Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite
der reinen practischen Vernunft.

Aus meinen Untersuchungen aber ergab es sich,
daß die Gegenstände, mit denen wir es in der Erfah-
rung zu thun haben, keinesweges Dinge an sich selbst,
sondern blos Erscheinungen sind, und daß, obgleich bey
Dingen an sich selbst gar nicht abzusehen ist, ja unmög-
lich ist einzusehen, wie, wenn A gesetzt wird, es wider-
sprechend
seyn solle, B, welches von A ganz verschieden
ist, nicht zu setzen, (die Rothwendigkeit der Verknü-
pfung zwischen A als Ursache und B als Wirkung,) es
sich doch ganz wohl denken lasse, daß sie als Erschei-
nungen in einer Erfahrung auf gewisse Weise (z. B.
in Ansehung der Zeitverhältnisse) nothwendig verbun-
den seyn müssen und nicht getrennt werden können,
ohne derjenigen Verbindung zu widersprechen, ver-
mittelst deren diese Erfahrung möglich ist, in welcher
sie Gegenstände und uns allein erkennbar sind. Und so
fand es sich auch in der That: so, daß ich den Begriff
der Ursache nicht allein nach seiner objectiven Realität
in Ansehung der Gegenstände der Erfahrung beweisen,
sondern ihn auch, als Begriff a priori, wegen der
Nothwendigkeit der Verknüpfung, die er bey sich führt,
deduciren, d. i. seine Möglichkeit aus reinem Verstan-
de, ohne empirische Quellen, darthun, und so, nach
Wegschaffung des Empirismus seines Ursprungs, die
unvermeidliche Folge desselben, nemlich den Scepti-
cism, zuerst in Ansehung der Naturwissenschaft, dann
auch, wegen des ganz vollkommen aus denselben Grün-

den
der reinen practiſchen Vernunft.

Aus meinen Unterſuchungen aber ergab es ſich,
daß die Gegenſtaͤnde, mit denen wir es in der Erfah-
rung zu thun haben, keinesweges Dinge an ſich ſelbſt,
ſondern blos Erſcheinungen ſind, und daß, obgleich bey
Dingen an ſich ſelbſt gar nicht abzuſehen iſt, ja unmoͤg-
lich iſt einzuſehen, wie, wenn A geſetzt wird, es wider-
ſprechend
ſeyn ſolle, B, welches von A ganz verſchieden
iſt, nicht zu ſetzen, (die Rothwendigkeit der Verknuͤ-
pfung zwiſchen A als Urſache und B als Wirkung,) es
ſich doch ganz wohl denken laſſe, daß ſie als Erſchei-
nungen in einer Erfahrung auf gewiſſe Weiſe (z. B.
in Anſehung der Zeitverhaͤltniſſe) nothwendig verbun-
den ſeyn muͤſſen und nicht getrennt werden koͤnnen,
ohne derjenigen Verbindung zu widerſprechen, ver-
mittelſt deren dieſe Erfahrung moͤglich iſt, in welcher
ſie Gegenſtaͤnde und uns allein erkennbar ſind. Und ſo
fand es ſich auch in der That: ſo, daß ich den Begriff
der Urſache nicht allein nach ſeiner objectiven Realitaͤt
in Anſehung der Gegenſtaͤnde der Erfahrung beweiſen,
ſondern ihn auch, als Begriff a priori, wegen der
Nothwendigkeit der Verknuͤpfung, die er bey ſich fuͤhrt,
deduciren, d. i. ſeine Moͤglichkeit aus reinem Verſtan-
de, ohne empiriſche Quellen, darthun, und ſo, nach
Wegſchaffung des Empirismus ſeines Urſprungs, die
unvermeidliche Folge deſſelben, nemlich den Scepti-
cism, zuerſt in Anſehung der Naturwiſſenſchaft, dann
auch, wegen des ganz vollkommen aus denſelben Gruͤn-

