Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

Bild:
<< vorherige Seite
Allgemeine Naturgeschichte
Achtes Hauptstück,
Allgemeiner Beweis von der Richtigkeit
einer mechanischen Lehrverfassung, der Einrich-
tung des Weltbaues überhaupt, insonderheit
von der Gewißheit der gegen-
wärtigen.

Man kan das Weltgebäude nicht ansehen, ohne
die treflichste Anordnung in ihrer Einrich-
tung, und die sicheren Merkmaale der Hand GOt-
tes, in der Vollkommenheit ihrer Beziehungen, zu
kennen. Die Vernunft, nachdem sie so viel
Schönheit, so viel Treflichkeit erwogen und bewun-
dert hat, entrüstet sich mit Recht über die kühne
Thorheit, welche sich unterstehen darf, alles dieses
dem Zufalle, und einem glücklichen Ohngefehr, zu-
zuschreiben. Es muß die höchste Weisheit den Ent-
wurf gemacht, und eine unendliche Macht selbige
ausgeführet haben, sonst wäre es unmöglich, so
viele in einem Zweck zusammen kommende Absich-
ten, in der Verfassung des Weltgebäudes, anzu-
treffen. Es kommt nur noch darauf an, zu ent-
scheiden, ob der Entwurf der Einrichtung des Uni-
versi
von dem höchsten Verstande schon in die we-
sentliche Bestimmungen der ewigen Naturen ge-
legt, und in die allgemeine Bewegungsgesetze ge-
pflanzet sey, um sich aus ihnen, auf eine der voll-
kommensten Ordnung anständige Art, ungezwun-
gen zu entwickeln; oder ob die allgemeine Eigen-
schaften der Bestandtheile der Welt die völlige Un-

fähig-
Allgemeine Naturgeſchichte
Achtes Hauptſtuͤck,
Allgemeiner Beweis von der Richtigkeit
einer mechaniſchen Lehrverfaſſung, der Einrich-
tung des Weltbaues uͤberhaupt, inſonderheit
von der Gewißheit der gegen-
waͤrtigen.

Man kan das Weltgebaͤude nicht anſehen, ohne
die treflichſte Anordnung in ihrer Einrich-
tung, und die ſicheren Merkmaale der Hand GOt-
tes, in der Vollkommenheit ihrer Beziehungen, zu
kennen. Die Vernunft, nachdem ſie ſo viel
Schoͤnheit, ſo viel Treflichkeit erwogen und bewun-
dert hat, entruͤſtet ſich mit Recht uͤber die kuͤhne
Thorheit, welche ſich unterſtehen darf, alles dieſes
dem Zufalle, und einem gluͤcklichen Ohngefehr, zu-
zuſchreiben. Es muß die hoͤchſte Weisheit den Ent-
wurf gemacht, und eine unendliche Macht ſelbige
ausgefuͤhret haben, ſonſt waͤre es unmoͤglich, ſo
viele in einem Zweck zuſammen kommende Abſich-
ten, in der Verfaſſung des Weltgebaͤudes, anzu-
treffen. Es kommt nur noch darauf an, zu ent-
ſcheiden, ob der Entwurf der Einrichtung des Uni-
verſi
von dem hoͤchſten Verſtande ſchon in die we-
ſentliche Beſtimmungen der ewigen Naturen ge-
legt, und in die allgemeine Bewegungsgeſetze ge-
pflanzet ſey, um ſich aus ihnen, auf eine der voll-
kommenſten Ordnung anſtaͤndige Art, ungezwun-
gen zu entwickeln; oder ob die allgemeine Eigen-
ſchaften der Beſtandtheile der Welt die voͤllige Un-

