können, so müssen wir jene doch nur wiederum zur Hand nehmen, um die Begriffe von Gott, Frey- heit und Unsterblichkeit, für welche die Speculation nicht hinreichende Gewährleistung ihrer Möglichkeit findet, in moralischem Gebrauche der Vernunft zu su- chen und auf demselben zu gründen.
Hier erklärt sich auch allererst das Räthsel der Critik, wie man dem übersinnlichen Gebrauche der Categorien in der Speculation objective Realität absprechen, und ihnen doch, in Ansehung der Objecte der reinen practischen Vernunft, diese Realität zuge- stehen könne; denn vorher muß dieses nothwendig inconsequent aussehen, so lange man einen solchen practischen Gebrauch nur dem Namen nach kennt. Wird man aber jetzt durch eine vollständige Zergliede- rung der letzteren inne, daß gedachte Realität hier gar auf keine theoretische Bestimmung der Catego- rien und Erweiterung des Erkenntnisses zum Ueber- sinnlichen hinausgehe, sondern nur hiedurch gemey- net sey, daß ihnen in dieser Beziehung überall ein Object zukomme; weil sie entweder in der nothwen- digen Willensbestimmung a priori enthalten, oder mit dem Gegenstande derselben unzertrennlich verbunden
sind,
Vorrede.
koͤnnen, ſo muͤſſen wir jene doch nur wiederum zur Hand nehmen, um die Begriffe von Gott, Frey- heit und Unſterblichkeit, fuͤr welche die Speculation nicht hinreichende Gewaͤhrleiſtung ihrer Moͤglichkeit findet, in moraliſchem Gebrauche der Vernunft zu ſu- chen und auf demſelben zu gruͤnden.
Hier erklaͤrt ſich auch allererſt das Raͤthſel der Critik, wie man dem uͤberſinnlichen Gebrauche der Categorien in der Speculation objective Realitaͤt abſprechen, und ihnen doch, in Anſehung der Objecte der reinen practiſchen Vernunft, dieſe Realitaͤt zuge- ſtehen koͤnne; denn vorher muß dieſes nothwendig inconſequent ausſehen, ſo lange man einen ſolchen practiſchen Gebrauch nur dem Namen nach kennt. Wird man aber jetzt durch eine vollſtaͤndige Zergliede- rung der letzteren inne, daß gedachte Realitaͤt hier gar auf keine theoretiſche Beſtimmung der Catego- rien und Erweiterung des Erkenntniſſes zum Ueber- ſinnlichen hinausgehe, ſondern nur hiedurch gemey- net ſey, daß ihnen in dieſer Beziehung uͤberall ein Object zukomme; weil ſie entweder in der nothwen- digen Willensbeſtimmung a priori enthalten, oder mit dem Gegenſtande derſelben unzertrennlich verbunden
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Vorrede.
koͤnnen, ſo muͤſſen wir jene doch nur wiederum zur
Hand nehmen, um die Begriffe von Gott, Frey-
heit und Unſterblichkeit, fuͤr welche die Speculation
nicht hinreichende Gewaͤhrleiſtung ihrer Moͤglichkeit
findet, in moraliſchem Gebrauche der Vernunft zu ſu-
chen und auf demſelben zu gruͤnden.
Hier erklaͤrt ſich auch allererſt das Raͤthſel der
Critik, wie man dem uͤberſinnlichen Gebrauche der
Categorien in der Speculation objective Realitaͤt
abſprechen, und ihnen doch, in Anſehung der Objecte
der reinen practiſchen Vernunft, dieſe Realitaͤt zuge-
ſtehen koͤnne; denn vorher muß dieſes nothwendig
inconſequent ausſehen, ſo lange man einen ſolchen
practiſchen Gebrauch nur dem Namen nach kennt.
Wird man aber jetzt durch eine vollſtaͤndige Zergliede-
rung der letzteren inne, daß gedachte Realitaͤt hier
gar auf keine theoretiſche Beſtimmung der Catego-
rien und Erweiterung des Erkenntniſſes zum Ueber-
ſinnlichen hinausgehe, ſondern nur hiedurch gemey-
net ſey, daß ihnen in dieſer Beziehung uͤberall ein
Object zukomme; weil ſie entweder in der nothwen-
digen Willensbeſtimmung a priori enthalten, oder mit
dem Gegenſtande derſelben unzertrennlich verbunden
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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/16>, abgerufen am 16.07.2024.
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