Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Allgemeine Naturgeschichte
welche folglich kein Mittel hat abgeben können, de-
nen Himmelskörpern gemeinschaftliche Bewegun-
gen einzudrücken. Diese Schwierigkeit ist so be-
deutend und gültig, daß Newton, welcher Ursa-
che hatte, den Einsichten seiner Weltweisheit, so
viel als irgend ein Sterblicher zu vertrauen, sich ge-
nöthiget sahe, allhier die Hoffnung aufzugeben,
die Eindrückung der den Planeten beywohnenden
Schwungskräfte, ohnerachtet aller Uebereinstim-
mung, welche auf einen mechanischen Ursprung zei-
gete, durch die Gesetze der Natur und die Kräfte
der Materie, aufzulösen. Ob es gleich vor einen
Philosophen eine betrübte Entschliessung ist, bey ei-
ner zusammengesetzten, und noch weit von den ein-
fachen Grundgesetzen entferneten Beschaffenheit, die
Bemühung der Untersuchung aufzugeben, und sich
mit der Anführung des unmittelbaren Willens
GOttes zu begnügen; so erkannte doch Newton
hier die Grenzscheidung, welche die Natur und den
Finger GOttes, den Lauf der eingeführten Gesetze
der ersteren, und den Wink des letzteren, von ein-
ander scheidet. Nach eines so grossen Weltweisen
Verzweifelung scheinet es eine Vermessenheit zu
seyn, noch einen glücklichen Fortgang in einer Sa-
che, von solcher Schwierigkeit, zu hoffen.

Allein eben dieselbe Schwierigkeit, welche dem
Newton die Hoffnung benahm, die denen Him-
melskörpern ertheilte Schwungskräfte, deren Rich-
tung und Bestimmungen das Systematische des
Weltbaues ausmachet, aus denen Kräften der Na-

tur

Allgemeine Naturgeſchichte
welche folglich kein Mittel hat abgeben koͤnnen, de-
nen Himmelskoͤrpern gemeinſchaftliche Bewegun-
gen einzudruͤcken. Dieſe Schwierigkeit iſt ſo be-
deutend und guͤltig, daß Newton, welcher Urſa-
che hatte, den Einſichten ſeiner Weltweisheit, ſo
viel als irgend ein Sterblicher zu vertrauen, ſich ge-
noͤthiget ſahe, allhier die Hoffnung aufzugeben,
die Eindruͤckung der den Planeten beywohnenden
Schwungskraͤfte, ohnerachtet aller Uebereinſtim-
mung, welche auf einen mechaniſchen Urſprung zei-
gete, durch die Geſetze der Natur und die Kraͤfte
der Materie, aufzuloͤſen. Ob es gleich vor einen
Philoſophen eine betruͤbte Entſchlieſſung iſt, bey ei-
ner zuſammengeſetzten, und noch weit von den ein-
fachen Grundgeſetzen entferneten Beſchaffenheit, die
Bemuͤhung der Unterſuchung aufzugeben, und ſich
mit der Anfuͤhrung des unmittelbaren Willens
GOttes zu begnuͤgen; ſo erkannte doch Newton
hier die Grenzſcheidung, welche die Natur und den
Finger GOttes, den Lauf der eingefuͤhrten Geſetze
der erſteren, und den Wink des letzteren, von ein-
ander ſcheidet. Nach eines ſo groſſen Weltweiſen
Verzweifelung ſcheinet es eine Vermeſſenheit zu
ſeyn, noch einen gluͤcklichen Fortgang in einer Sa-
che, von ſolcher Schwierigkeit, zu hoffen.

Allein eben dieſelbe Schwierigkeit, welche dem
Newton die Hoffnung benahm, die denen Him-
melskoͤrpern ertheilte Schwungskraͤfte, deren Rich-
tung und Beſtimmungen das Syſtematiſche des
Weltbaues ausmachet, aus denen Kraͤften der Na-

