von jener gänzlich zu unterscheiden, und sie zur obersten Bedingung des letzteren zu machen.
In dieser Beurtheilung des an sich Guten und Bösen, zum Unterschiede von dem, was nur beziehungs- weise auf Wohl oder Uebel so genannt werden kann, kommt es auf folgende Puncte an. Entweder ein Ver- nunftprincip wird schon an sich als der Bestimmungs- grund des Willens gedacht, ohne Rücksicht auf mögli- che Objecte des Begehrungsvermögens, (also blos durch die gesetzliche Form der Maxime,) alsdenn ist jenes Princip practisches Gesetz a priori, und reine Vernunft wird für sich practisch zu seyn angenommen. Das Ge- setz bestimmt alsdenn unmittelbar den Willen, die ihm gemäße Handlung ist an sich selbst gut, ein Wille, dessen Maxime jederzeit diesem Gesetze gemäß ist, ist schlechterdings, in aller Absicht, gut, und die oberste Bedingung alles Guten: oder es geht ein Bestim- mungsgrund des Begehrungsvermögens vor der Ma- xime des Willens vorher, der ein Object der Lust und Unlust voraussetzt, mithin etwas, das vergnügt oder schmerzt, und die Maxime der Vernunft, jene zu be- fördern, diese zu vermeiden, bestimmt die Handlungen, wie sie beziehungsweise auf unsere Neigung, mithin nur mittelbar (in Rücksicht auf einen anderweitigen Zweck, als Mittel zu demselben) gut sind, und diese Maximen können alsdenn niemals Gesetze, dennoch aber vernünftige, practische Vorschriften heißen. Der Zweck
selbst,
eines Gegenſtandes der reinen pract. Vernunft.
von jener gaͤnzlich zu unterſcheiden, und ſie zur oberſten Bedingung des letzteren zu machen.
In dieſer Beurtheilung des an ſich Guten und Boͤſen, zum Unterſchiede von dem, was nur beziehungs- weiſe auf Wohl oder Uebel ſo genannt werden kann, kommt es auf folgende Puncte an. Entweder ein Ver- nunftprincip wird ſchon an ſich als der Beſtimmungs- grund des Willens gedacht, ohne Ruͤckſicht auf moͤgli- che Objecte des Begehrungsvermoͤgens, (alſo blos durch die geſetzliche Form der Maxime,) alsdenn iſt jenes Princip practiſches Geſetz a priori, und reine Vernunft wird fuͤr ſich practiſch zu ſeyn angenommen. Das Ge- ſetz beſtimmt alsdenn unmittelbar den Willen, die ihm gemaͤße Handlung iſt an ſich ſelbſt gut, ein Wille, deſſen Maxime jederzeit dieſem Geſetze gemaͤß iſt, iſt ſchlechterdings, in aller Abſicht, gut, und die oberſte Bedingung alles Guten: oder es geht ein Beſtim- mungsgrund des Begehrungsvermoͤgens vor der Ma- xime des Willens vorher, der ein Object der Luſt und Unluſt vorausſetzt, mithin etwas, das vergnuͤgt oder ſchmerzt, und die Maxime der Vernunft, jene zu be- foͤrdern, dieſe zu vermeiden, beſtimmt die Handlungen, wie ſie beziehungsweiſe auf unſere Neigung, mithin nur mittelbar (in Ruͤckſicht auf einen anderweitigen Zweck, als Mittel zu demſelben) gut ſind, und dieſe Maximen koͤnnen alsdenn niemals Geſetze, dennoch aber vernuͤnftige, practiſche Vorſchriften heißen. Der Zweck
ſelbſt,
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eines Gegenſtandes der reinen pract. Vernunft.
von jener gaͤnzlich zu unterſcheiden, und ſie zur oberſten
Bedingung des letzteren zu machen.
In dieſer Beurtheilung des an ſich Guten und
Boͤſen, zum Unterſchiede von dem, was nur beziehungs-
weiſe auf Wohl oder Uebel ſo genannt werden kann,
kommt es auf folgende Puncte an. Entweder ein Ver-
nunftprincip wird ſchon an ſich als der Beſtimmungs-
grund des Willens gedacht, ohne Ruͤckſicht auf moͤgli-
che Objecte des Begehrungsvermoͤgens, (alſo blos durch
die geſetzliche Form der Maxime,) alsdenn iſt jenes
Princip practiſches Geſetz a priori, und reine Vernunft
wird fuͤr ſich practiſch zu ſeyn angenommen. Das Ge-
ſetz beſtimmt alsdenn unmittelbar den Willen, die ihm
gemaͤße Handlung iſt an ſich ſelbſt gut, ein Wille,
deſſen Maxime jederzeit dieſem Geſetze gemaͤß iſt, iſt
ſchlechterdings, in aller Abſicht, gut, und die oberſte
Bedingung alles Guten: oder es geht ein Beſtim-
mungsgrund des Begehrungsvermoͤgens vor der Ma-
xime des Willens vorher, der ein Object der Luſt und
Unluſt vorausſetzt, mithin etwas, das vergnuͤgt oder
ſchmerzt, und die Maxime der Vernunft, jene zu be-
foͤrdern, dieſe zu vermeiden, beſtimmt die Handlungen,
wie ſie beziehungsweiſe auf unſere Neigung, mithin
nur mittelbar (in Ruͤckſicht auf einen anderweitigen
Zweck, als Mittel zu demſelben) gut ſind, und dieſe
Maximen koͤnnen alsdenn niemals Geſetze, dennoch aber
vernuͤnftige, practiſche Vorſchriften heißen. Der Zweck
ſelbſt,
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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/117>, abgerufen am 16.02.2025.
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