wenn wir beweisen können: daß vermittelst ihrer allein ein Gegenstand gedacht werden kan. Weil aber in einem solchen Gedanken mehr als das einzige Vermögen zu den- ken, nemlich der Verstand beschäftiget ist, und dieser selbst, als ein Erkentnißvermögen, das sich auf Obiecte beziehen soll, eben so wol einer Erläuterung, wegen der Möglich- keit dieser Beziehung, bedarf: so müssen wir die subiective Quellen, welche die Grundlage a priori zu der Möglich- keit der Erfahrung ausmachen, nicht nach ihrer empiri- schen, sondern transscendentalen Beschaffenheit zuvor er- wegen.
Wenn eine iede einzelne Vorstellung der andern ganz fremd, gleichsam isolirt, und von dieser getrent wäre, so würde niemals so etwas, als Erkentniß ist, entspringen, welche ein Ganzes verglichener und verknüpfter Vorstel- lungen ist. Wenn ich also dem Sinne deswegen, weil er in seiner Anschauung Mannigfaltigkeit enthält, eine Sy- nopsis beylege, so correspondirt dieser iederzeit eine Syn- thesis und die Receptivität kan nur mit Spontaneität verbunden Erkentnisse möglich machen. Diese ist nun der Grund einer dreyfachen Synthesis, die nothwendiger Wei- se in allem Erkentniß vorkommt: nemlich, der Appre- hension der Vorstellungen, als Modificationen des Gemüths in der Anschauung, der Reproduction derselben in der Ein- bildung und, ihrer Recognition im Begriffe. Diese ge- ben nun eine Leitung auf drey subiective Erkentnißquellen, welche selbst den Verstand und, durch diesen, alle Er-
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II. Abſch. Gruͤnde zur Moͤglichkeit der Erfahr.
wenn wir beweiſen koͤnnen: daß vermittelſt ihrer allein ein Gegenſtand gedacht werden kan. Weil aber in einem ſolchen Gedanken mehr als das einzige Vermoͤgen zu den- ken, nemlich der Verſtand beſchaͤftiget iſt, und dieſer ſelbſt, als ein Erkentnißvermoͤgen, das ſich auf Obiecte beziehen ſoll, eben ſo wol einer Erlaͤuterung, wegen der Moͤglich- keit dieſer Beziehung, bedarf: ſo muͤſſen wir die ſubiective Quellen, welche die Grundlage a priori zu der Moͤglich- keit der Erfahrung ausmachen, nicht nach ihrer empiri- ſchen, ſondern transſcendentalen Beſchaffenheit zuvor er- wegen.
Wenn eine iede einzelne Vorſtellung der andern ganz fremd, gleichſam iſolirt, und von dieſer getrent waͤre, ſo wuͤrde niemals ſo etwas, als Erkentniß iſt, entſpringen, welche ein Ganzes verglichener und verknuͤpfter Vorſtel- lungen iſt. Wenn ich alſo dem Sinne deswegen, weil er in ſeiner Anſchauung Mannigfaltigkeit enthaͤlt, eine Sy- nopſis beylege, ſo correſpondirt dieſer iederzeit eine Syn- theſis und die Receptivitaͤt kan nur mit Spontaneitaͤt verbunden Erkentniſſe moͤglich machen. Dieſe iſt nun der Grund einer dreyfachen Syntheſis, die nothwendiger Wei- ſe in allem Erkentniß vorkommt: nemlich, der Appre- henſion der Vorſtellungen, als Modificationen des Gemuͤths in der Anſchauung, der Reproduction derſelben in der Ein- bildung und, ihrer Recognition im Begriffe. Dieſe ge- ben nun eine Leitung auf drey ſubiective Erkentnißquellen, welche ſelbſt den Verſtand und, durch dieſen, alle Er-
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II. Abſch. Gruͤnde zur Moͤglichkeit der Erfahr.
wenn wir beweiſen koͤnnen: daß vermittelſt ihrer allein
ein Gegenſtand gedacht werden kan. Weil aber in einem
ſolchen Gedanken mehr als das einzige Vermoͤgen zu den-
ken, nemlich der Verſtand beſchaͤftiget iſt, und dieſer ſelbſt,
als ein Erkentnißvermoͤgen, das ſich auf Obiecte beziehen
ſoll, eben ſo wol einer Erlaͤuterung, wegen der Moͤglich-
keit dieſer Beziehung, bedarf: ſo muͤſſen wir die ſubiective
Quellen, welche die Grundlage a priori zu der Moͤglich-
keit der Erfahrung ausmachen, nicht nach ihrer empiri-
ſchen, ſondern transſcendentalen Beſchaffenheit zuvor er-
wegen.
Wenn eine iede einzelne Vorſtellung der andern ganz
fremd, gleichſam iſolirt, und von dieſer getrent waͤre, ſo
wuͤrde niemals ſo etwas, als Erkentniß iſt, entſpringen,
welche ein Ganzes verglichener und verknuͤpfter Vorſtel-
lungen iſt. Wenn ich alſo dem Sinne deswegen, weil
er in ſeiner Anſchauung Mannigfaltigkeit enthaͤlt, eine Sy-
nopſis beylege, ſo correſpondirt dieſer iederzeit eine Syn-
theſis und die Receptivitaͤt kan nur mit Spontaneitaͤt
verbunden Erkentniſſe moͤglich machen. Dieſe iſt nun der
Grund einer dreyfachen Syntheſis, die nothwendiger Wei-
ſe in allem Erkentniß vorkommt: nemlich, der Appre-
henſion der Vorſtellungen, als Modificationen des Gemuͤths
in der Anſchauung, der Reproduction derſelben in der Ein-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/127>, abgerufen am 21.11.2024.
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