faͤhig-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0212" n="144"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Allgemeine Naturge&#x017F;chichte</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Achtes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck,<lb/>
Allgemeiner Beweis von der Richtigkeit<lb/>
einer mechani&#x017F;chen Lehrverfa&#x017F;&#x017F;ung, der Einrich-<lb/>
tung des Weltbaues u&#x0364;berhaupt, in&#x017F;onderheit<lb/>
von der Gewißheit der gegen-<lb/>
wa&#x0364;rtigen.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">M</hi>an kan das Weltgeba&#x0364;ude nicht an&#x017F;ehen, ohne<lb/>
die treflich&#x017F;te Anordnung in ihrer Einrich-<lb/>
tung, und die &#x017F;icheren Merkmaale der Hand GOt-<lb/>
tes, in der Vollkommenheit ihrer Beziehungen, zu<lb/>
kennen. Die Vernunft, nachdem &#x017F;ie &#x017F;o viel<lb/>
Scho&#x0364;nheit, &#x017F;o viel Treflichkeit erwogen und bewun-<lb/>
dert hat, entru&#x0364;&#x017F;tet &#x017F;ich mit Recht u&#x0364;ber die ku&#x0364;hne<lb/>
Thorheit, welche &#x017F;ich unter&#x017F;tehen darf, alles die&#x017F;es<lb/>
dem Zufalle, und einem glu&#x0364;cklichen Ohngefehr, zu-<lb/>
zu&#x017F;chreiben. Es muß die ho&#x0364;ch&#x017F;te Weisheit den Ent-<lb/>
wurf gemacht, und eine unendliche Macht &#x017F;elbige<lb/>
ausgefu&#x0364;hret haben, &#x017F;on&#x017F;t wa&#x0364;re es unmo&#x0364;glich, &#x017F;o<lb/>
viele in einem Zweck zu&#x017F;ammen kommende Ab&#x017F;ich-<lb/>
ten, in der Verfa&#x017F;&#x017F;ung des Weltgeba&#x0364;udes, anzu-<lb/>
treffen. Es kommt nur noch darauf an, zu ent-<lb/>
&#x017F;cheiden, ob der Entwurf der Einrichtung des <hi rendition="#fr">Uni-<lb/>
ver&#x017F;i</hi> von dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten Ver&#x017F;tande &#x017F;chon in die we-<lb/>
&#x017F;entliche Be&#x017F;timmungen der ewigen Naturen ge-<lb/>
legt, und in die allgemeine Bewegungsge&#x017F;etze ge-<lb/>
pflanzet &#x017F;ey, um &#x017F;ich aus ihnen, auf eine der voll-<lb/>
kommen&#x017F;ten Ordnung an&#x017F;ta&#x0364;ndige Art, ungezwun-<lb/>
gen zu entwickeln; oder ob die allgemeine Eigen-<lb/>
&#x017F;chaften der Be&#x017F;tandtheile der Welt die vo&#x0364;llige Un-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fa&#x0364;hig-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0212] Allgemeine Naturgeſchichte Achtes Hauptſtuͤck, Allgemeiner Beweis von der Richtigkeit einer mechaniſchen Lehrverfaſſung, der Einrich- tung des Weltbaues uͤberhaupt, inſonderheit von der Gewißheit der gegen- waͤrtigen. Man kan das Weltgebaͤude nicht anſehen, ohne die treflichſte Anordnung in ihrer Einrich- tung, und die ſicheren Merkmaale der Hand GOt- tes, in der Vollkommenheit ihrer Beziehungen, zu kennen. Die Vernunft, nachdem ſie ſo viel Schoͤnheit, ſo viel Treflichkeit erwogen und bewun- dert hat, entruͤſtet ſich mit Recht uͤber die kuͤhne Thorheit, welche ſich unterſtehen darf, alles dieſes dem Zufalle, und einem gluͤcklichen Ohngefehr, zu- zuſchreiben. Es muß die hoͤchſte Weisheit den Ent- wurf gemacht, und eine unendliche Macht ſelbige ausgefuͤhret haben, ſonſt waͤre es unmoͤglich, ſo viele in einem Zweck zuſammen kommende Abſich- ten, in der Verfaſſung des Weltgebaͤudes, anzu- treffen. Es kommt nur noch darauf an, zu ent- ſcheiden, ob der Entwurf der Einrichtung des Uni- verſi von dem hoͤchſten Verſtande ſchon in die we- ſentliche Beſtimmungen der ewigen Naturen ge- legt, und in die allgemeine Bewegungsgeſetze ge- pflanzet ſey, um ſich aus ihnen, auf eine der voll- kommenſten Ordnung anſtaͤndige Art, ungezwun- gen zu entwickeln; oder ob die allgemeine Eigen- ſchaften der Beſtandtheile der Welt die voͤllige Un- faͤhig-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/212
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/212>, abgerufen am 23.11.2024.