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0101" n="93"/>
              <fw place="top" type="header">der reinen practi&#x017F;chen Vernunft.</fw><lb/>
              <p>Aus meinen Unter&#x017F;uchungen aber ergab es &#x017F;ich,<lb/>
daß die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, mit denen wir es in der Erfah-<lb/>
rung zu thun haben, keinesweges Dinge an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;ondern blos Er&#x017F;cheinungen &#x017F;ind, und daß, obgleich bey<lb/>
Dingen an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gar nicht abzu&#x017F;ehen i&#x017F;t, ja unmo&#x0364;g-<lb/>
lich i&#x017F;t einzu&#x017F;ehen, wie, wenn <hi rendition="#aq">A</hi> ge&#x017F;etzt wird, es <hi rendition="#fr">wider-<lb/>
&#x017F;prechend</hi> &#x017F;eyn &#x017F;olle, <hi rendition="#aq">B,</hi> welches von <hi rendition="#aq">A</hi> ganz ver&#x017F;chieden<lb/>
i&#x017F;t, nicht zu &#x017F;etzen, (die Rothwendigkeit der Verknu&#x0364;-<lb/>
pfung zwi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">A</hi> als Ur&#x017F;ache und <hi rendition="#aq">B</hi> als Wirkung,) es<lb/>
&#x017F;ich doch ganz wohl denken la&#x017F;&#x017F;e, daß &#x017F;ie als Er&#x017F;chei-<lb/>
nungen <hi rendition="#fr">in einer Erfahrung</hi> auf gewi&#x017F;&#x017F;e Wei&#x017F;e (z. B.<lb/>
in An&#x017F;ehung der Zeitverha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e) nothwendig verbun-<lb/>
den &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en und nicht getrennt werden ko&#x0364;nnen,<lb/>
ohne derjenigen Verbindung zu <hi rendition="#fr">wider&#x017F;prechen,</hi> ver-<lb/>
mittel&#x017F;t deren die&#x017F;e Erfahrung mo&#x0364;glich i&#x017F;t, in welcher<lb/>
&#x017F;ie Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde und uns allein erkennbar &#x017F;ind. Und &#x017F;o<lb/>
fand es &#x017F;ich auch in der That: &#x017F;o, daß ich den Begriff<lb/>
der Ur&#x017F;ache nicht allein nach &#x017F;einer objectiven Realita&#x0364;t<lb/>
in An&#x017F;ehung der Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde der Erfahrung bewei&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;ondern ihn auch, als Begriff <hi rendition="#aq">a priori,</hi> wegen der<lb/>
Nothwendigkeit der Verknu&#x0364;pfung, die er bey &#x017F;ich fu&#x0364;hrt,<lb/><hi rendition="#fr">deduciren,</hi> d. i. &#x017F;eine Mo&#x0364;glichkeit aus reinem Ver&#x017F;tan-<lb/>
de, ohne empiri&#x017F;che Quellen, darthun, und &#x017F;o, nach<lb/>
Weg&#x017F;chaffung des Empirismus &#x017F;eines Ur&#x017F;prungs, die<lb/>
unvermeidliche Folge de&#x017F;&#x017F;elben, nemlich den Scepti-<lb/>
cism, zuer&#x017F;t in An&#x017F;ehung der Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, dann<lb/>
auch, wegen des ganz vollkommen aus den&#x017F;elben Gru&#x0364;n-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0101] der reinen practiſchen Vernunft. Aus meinen Unterſuchungen aber ergab es ſich, daß die Gegenſtaͤnde, mit denen wir es in der Erfah- rung zu thun haben, keinesweges Dinge an ſich ſelbſt, ſondern blos Erſcheinungen ſind, und daß, obgleich bey Dingen an ſich ſelbſt gar nicht abzuſehen iſt, ja unmoͤg- lich iſt einzuſehen, wie, wenn A geſetzt wird, es wider- ſprechend ſeyn ſolle, B, welches von A ganz verſchieden iſt, nicht zu ſetzen, (die Rothwendigkeit der Verknuͤ- pfung zwiſchen A als Urſache und B als Wirkung,) es ſich doch ganz wohl denken laſſe, daß ſie als Erſchei- nungen in einer Erfahrung auf gewiſſe Weiſe (z. B. in Anſehung der Zeitverhaͤltniſſe) nothwendig verbun- den ſeyn muͤſſen und nicht getrennt werden koͤnnen, ohne derjenigen Verbindung zu widerſprechen, ver- mittelſt deren dieſe Erfahrung moͤglich iſt, in welcher ſie Gegenſtaͤnde und uns allein erkennbar ſind. Und ſo fand es ſich auch in der That: ſo, daß ich den Begriff der Urſache nicht allein nach ſeiner objectiven Realitaͤt in Anſehung der Gegenſtaͤnde der Erfahrung beweiſen, ſondern ihn auch, als Begriff a priori, wegen der Nothwendigkeit der Verknuͤpfung, die er bey ſich fuͤhrt, deduciren, d. i. ſeine Moͤglichkeit aus reinem Verſtan- de, ohne empiriſche Quellen, darthun, und ſo, nach Wegſchaffung des Empirismus ſeines Urſprungs, die unvermeidliche Folge deſſelben, nemlich den Scepti- cism, zuerſt in Anſehung der Naturwiſſenſchaft, dann auch, wegen des ganz vollkommen aus denſelben Gruͤn- den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/101
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/101>, abgerufen am 24.11.2024.