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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

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der reinen practischen Vernunft.
einigt, und also diese Vereinigung selbst erklären will,
thun sich doch große Schwierigkeiten hervor, die eine
solche Vereinigung unthunlich zu machen scheinen.

Wenn ich von einem Menschen, der einen Dieb-
stahl verübt, sage: diese That sey nach dem Natur-
gesetze der Causalität aus den Bestimmungsgründen
der vorhergehenden Zeit ein nothwendiger Erfolg, so
war es unmöglich, daß sie hat unterbleiben können;
wie kann denn die Beurtheilung nach dem moralischen
Gesetze hierin eine Aenderung machen, und voraussetzen,
daß sie doch habe unterlassen werden können, weil das
Gesetz sagt, sie hätte unterlassen werden sollen, d. i.
wie kann derjenige, in demselben Zeitpuncte, in Ab-
sicht auf dieselbe Handlung, ganz frey heißen, in wel-
chem, und in derselben Absicht, er doch unter einer un-
vermeidlichen Naturnothwendigkeit steht? Eine Ausflucht
darin suchen, daß man blos die Art der Bestimmungs-
gründe seiner Causalität nach dem Naturgesetze einem
comparativen Begriffe von Freyheit anpaßt, (nach
welchem das bisweilen freye Wirkung heißt, davon der
bestimmende Naturgrund innerlich im wirkenden We-
sen liegt, z. B. das was ein geworfener Körper verrich-
tet, wenn er in freyer Bewegung ist, da man das Wort
Freyheit braucht, weil er, während, daß er im Fluge
ist, nicht von außen wodurch getrieben wird, oder wie
wir die Bewegung einer Uhr auch eine freye Bewegung
nennen, weil sie ihren Zeiger selbst treibt, der also

nicht

der reinen practiſchen Vernunft.
einigt, und alſo dieſe Vereinigung ſelbſt erklaͤren will,
thun ſich doch große Schwierigkeiten hervor, die eine
ſolche Vereinigung unthunlich zu machen ſcheinen.

Wenn ich von einem Menſchen, der einen Dieb-
ſtahl veruͤbt, ſage: dieſe That ſey nach dem Natur-
geſetze der Cauſalitaͤt aus den Beſtimmungsgruͤnden
der vorhergehenden Zeit ein nothwendiger Erfolg, ſo
war es unmoͤglich, daß ſie hat unterbleiben koͤnnen;
wie kann denn die Beurtheilung nach dem moraliſchen
Geſetze hierin eine Aenderung machen, und vorausſetzen,
daß ſie doch habe unterlaſſen werden koͤnnen, weil das
Geſetz ſagt, ſie haͤtte unterlaſſen werden ſollen, d. i.
wie kann derjenige, in demſelben Zeitpuncte, in Ab-
ſicht auf dieſelbe Handlung, ganz frey heißen, in wel-
chem, und in derſelben Abſicht, er doch unter einer un-
vermeidlichen Naturnothwendigkeit ſteht? Eine Ausflucht
darin ſuchen, daß man blos die Art der Beſtimmungs-
gruͤnde ſeiner Cauſalitaͤt nach dem Naturgeſetze einem
comparativen Begriffe von Freyheit anpaßt, (nach
welchem das bisweilen freye Wirkung heißt, davon der
beſtimmende Naturgrund innerlich im wirkenden We-
ſen liegt, z. B. das was ein geworfener Koͤrper verrich-
tet, wenn er in freyer Bewegung iſt, da man das Wort
Freyheit braucht, weil er, waͤhrend, daß er im Fluge
iſt, nicht von außen wodurch getrieben wird, oder wie
wir die Bewegung einer Uhr auch eine freye Bewegung
nennen, weil ſie ihren Zeiger ſelbſt treibt, der alſo

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[171/0179] der reinen practiſchen Vernunft. einigt, und alſo dieſe Vereinigung ſelbſt erklaͤren will, thun ſich doch große Schwierigkeiten hervor, die eine ſolche Vereinigung unthunlich zu machen ſcheinen. Wenn ich von einem Menſchen, der einen Dieb- ſtahl veruͤbt, ſage: dieſe That ſey nach dem Natur- geſetze der Cauſalitaͤt aus den Beſtimmungsgruͤnden der vorhergehenden Zeit ein nothwendiger Erfolg, ſo war es unmoͤglich, daß ſie hat unterbleiben koͤnnen; wie kann denn die Beurtheilung nach dem moraliſchen Geſetze hierin eine Aenderung machen, und vorausſetzen, daß ſie doch habe unterlaſſen werden koͤnnen, weil das Geſetz ſagt, ſie haͤtte unterlaſſen werden ſollen, d. i. wie kann derjenige, in demſelben Zeitpuncte, in Ab- ſicht auf dieſelbe Handlung, ganz frey heißen, in wel- chem, und in derſelben Abſicht, er doch unter einer un- vermeidlichen Naturnothwendigkeit ſteht? Eine Ausflucht darin ſuchen, daß man blos die Art der Beſtimmungs- gruͤnde ſeiner Cauſalitaͤt nach dem Naturgeſetze einem comparativen Begriffe von Freyheit anpaßt, (nach welchem das bisweilen freye Wirkung heißt, davon der beſtimmende Naturgrund innerlich im wirkenden We- ſen liegt, z. B. das was ein geworfener Koͤrper verrich- tet, wenn er in freyer Bewegung iſt, da man das Wort Freyheit braucht, weil er, waͤhrend, daß er im Fluge iſt, nicht von außen wodurch getrieben wird, oder wie wir die Bewegung einer Uhr auch eine freye Bewegung nennen, weil ſie ihren Zeiger ſelbſt treibt, der alſo nicht

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/179>, abgerufen am 24.11.2024.