Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.Vorrede. wie ich hoffe, Genüge gethan; eben so auch aufmanche andere Einwürfe Rücksicht genommen, die mir dieser Vorwurf unbillig seyn würde, weil man diese Er-
klärung, als in der Psychologie gegeben, billig sollte vor- aussetzen können. Es könnte aber freylich die Definition daselbst so eingerichtet seyn, daß das Gefühl der Lust der Bestimmung des Begehrungsvermögens zum Grunde ge- legt würde (wie es auch wirklich gemeinhin so zu gesche- hen pflegt), dadurch aber das oberste Princip der practi- schen Philosophie nothwendig empirisch ausfallen müß- te, welches doch allererst auszumachen ist, und in dieser Critik gänzlich widerlegt wird. Daher will ich diese Er- klärung hier so geben, wie sie seyn muß, um diesen strei- tigen Punct, wie billig, im Anfange unentschieden zu lassen. -- Leben ist das Vermögen eines Wesens, nach Gesetzen des Begehrungsvermögens zu handeln. Das Begehrungsvermögen ist das Vermögen des- selben, durch seine Vorstellungen Ursache von der Wirklichkeit der Gegenstände dieser Vorstellungen zu seyn. Lust ist die Vorstellung der Uebereinstim- mung des Gegenstandes oder der Handlung mit den subjectiven Bedingungen des Lebens, d. i. mit dem Vermögen der Causalität einer Vorstellung in Ansehung der Wirklichkeit ihres Objects (oder der Bestimmung der Kräfte des Subjects zur Handlung es hervorzubringen). Mehr brauche ich nicht zum Behuf der Critik von Begriffen, die aus der Psychologie ent- lehnt werden, das übrige leistet die Critik selbst. Man wird Vorrede. wie ich hoffe, Genuͤge gethan; eben ſo auch aufmanche andere Einwuͤrfe Ruͤckſicht genommen, die mir dieſer Vorwurf unbillig ſeyn wuͤrde, weil man dieſe Er-
klaͤrung, als in der Pſychologie gegeben, billig ſollte vor- ausſetzen koͤnnen. Es koͤnnte aber freylich die Definition daſelbſt ſo eingerichtet ſeyn, daß das Gefuͤhl der Luſt der Beſtimmung des Begehrungsvermoͤgens zum Grunde ge- legt wuͤrde (wie es auch wirklich gemeinhin ſo zu geſche- hen pflegt), dadurch aber das oberſte Princip der practi- ſchen Philoſophie nothwendig empiriſch ausfallen muͤß- te, welches doch allererſt auszumachen iſt, und in dieſer Critik gaͤnzlich widerlegt wird. Daher will ich dieſe Er- klaͤrung hier ſo geben, wie ſie ſeyn muß, um dieſen ſtrei- tigen Punct, wie billig, im Anfange unentſchieden zu laſſen. — Leben iſt das Vermoͤgen eines Weſens, nach Geſetzen des Begehrungsvermoͤgens zu handeln. Das Begehrungsvermoͤgen iſt das Vermoͤgen deſ- ſelben, durch ſeine Vorſtellungen Urſache von der Wirklichkeit der Gegenſtaͤnde dieſer Vorſtellungen zu ſeyn. Luſt iſt die Vorſtellung der Uebereinſtim- mung des Gegenſtandes oder der Handlung mit den ſubjectiven Bedingungen des Lebens, d. i. mit dem Vermoͤgen der Cauſalitaͤt einer Vorſtellung in Anſehung der Wirklichkeit ihres Objects (oder der Beſtimmung der Kraͤfte des Subjects zur Handlung es hervorzubringen). Mehr brauche ich nicht zum Behuf der Critik von Begriffen, die aus der Pſychologie ent- lehnt werden, das uͤbrige leiſtet die Critik ſelbſt. Man wird <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0024" n="16"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</fw><lb/> wie ich hoffe, Genuͤge gethan; eben ſo auch auf<lb/> manche andere Einwuͤrfe Ruͤckſicht genommen, die<lb/> <fw place="bottom" type="catch">mir</fw><lb/><note next="#seg2pn_1_3" xml:id="seg2pn_1_2" prev="#seg2pn_1_1" place="foot" n="*)">dieſer Vorwurf unbillig ſeyn wuͤrde, weil man dieſe Er-<lb/> klaͤrung, als in der Pſychologie gegeben, billig ſollte vor-<lb/> ausſetzen koͤnnen. Es koͤnnte aber freylich die Definition<lb/> daſelbſt ſo eingerichtet ſeyn, daß das Gefuͤhl der Luſt der<lb/> Beſtimmung des Begehrungsvermoͤgens zum Grunde ge-<lb/> legt wuͤrde (wie es auch wirklich gemeinhin ſo zu geſche-<lb/> hen pflegt), dadurch aber das oberſte Princip der practi-<lb/> ſchen Philoſophie nothwendig empiriſch ausfallen muͤß-<lb/> te, welches doch allererſt auszumachen iſt, und in dieſer<lb/> Critik gaͤnzlich widerlegt wird. Daher will ich dieſe Er-<lb/> klaͤrung hier ſo geben, wie ſie ſeyn muß, um dieſen ſtrei-<lb/> tigen Punct, wie billig, im Anfange unentſchieden zu<lb/> laſſen. — <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Leben</hi></hi> iſt das Vermoͤgen eines Weſens, nach<lb/> Geſetzen des Begehrungsvermoͤgens zu handeln. Das<lb/><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Begehrungsvermoͤgen</hi></hi> iſt das <hi rendition="#fr">Vermoͤgen</hi> deſ-<lb/> ſelben, <hi rendition="#fr">durch ſeine Vorſtellungen Urſache von der<lb/> Wirklichkeit der Gegenſtaͤnde dieſer Vorſtellungen<lb/> zu ſeyn. <hi rendition="#g">Luſt</hi></hi> iſt die <hi rendition="#fr">Vorſtellung der Uebereinſtim-<lb/> mung des Gegenſtandes oder der Handlung mit<lb/> den <hi rendition="#g">ſubjectiven</hi> Bedingungen des Lebens</hi>, d. i.<lb/> mit dem Vermoͤgen der Cauſalitaͤt einer <hi rendition="#fr">Vorſtellung<lb/> in Anſehung der Wirklichkeit ihres Objects</hi> (oder<lb/> der Beſtimmung der Kraͤfte des Subjects zur Handlung<lb/> es hervorzubringen). Mehr brauche ich nicht zum Behuf<lb/> der Critik von Begriffen, die aus der Pſychologie ent-<lb/> lehnt werden, das uͤbrige leiſtet die Critik ſelbſt. Man<lb/> <fw place="bottom" type="catch">wird</fw></note><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [16/0024]
Vorrede.
wie ich hoffe, Genuͤge gethan; eben ſo auch auf
manche andere Einwuͤrfe Ruͤckſicht genommen, die
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*) dieſer Vorwurf unbillig ſeyn wuͤrde, weil man dieſe Er-
klaͤrung, als in der Pſychologie gegeben, billig ſollte vor-
ausſetzen koͤnnen. Es koͤnnte aber freylich die Definition
daſelbſt ſo eingerichtet ſeyn, daß das Gefuͤhl der Luſt der
Beſtimmung des Begehrungsvermoͤgens zum Grunde ge-
legt wuͤrde (wie es auch wirklich gemeinhin ſo zu geſche-
hen pflegt), dadurch aber das oberſte Princip der practi-
ſchen Philoſophie nothwendig empiriſch ausfallen muͤß-
te, welches doch allererſt auszumachen iſt, und in dieſer
Critik gaͤnzlich widerlegt wird. Daher will ich dieſe Er-
klaͤrung hier ſo geben, wie ſie ſeyn muß, um dieſen ſtrei-
tigen Punct, wie billig, im Anfange unentſchieden zu
laſſen. — Leben iſt das Vermoͤgen eines Weſens, nach
Geſetzen des Begehrungsvermoͤgens zu handeln. Das
Begehrungsvermoͤgen iſt das Vermoͤgen deſ-
ſelben, durch ſeine Vorſtellungen Urſache von der
Wirklichkeit der Gegenſtaͤnde dieſer Vorſtellungen
zu ſeyn. Luſt iſt die Vorſtellung der Uebereinſtim-
mung des Gegenſtandes oder der Handlung mit
den ſubjectiven Bedingungen des Lebens, d. i.
mit dem Vermoͤgen der Cauſalitaͤt einer Vorſtellung
in Anſehung der Wirklichkeit ihres Objects (oder
der Beſtimmung der Kraͤfte des Subjects zur Handlung
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