Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.der reinen practischen Vernunft. Wenn man aber frägt: was denn eigentlich die Ver- liebige Einbildung des Verdienstlichen den Gedanken an Pflicht nicht zu verdrängen. S 3
der reinen practiſchen Vernunft. Wenn man aber fraͤgt: was denn eigentlich die Ver- liebige Einbildung des Verdienſtlichen den Gedanken an Pflicht nicht zu verdraͤngen. S 3
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der reinen practiſchen Vernunft.
Wenn man aber fraͤgt: was denn eigentlich die
reine Sittlichkeit iſt, an der, als dem Probemetall,
man jeder Handlung moraliſchen Gehalt pruͤfen muͤſſe,
ſo muß ich geſtehen, daß nur Philoſophen die Entſchei-
dung dieſer Frage zweifelhaft machen koͤnnen; denn in
der gemeinen Menſchenvernunft iſt ſie, zwar nicht durch
abgezogene allgemeine Formeln, aber doch durch den
gewoͤhnlichen Gebrauch, gleichſam als der Unterſchied
zwiſchen der rechten und linken Hand, laͤngſt entſchieden.
Wir wollen alſo vorerſt das Pruͤfungsmerkmal der rei-
nen Tugend an einem Beyſpiele zeigen, und indem wir
uns vorſtellen, daß es etwa einem zehnjaͤhrigen Knaben
zur Beurtheilung vorgelegt worden, ſehen, ob er auch
von ſelber, ohne durch den Lehrer dazu angewieſen zu
ſeyn, nothwendig ſo urtheilen muͤßte. Man erzaͤhle
die Geſchichte eines redlichen Mannes, den man bewe-
gen will, den Verleumdern einer unſchuldigen, uͤbri-
gens nichts vermoͤgenden Perſon (wie etwa Anna von
Bolen auf Anklage Heinrich VIII. von England) bey-
zutreten. Man bietet Gewinne, d. i. große Geſchenke
oder hohen Rang an, er ſchlaͤgt ſie aus. Dieſes wird
bloßen Beyfall und Billigung in der Seele des Zuhoͤ-
rers wirken, weil es Gewinn iſt. Nun faͤngt man es
mit Androhung des Verluſts an. Es ſind unter dieſen
Ver-
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*) liebige Einbildung des Verdienſtlichen den Gedanken an Pflicht
nicht zu verdraͤngen.
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