tur
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0224" n="156"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Allgemeine Naturge&#x017F;chichte</hi></fw><lb/>
welche folglich kein Mittel hat abgeben ko&#x0364;nnen, de-<lb/>
nen Himmelsko&#x0364;rpern gemein&#x017F;chaftliche Bewegun-<lb/>
gen einzudru&#x0364;cken. Die&#x017F;e Schwierigkeit i&#x017F;t &#x017F;o be-<lb/>
deutend und gu&#x0364;ltig, daß <hi rendition="#fr">Newton,</hi> welcher Ur&#x017F;a-<lb/>
che hatte, den Ein&#x017F;ichten &#x017F;einer Weltweisheit, &#x017F;o<lb/>
viel als irgend ein Sterblicher zu vertrauen, &#x017F;ich ge-<lb/>
no&#x0364;thiget &#x017F;ahe, allhier die Hoffnung aufzugeben,<lb/>
die Eindru&#x0364;ckung der den Planeten beywohnenden<lb/>
Schwungskra&#x0364;fte, ohnerachtet aller Ueberein&#x017F;tim-<lb/>
mung, welche auf einen mechani&#x017F;chen Ur&#x017F;prung zei-<lb/>
gete, durch die Ge&#x017F;etze der Natur und die Kra&#x0364;fte<lb/>
der Materie, aufzulo&#x0364;&#x017F;en. Ob es gleich vor einen<lb/>
Philo&#x017F;ophen eine betru&#x0364;bte Ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;ung i&#x017F;t, bey ei-<lb/>
ner zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten, und noch weit von den ein-<lb/>
fachen Grundge&#x017F;etzen entferneten Be&#x017F;chaffenheit, die<lb/>
Bemu&#x0364;hung der Unter&#x017F;uchung aufzugeben, und &#x017F;ich<lb/>
mit der Anfu&#x0364;hrung des unmittelbaren Willens<lb/>
GOttes zu begnu&#x0364;gen; &#x017F;o erkannte doch <hi rendition="#fr">Newton</hi><lb/>
hier die Grenz&#x017F;cheidung, welche die Natur und den<lb/>
Finger GOttes, den Lauf der eingefu&#x0364;hrten Ge&#x017F;etze<lb/>
der er&#x017F;teren, und den Wink des letzteren, von ein-<lb/>
ander &#x017F;cheidet. Nach eines &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en Weltwei&#x017F;en<lb/>
Verzweifelung &#x017F;cheinet es eine Verme&#x017F;&#x017F;enheit zu<lb/>
&#x017F;eyn, noch einen glu&#x0364;cklichen Fortgang in einer Sa-<lb/>
che, von &#x017F;olcher Schwierigkeit, zu hoffen.</p><lb/>
          <p>Allein eben die&#x017F;elbe Schwierigkeit, welche dem<lb/><hi rendition="#fr">Newton</hi> die Hoffnung benahm, die denen Him-<lb/>
melsko&#x0364;rpern ertheilte Schwungskra&#x0364;fte, deren Rich-<lb/>
tung und Be&#x017F;timmungen das Sy&#x017F;temati&#x017F;che des<lb/>
Weltbaues ausmachet, aus denen Kra&#x0364;ften der Na-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tur</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0224] Allgemeine Naturgeſchichte welche folglich kein Mittel hat abgeben koͤnnen, de- nen Himmelskoͤrpern gemeinſchaftliche Bewegun- gen einzudruͤcken. Dieſe Schwierigkeit iſt ſo be- deutend und guͤltig, daß Newton, welcher Urſa- che hatte, den Einſichten ſeiner Weltweisheit, ſo viel als irgend ein Sterblicher zu vertrauen, ſich ge- noͤthiget ſahe, allhier die Hoffnung aufzugeben, die Eindruͤckung der den Planeten beywohnenden Schwungskraͤfte, ohnerachtet aller Uebereinſtim- mung, welche auf einen mechaniſchen Urſprung zei- gete, durch die Geſetze der Natur und die Kraͤfte der Materie, aufzuloͤſen. Ob es gleich vor einen Philoſophen eine betruͤbte Entſchlieſſung iſt, bey ei- ner zuſammengeſetzten, und noch weit von den ein- fachen Grundgeſetzen entferneten Beſchaffenheit, die Bemuͤhung der Unterſuchung aufzugeben, und ſich mit der Anfuͤhrung des unmittelbaren Willens GOttes zu begnuͤgen; ſo erkannte doch Newton hier die Grenzſcheidung, welche die Natur und den Finger GOttes, den Lauf der eingefuͤhrten Geſetze der erſteren, und den Wink des letzteren, von ein- ander ſcheidet. Nach eines ſo groſſen Weltweiſen Verzweifelung ſcheinet es eine Vermeſſenheit zu ſeyn, noch einen gluͤcklichen Fortgang in einer Sa- che, von ſolcher Schwierigkeit, zu hoffen. Allein eben dieſelbe Schwierigkeit, welche dem Newton die Hoffnung benahm, die denen Him- melskoͤrpern ertheilte Schwungskraͤfte, deren Rich- tung und Beſtimmungen das Syſtematiſche des Weltbaues ausmachet, aus denen Kraͤften der Na- tur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/224
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/224>, abgerufen am 27.11.2024.