Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.der rein. Vern. in Best. des Begr. vom höchst. Gut. bleibt die Frage: wie ist das höchste Gut practischmöglich, noch immer, unerachtet aller bisherigen Coa- litionsversuche, eine unaufgelösete Aufgabe. Das aber, was sie zu einer schwer zu lösenden Aufgabe macht, ist in der Analytik gegeben, nemlich daß Glück- seligkeit und Sittlichkeit zwey specifisch ganz verschie- dene Elemente des höchsten Guts sind, und ihre Ver- bindung also nicht analytisch erkannt werden könne, (daß etwa der, so seine Glückseligkeit sucht, in diesem seinem Verhalten sich durch bloße Auflösung seiner Be- griffe tugendhaft, oder der, so der Tugend folgt, sich im Bewußtseyn eines solchen Verhaltens schon ipso facto glücklich finden werde,) sondern eine Synthesis der Begriffe sey. Weil aber diese Verbindung als a priori, mithin practisch nothwendig, folglich nicht als aus der Erfahrung abgeleitet, erkannt wird, und die Möglichkeit des höchsten Guts also auf keinen empi- rischen Principien beruht, so wird die Deduction die- ses Begriffs transscendental seyn müssen. Es ist a priori (moralisch) nothwendig, das höchste Gut durch Freyheit des Willens hervorzubringen; es muß also auch die Bedingung der Möglichkeit desselben lediglich auf Erkenntnißgründen a priori beruhen. I.
der rein. Vern. in Beſt. des Begr. vom hoͤchſt. Gut. bleibt die Frage: wie iſt das hoͤchſte Gut practiſchmoͤglich, noch immer, unerachtet aller bisherigen Coa- litionsverſuche, eine unaufgeloͤſete Aufgabe. Das aber, was ſie zu einer ſchwer zu loͤſenden Aufgabe macht, iſt in der Analytik gegeben, nemlich daß Gluͤck- ſeligkeit und Sittlichkeit zwey ſpecifiſch ganz verſchie- dene Elemente des hoͤchſten Guts ſind, und ihre Ver- bindung alſo nicht analytiſch erkannt werden koͤnne, (daß etwa der, ſo ſeine Gluͤckſeligkeit ſucht, in dieſem ſeinem Verhalten ſich durch bloße Aufloͤſung ſeiner Be- griffe tugendhaft, oder der, ſo der Tugend folgt, ſich im Bewußtſeyn eines ſolchen Verhaltens ſchon ipſo facto gluͤcklich finden werde,) ſondern eine Syntheſis der Begriffe ſey. Weil aber dieſe Verbindung als a priori, mithin practiſch nothwendig, folglich nicht als aus der Erfahrung abgeleitet, erkannt wird, und die Moͤglichkeit des hoͤchſten Guts alſo auf keinen empi- riſchen Principien beruht, ſo wird die Deduction die- ſes Begriffs transſcendental ſeyn muͤſſen. Es iſt a priori (moraliſch) nothwendig, das hoͤchſte Gut durch Freyheit des Willens hervorzubringen; es muß alſo auch die Bedingung der Moͤglichkeit deſſelben lediglich auf Erkenntnißgruͤnden a priori beruhen. I.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0211" n="203"/><fw place="top" type="header">der rein. Vern. in Beſt. des Begr. vom hoͤchſt. Gut.</fw><lb/> bleibt die Frage: <hi rendition="#fr">wie iſt das hoͤchſte Gut practiſch<lb/> moͤglich,</hi> noch immer, unerachtet aller bisherigen <hi rendition="#fr">Coa-<lb/> litionsverſuche,</hi> eine unaufgeloͤſete Aufgabe. Das<lb/> aber, was ſie zu einer ſchwer zu loͤſenden Aufgabe<lb/> macht, iſt in der Analytik gegeben, nemlich daß Gluͤck-<lb/> ſeligkeit und Sittlichkeit zwey ſpecifiſch ganz <hi rendition="#fr">verſchie-<lb/> dene Elemente</hi> des hoͤchſten Guts ſind, und ihre Ver-<lb/> bindung alſo <hi rendition="#fr">nicht analytiſch</hi> erkannt werden koͤnne,<lb/> (daß etwa der, ſo ſeine Gluͤckſeligkeit ſucht, in dieſem<lb/> ſeinem Verhalten ſich durch bloße Aufloͤſung ſeiner Be-<lb/> griffe tugendhaft, oder der, ſo der Tugend folgt, ſich<lb/> im Bewußtſeyn eines ſolchen Verhaltens ſchon <hi rendition="#aq">ipſo<lb/> facto</hi> gluͤcklich finden werde,) ſondern eine <hi rendition="#fr">Syntheſis</hi><lb/> der Begriffe ſey. Weil aber dieſe Verbindung als<lb/><hi rendition="#aq">a priori,</hi> mithin practiſch nothwendig, folglich nicht<lb/> als aus der Erfahrung abgeleitet, erkannt wird, und<lb/> die Moͤglichkeit des hoͤchſten Guts alſo auf keinen empi-<lb/> riſchen Principien beruht, ſo wird die <hi rendition="#fr">Deduction</hi> die-<lb/> ſes Begriffs <hi rendition="#fr">transſcendental</hi> ſeyn muͤſſen. Es iſt<lb/><hi rendition="#aq">a priori</hi> (moraliſch) nothwendig, <hi rendition="#fr">das hoͤchſte Gut<lb/> durch Freyheit des Willens hervorzubringen;</hi> es<lb/> muß alſo auch die Bedingung der Moͤglichkeit deſſelben<lb/> lediglich auf Erkenntnißgruͤnden <hi rendition="#aq">a priori</hi> beruhen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">I.</hi> </hi> </fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [203/0211]
der rein. Vern. in Beſt. des Begr. vom hoͤchſt. Gut.
bleibt die Frage: wie iſt das hoͤchſte Gut practiſch
moͤglich, noch immer, unerachtet aller bisherigen Coa-
litionsverſuche, eine unaufgeloͤſete Aufgabe. Das
aber, was ſie zu einer ſchwer zu loͤſenden Aufgabe
macht, iſt in der Analytik gegeben, nemlich daß Gluͤck-
ſeligkeit und Sittlichkeit zwey ſpecifiſch ganz verſchie-
dene Elemente des hoͤchſten Guts ſind, und ihre Ver-
bindung alſo nicht analytiſch erkannt werden koͤnne,
(daß etwa der, ſo ſeine Gluͤckſeligkeit ſucht, in dieſem
ſeinem Verhalten ſich durch bloße Aufloͤſung ſeiner Be-
griffe tugendhaft, oder der, ſo der Tugend folgt, ſich
im Bewußtſeyn eines ſolchen Verhaltens ſchon ipſo
facto gluͤcklich finden werde,) ſondern eine Syntheſis
der Begriffe ſey. Weil aber dieſe Verbindung als
a priori, mithin practiſch nothwendig, folglich nicht
als aus der Erfahrung abgeleitet, erkannt wird, und
die Moͤglichkeit des hoͤchſten Guts alſo auf keinen empi-
riſchen Principien beruht, ſo wird die Deduction die-
ſes Begriffs transſcendental ſeyn muͤſſen. Es iſt
a priori (moraliſch) nothwendig, das hoͤchſte Gut
durch Freyheit des Willens hervorzubringen; es
muß alſo auch die Bedingung der Moͤglichkeit deſſelben
lediglich auf Erkenntnißgruͤnden a priori beruhen.
I.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |