen, in das K. gewiß um Mitternacht nicht eindringen durfte; er mußte sie also jetzt ansprechen, hatte aber unglücklicherweise versäumt, das elektrische Licht in seinem Zimmer anzudrehen, so daß sein Vortreten aus dem dunklen Zimmer den Anschein eines Überfalls hatte und wenigstens sehr erschrecken mußte. In seiner Hilflosigkeit und da keine Zeit zu verlieren war, flüsterte er durch den Türspalt: &#x201E;Fräulein Bürstner.&#x201C; Es klang wie eine Bitte, nicht wie ein Anruf. &#x201E;Ist jemand hier,&#x201C; fragte Fräulein Bürstner und sah sich mit großen Augen um. &#x201E;Ich bin es,&#x201C; sagte K. und trat vor. &#x201E;Ach, Herr K.!&#x201C; sagte Fräulein Bürstner lächelnd. &#x201E;Guten Abend&#x201C; und sie reichte ihm die Hand. &#x201E;Ich wollte ein paar Worte mit Ihnen sprechen, wollen Sie mir das jetzt erlauben?&#x201C; &#x201E;Jetzt?&#x201C; fragte Fräulein Bürstner, &#x201E;muß es jetzt sein? Es ist ein wenig sonderbar, nicht?&#x201C; &#x201E;Ich warte seit 9 Uhr auf Sie.&#x201C; &#x201E;Nun ja, ich war im Theater, ich wußte doch nichts von Ihnen.&#x201C; &#x201E;Der Anlaß für das, was ich Ihnen sagen will, hat sich erst heute ergeben.&#x201C; &#x201E;So, nun ich habe ja nichts Grundsätzliches dagegen, außer daß ich zum Hinfallen müde bin. Also kommen Sie auf ein paar
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0043] ihr Zimmer gehen, in das K. gewiß um Mitternacht nicht eindringen durfte; er mußte sie also jetzt ansprechen, hatte aber unglücklicherweise versäumt, das elektrische Licht in seinem Zimmer anzudrehen, so daß sein Vortreten aus dem dunklen Zimmer den Anschein eines Überfalls hatte und wenigstens sehr erschrecken mußte. In seiner Hilflosigkeit und da keine Zeit zu verlieren war, flüsterte er durch den Türspalt: „Fräulein Bürstner.“ Es klang wie eine Bitte, nicht wie ein Anruf. „Ist jemand hier,“ fragte Fräulein Bürstner und sah sich mit großen Augen um. „Ich bin es,“ sagte K. und trat vor. „Ach, Herr K.!“ sagte Fräulein Bürstner lächelnd. „Guten Abend“ und sie reichte ihm die Hand. „Ich wollte ein paar Worte mit Ihnen sprechen, wollen Sie mir das jetzt erlauben?“ „Jetzt?“ fragte Fräulein Bürstner, „muß es jetzt sein? Es ist ein wenig sonderbar, nicht?“ „Ich warte seit 9 Uhr auf Sie.“ „Nun ja, ich war im Theater, ich wußte doch nichts von Ihnen.“ „Der Anlaß für das, was ich Ihnen sagen will, hat sich erst heute ergeben.“ „So, nun ich habe ja nichts Grundsätzliches dagegen, außer daß ich zum Hinfallen müde bin. Also kommen Sie auf ein paar

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-28T19:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-28T19:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Trennungen am Zeilen- und am Seitenende werden aufgelöst, der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/43
Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/43>, abgerufen am 21.11.2024.