Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II. Hauptst.
Die transsc. Deduction aller Begriffe a priori hat also ein Principium, worauf die ganze Nachforschung ge- richtet werden muß, nemlich dieses: daß sie als Bedingun- gen a priori der Möglichkeit der Erfahrungen erkant wer- den müssen (es sey der Anschauung, die in ihr angetrof- fen wird, oder des Denkens). Begriffe, die den obiecti- ven Grund der Möglichkeit der Erfahrung abgeben, sind eben darum nothwendig. Die Entwickelung der Er- fahrung aber, worinn sie angetroffen werden, ist nicht ihre Deduction, (sondern Illustration) weil sie dabey doch nur zufällig seyn würden. Ohne diese ursprüngliche Beziehung auf mögliche Erfahrung, in welcher alle Gegenstände der Erkentniß vorkommen, würde die Beziehung derselben auf irgend ein Obiect gar nicht begriffen werden können.
Es sind aber drey ursprüngliche Quellen, (Fähigkei- ten oder Vermögen der Seele) die die Bedingungen der Möglichkeit aller Erfahrung enthalten, und selbst aus kei- nem andern Vermögen des Gemüths abgeleitet werden können, nemlich, Sinn, Einbildungskraft, und Apper- ception. Darauf gründet sich 1) die Synopsis des Man- nigfaltigen a priori durch den Sinn; 2) die Synthesis dieses Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft: endlich 3) die Einheit dieser Synthesis durch ursprüngliche Ap- perception. Alle diese Vermögen haben, ausser dem em- pirischen Gebrauch, noch einen transsc., der lediglich auf die Form geht, und a priori möglich ist. Von diesem haben wir in Ansehung der Sinne oben im ersten Theile
geredet,
Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II. Hauptſt.
Die transſc. Deduction aller Begriffe a priori hat alſo ein Principium, worauf die ganze Nachforſchung ge- richtet werden muß, nemlich dieſes: daß ſie als Bedingun- gen a priori der Moͤglichkeit der Erfahrungen erkant wer- den muͤſſen (es ſey der Anſchauung, die in ihr angetrof- fen wird, oder des Denkens). Begriffe, die den obiecti- ven Grund der Moͤglichkeit der Erfahrung abgeben, ſind eben darum nothwendig. Die Entwickelung der Er- fahrung aber, worinn ſie angetroffen werden, iſt nicht ihre Deduction, (ſondern Illuſtration) weil ſie dabey doch nur zufaͤllig ſeyn wuͤrden. Ohne dieſe urſpruͤngliche Beziehung auf moͤgliche Erfahrung, in welcher alle Gegenſtaͤnde der Erkentniß vorkommen, wuͤrde die Beziehung derſelben auf irgend ein Obiect gar nicht begriffen werden koͤnnen.
Es ſind aber drey urſpruͤngliche Quellen, (Faͤhigkei- ten oder Vermoͤgen der Seele) die die Bedingungen der Moͤglichkeit aller Erfahrung enthalten, und ſelbſt aus kei- nem andern Vermoͤgen des Gemuͤths abgeleitet werden koͤnnen, nemlich, Sinn, Einbildungskraft, und Apper- ception. Darauf gruͤndet ſich 1) die Synopſis des Man- nigfaltigen a priori durch den Sinn; 2) die Syntheſis dieſes Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft: endlich 3) die Einheit dieſer Syntheſis durch urſpruͤngliche Ap- perception. Alle dieſe Vermoͤgen haben, auſſer dem em- piriſchen Gebrauch, noch einen transſc., der lediglich auf die Form geht, und a priori moͤglich iſt. Von dieſem haben wir in Anſehung der Sinne oben im erſten Theile
geredet,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><pbfacs="#f0124"n="94"/><fwplace="top"type="header">Elementarl. <hirendition="#aq">II.</hi> Th. <hirendition="#aq">I.</hi> Abth. <hirendition="#aq">I.</hi> Buch. <hirendition="#aq">II.</hi> Hauptſt.</fw><lb/><p>Die transſc. Deduction aller Begriffe <hirendition="#aq">a priori</hi> hat<lb/>
