ihrer Unverletzlichkeit vorgestellt wird, auch den ein- dringendsten Einfluß aufs Gemüth haben müsse.
In unsern Zeiten, wo man mehr mit schmelzen- den weichherzigen Gefühlen, oder hochfliegenden, auf- blähenden und das Herz eher welk, als stark, machen- den Anmaaßungen über das Gemüth mehr auszurich- ten hofft, als durch die der menschlichen Unvollkom- menheit und dem Fortschritte im Guten angemeßnere trockne und ernsthafte Vorstellung der Pflicht, ist die Hinweisung auf diese Methode nöthiger, als jemals. Kindern Handlungen als edele, großmüthige, verdienst- liche zum Muster aufzustellen, in der Meynung, sie durch Einflößung eines Enthusiasmus für dieselbe einzu- nehmen, ist vollends zweckwidrig. Denn da sie noch in der Beobachtung der gemeinsten Pflicht und selbst in der richtigen Beurtheilung derselben so weit zurück sind, so heißt das so viel, als sie bey Zeiten zu Phantasten zu machen. Aber auch bey dem belehrtern und erfahr- nern Theil der Menschen ist diese vermeynte Triebfeder, wo nicht von nachtheiliger, wenigstens von keiner äch- ten moralischen Wirkung aufs Herz, die man dadurch doch hat zuwegebringen wollen.
Alle Gefühle, vornemlich die, so ungewohnte Anstrengung bewirken sollen, müssen in dem Augenbli- cke, da sie in ihrer Heftigkeit sind, und ehe sie verbrau- sen, ihre Wirkung thun, sonst thun sie nichts; indem
das
II. Th. Methodenlehre
ihrer Unverletzlichkeit vorgeſtellt wird, auch den ein- dringendſten Einfluß aufs Gemuͤth haben muͤſſe.
In unſern Zeiten, wo man mehr mit ſchmelzen- den weichherzigen Gefuͤhlen, oder hochfliegenden, auf- blaͤhenden und das Herz eher welk, als ſtark, machen- den Anmaaßungen uͤber das Gemuͤth mehr auszurich- ten hofft, als durch die der menſchlichen Unvollkom- menheit und dem Fortſchritte im Guten angemeßnere trockne und ernſthafte Vorſtellung der Pflicht, iſt die Hinweiſung auf dieſe Methode noͤthiger, als jemals. Kindern Handlungen als edele, großmuͤthige, verdienſt- liche zum Muſter aufzuſtellen, in der Meynung, ſie durch Einfloͤßung eines Enthuſiaſmus fuͤr dieſelbe einzu- nehmen, iſt vollends zweckwidrig. Denn da ſie noch in der Beobachtung der gemeinſten Pflicht und ſelbſt in der richtigen Beurtheilung derſelben ſo weit zuruͤck ſind, ſo heißt das ſo viel, als ſie bey Zeiten zu Phantaſten zu machen. Aber auch bey dem belehrtern und erfahr- nern Theil der Menſchen iſt dieſe vermeynte Triebfeder, wo nicht von nachtheiliger, wenigſtens von keiner aͤch- ten moraliſchen Wirkung aufs Herz, die man dadurch doch hat zuwegebringen wollen.
Alle Gefuͤhle, vornemlich die, ſo ungewohnte Anſtrengung bewirken ſollen, muͤſſen in dem Augenbli- cke, da ſie in ihrer Heftigkeit ſind, und ehe ſie verbrau- ſen, ihre Wirkung thun, ſonſt thun ſie nichts; indem
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II. Th. Methodenlehre
ihrer Unverletzlichkeit vorgeſtellt wird, auch den ein-
dringendſten Einfluß aufs Gemuͤth haben muͤſſe.
In unſern Zeiten, wo man mehr mit ſchmelzen-
den weichherzigen Gefuͤhlen, oder hochfliegenden, auf-
blaͤhenden und das Herz eher welk, als ſtark, machen-
den Anmaaßungen uͤber das Gemuͤth mehr auszurich-
ten hofft, als durch die der menſchlichen Unvollkom-
menheit und dem Fortſchritte im Guten angemeßnere
trockne und ernſthafte Vorſtellung der Pflicht, iſt
die Hinweiſung auf dieſe Methode noͤthiger, als jemals.
Kindern Handlungen als edele, großmuͤthige, verdienſt-
liche zum Muſter aufzuſtellen, in der Meynung, ſie
durch Einfloͤßung eines Enthuſiaſmus fuͤr dieſelbe einzu-
nehmen, iſt vollends zweckwidrig. Denn da ſie noch
in der Beobachtung der gemeinſten Pflicht und ſelbſt in
der richtigen Beurtheilung derſelben ſo weit zuruͤck ſind,
ſo heißt das ſo viel, als ſie bey Zeiten zu Phantaſten
zu machen. Aber auch bey dem belehrtern und erfahr-
nern Theil der Menſchen iſt dieſe vermeynte Triebfeder,
wo nicht von nachtheiliger, wenigſtens von keiner aͤch-
ten moraliſchen Wirkung aufs Herz, die man dadurch
doch hat zuwegebringen wollen.
Alle Gefuͤhle, vornemlich die, ſo ungewohnte
Anſtrengung bewirken ſollen, muͤſſen in dem Augenbli-
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ſen, ihre Wirkung thun, ſonſt thun ſie nichts; indem
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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/288>, abgerufen am 26.06.2024.
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