Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.II. Th. Methodenlehre ihrer Unverletzlichkeit vorgestellt wird, auch den ein-dringendsten Einfluß aufs Gemüth haben müsse. In unsern Zeiten, wo man mehr mit schmelzen- Alle Gefühle, vornemlich die, so ungewohnte das
II. Th. Methodenlehre ihrer Unverletzlichkeit vorgeſtellt wird, auch den ein-dringendſten Einfluß aufs Gemuͤth haben muͤſſe. In unſern Zeiten, wo man mehr mit ſchmelzen- Alle Gefuͤhle, vornemlich die, ſo ungewohnte das
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II. Th. Methodenlehre
ihrer Unverletzlichkeit vorgeſtellt wird, auch den ein-
dringendſten Einfluß aufs Gemuͤth haben muͤſſe.
In unſern Zeiten, wo man mehr mit ſchmelzen-
den weichherzigen Gefuͤhlen, oder hochfliegenden, auf-
blaͤhenden und das Herz eher welk, als ſtark, machen-
den Anmaaßungen uͤber das Gemuͤth mehr auszurich-
ten hofft, als durch die der menſchlichen Unvollkom-
menheit und dem Fortſchritte im Guten angemeßnere
trockne und ernſthafte Vorſtellung der Pflicht, iſt
die Hinweiſung auf dieſe Methode noͤthiger, als jemals.
Kindern Handlungen als edele, großmuͤthige, verdienſt-
liche zum Muſter aufzuſtellen, in der Meynung, ſie
durch Einfloͤßung eines Enthuſiaſmus fuͤr dieſelbe einzu-
nehmen, iſt vollends zweckwidrig. Denn da ſie noch
in der Beobachtung der gemeinſten Pflicht und ſelbſt in
der richtigen Beurtheilung derſelben ſo weit zuruͤck ſind,
ſo heißt das ſo viel, als ſie bey Zeiten zu Phantaſten
zu machen. Aber auch bey dem belehrtern und erfahr-
nern Theil der Menſchen iſt dieſe vermeynte Triebfeder,
wo nicht von nachtheiliger, wenigſtens von keiner aͤch-
ten moraliſchen Wirkung aufs Herz, die man dadurch
doch hat zuwegebringen wollen.
Alle Gefuͤhle, vornemlich die, ſo ungewohnte
Anſtrengung bewirken ſollen, muͤſſen in dem Augenbli-
cke, da ſie in ihrer Heftigkeit ſind, und ehe ſie verbrau-
ſen, ihre Wirkung thun, ſonſt thun ſie nichts; indem
das
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