alſo ein Principium, worauf die ganze Nachforſchung ge-<lb/>
richtet werden muß, nemlich dieſes: daß ſie als Bedingun-<lb/>
gen <hirendition="#aq">a priori</hi> der Moͤglichkeit der Erfahrungen erkant wer-<lb/>
den muͤſſen (es ſey der Anſchauung, die in ihr angetrof-<lb/>
fen wird, oder des Denkens). Begriffe, die den obiecti-<lb/>
ven Grund der Moͤglichkeit der Erfahrung abgeben, ſind<lb/>
eben darum nothwendig. Die Entwickelung der Er-<lb/>
fahrung aber, worinn ſie angetroffen werden, iſt nicht ihre<lb/>
Deduction, (ſondern Illuſtration) weil ſie dabey doch nur<lb/>
zufaͤllig ſeyn wuͤrden. Ohne dieſe urſpruͤngliche Beziehung<lb/>
auf moͤgliche Erfahrung, in welcher alle Gegenſtaͤnde der<lb/>
Erkentniß vorkommen, wuͤrde die Beziehung derſelben auf<lb/>
irgend ein Obiect gar nicht begriffen werden koͤnnen.</p><lb/><p>Es ſind aber drey urſpruͤngliche Quellen, (Faͤhigkei-<lb/>
ten oder Vermoͤgen der Seele) die die Bedingungen der<lb/>
Moͤglichkeit aller Erfahrung enthalten, und ſelbſt aus kei-<lb/>
nem andern Vermoͤgen des Gemuͤths abgeleitet werden<lb/>
koͤnnen, nemlich, <hirendition="#fr">Sinn,</hi> Einbildungskraft, und Apper-<lb/>
ception. Darauf gruͤndet ſich 1) die Synopſis des Man-<lb/>
nigfaltigen <hirendition="#aq">a priori</hi> durch den Sinn; 2) die <hirendition="#fr">Syntheſis</hi><lb/>
dieſes Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft: endlich<lb/>
3) die Einheit dieſer Syntheſis durch urſpruͤngliche Ap-<lb/>
perception. Alle dieſe Vermoͤgen haben, auſſer dem em-<lb/>
piriſchen Gebrauch, noch einen transſc., der lediglich auf<lb/>
die Form geht, und <hirendition="#aq">a priori</hi> moͤglich iſt. Von dieſem<lb/>
haben wir <hirendition="#fr">in Anſehung der Sinne</hi> oben im erſten Theile<lb/><fwplace="bottom"type="catch">geredet,</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[94/0124]
Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II. Hauptſt.
Die transſc. Deduction aller Begriffe a priori hat
alſo ein Principium, worauf die ganze Nachforſchung ge-
richtet werden muß, nemlich dieſes: daß ſie als Bedingun-
gen a priori der Moͤglichkeit der Erfahrungen erkant wer-
den muͤſſen (es ſey der Anſchauung, die in ihr angetrof-
fen wird, oder des Denkens). Begriffe, die den obiecti-
ven Grund der Moͤglichkeit der Erfahrung abgeben, ſind
eben darum nothwendig. Die Entwickelung der Er-
fahrung aber, worinn ſie angetroffen werden, iſt nicht ihre
Deduction, (ſondern Illuſtration) weil ſie dabey doch nur
zufaͤllig ſeyn wuͤrden. Ohne dieſe urſpruͤngliche Beziehung
auf moͤgliche Erfahrung, in welcher alle Gegenſtaͤnde der
Erkentniß vorkommen, wuͤrde die Beziehung derſelben auf
irgend ein Obiect gar nicht begriffen werden koͤnnen.
Es ſind aber drey urſpruͤngliche Quellen, (Faͤhigkei-
ten oder Vermoͤgen der Seele) die die Bedingungen der
Moͤglichkeit aller Erfahrung enthalten, und ſelbſt aus kei-
nem andern Vermoͤgen des Gemuͤths abgeleitet werden
koͤnnen, nemlich, Sinn, Einbildungskraft, und Apper-
ception. Darauf gruͤndet ſich 1) die Synopſis des Man-
nigfaltigen a priori durch den Sinn; 2) die Syntheſis
dieſes Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft: endlich
3) die Einheit dieſer Syntheſis durch urſpruͤngliche Ap-
perception. Alle dieſe Vermoͤgen haben, auſſer dem em-
piriſchen Gebrauch, noch einen transſc., der lediglich auf
die Form geht, und a priori moͤglich iſt. Von dieſem
haben wir in Anſehung der Sinne oben im erſten Theile
geredet,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/124>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.