Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II. Hauptst.
Synthesis des Mannigfaltigen, welches die Sinnlichkeit
in ihrer ursprünglichen Receptivität darbietet, erzeugt
werden können. Also haben wir eine reine Synthesis der
Apprehension.

2.
Von der Synthesis
der
Reproduction in der Einbildung.

Es ist zwar ein blos empirisches Gesetz, nach wel-
chem Vorstellungen, die sich oft gefolgt oder begleitet ha-
ben, mit einander endlich vergesellschaften, und dadurch
in eine Verknüpfung setzen, nach welcher, auch ohne die
Gegenwart des Gegenstandes, eine dieser Vorstellungen
einen Uebergang des Gemüths zu der andern, nach einer
beständigen Regel, hervorbringt. Dieses Gesetz der Re-
production sezt aber voraus: daß die Erscheinungen selbst
wirklich einer solchen Regel unterworfen seyn, und daß in
dem Mannigfaltigen ihrer Vorstellungen eine, gewissen
Regeln gemässe, Begleitung, oder Folge statt finde; denn
ohne das würde unsere empirische Einbildungskraft nie-
mals etwas ihrem Vermögen gemässes zu thun bekommen,
also, wie ein todtes und uns selbst unbekantes Vermögen
im inneren des Gemüths verborgen bleiben. Würde der
Zinnober bald roth, bald schwarz, bald leicht, bald
schwer seyn, ein Mensch bald in diese, bald in iene thieri-
sche Gestalt verändert werden, am längsten Tage bald das

Land

Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II. Hauptſt.
Syntheſis des Mannigfaltigen, welches die Sinnlichkeit
in ihrer urſpruͤnglichen Receptivitaͤt darbietet, erzeugt
werden koͤnnen. Alſo haben wir eine reine Syntheſis der
Apprehenſion.

2.
Von der Syntheſis
der
Reproduction in der Einbildung.

Es iſt zwar ein blos empiriſches Geſetz, nach wel-
chem Vorſtellungen, die ſich oft gefolgt oder begleitet ha-
ben, mit einander endlich vergeſellſchaften, und dadurch
in eine Verknuͤpfung ſetzen, nach welcher, auch ohne die
Gegenwart des Gegenſtandes, eine dieſer Vorſtellungen
einen Uebergang des Gemuͤths zu der andern, nach einer
beſtaͤndigen Regel, hervorbringt. Dieſes Geſetz der Re-
production ſezt aber voraus: daß die Erſcheinungen ſelbſt
wirklich einer ſolchen Regel unterworfen ſeyn, und daß in
dem Mannigfaltigen ihrer Vorſtellungen eine, gewiſſen
Regeln gemaͤſſe, Begleitung, oder Folge ſtatt finde; denn
ohne das wuͤrde unſere empiriſche Einbildungskraft nie-
mals etwas ihrem Vermoͤgen gemaͤſſes zu thun bekommen,
alſo, wie ein todtes und uns ſelbſt unbekantes Vermoͤgen
im inneren des Gemuͤths verborgen bleiben. Wuͤrde der
Zinnober bald roth, bald ſchwarz, bald leicht, bald
ſchwer ſeyn, ein Menſch bald in dieſe, bald in iene thieri-
ſche Geſtalt veraͤndert werden, am laͤngſten Tage bald das

Land
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0130" n="100"/><fw place="top" type="header">Elementarl. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">I.</hi> Buch. <hi rendition="#aq">II.</hi> Haupt&#x017F;t.</fw><lb/>
Synthe&#x017F;is des Mannigfaltigen, welches die Sinnlichkeit<lb/>
in ihrer ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Receptivita&#x0364;t darbietet, erzeugt<lb/>
werden ko&#x0364;nnen. Al&#x017F;o haben wir eine reine Synthe&#x017F;is der<lb/>
Apprehen&#x017F;ion.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head>2.<lb/>
Von der Synthe&#x017F;is<lb/><hi rendition="#g">der</hi><lb/><hi rendition="#b">Reproduction in der Einbildung.</hi></head><lb/>
                    <p>Es i&#x017F;t zwar ein blos empiri&#x017F;ches Ge&#x017F;etz, nach wel-<lb/>
chem Vor&#x017F;tellungen, die &#x017F;ich oft gefolgt oder begleitet ha-<lb/>
ben, mit einander endlich verge&#x017F;ell&#x017F;chaften, und dadurch<lb/>
in eine Verknu&#x0364;pfung &#x017F;etzen, nach welcher, auch ohne die<lb/>
Gegenwart des Gegen&#x017F;tandes, eine die&#x017F;er Vor&#x017F;tellungen<lb/>
einen Uebergang des Gemu&#x0364;ths zu der andern, nach einer<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Regel, hervorbringt. Die&#x017F;es Ge&#x017F;etz der Re-<lb/>
production &#x017F;ezt aber voraus: daß die Er&#x017F;cheinungen &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
wirklich einer &#x017F;olchen Regel unterworfen &#x017F;eyn, und daß in<lb/>
dem Mannigfaltigen ihrer Vor&#x017F;tellungen eine, gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Regeln gema&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, Begleitung, oder Folge &#x017F;tatt finde; denn<lb/>
ohne das wu&#x0364;rde un&#x017F;ere empiri&#x017F;che Einbildungskraft nie-<lb/>
mals etwas ihrem Vermo&#x0364;gen gema&#x0364;&#x017F;&#x017F;es zu thun bekommen,<lb/>
al&#x017F;o, wie ein todtes und uns &#x017F;elb&#x017F;t unbekantes Vermo&#x0364;gen<lb/>
im inneren des Gemu&#x0364;ths verborgen bleiben. Wu&#x0364;rde der<lb/>
Zinnober bald roth, bald &#x017F;chwarz, bald leicht, bald<lb/>
&#x017F;chwer &#x017F;eyn, ein Men&#x017F;ch bald in die&#x017F;e, bald in iene thieri-<lb/>
&#x017F;che Ge&#x017F;talt vera&#x0364;ndert werden, am la&#x0364;ng&#x017F;ten Tage bald das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Land</fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0130] Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II. Hauptſt. Syntheſis des Mannigfaltigen, welches die Sinnlichkeit in ihrer urſpruͤnglichen Receptivitaͤt darbietet, erzeugt werden koͤnnen. Alſo haben wir eine reine Syntheſis der Apprehenſion. 2. Von der Syntheſis der Reproduction in der Einbildung. Es iſt zwar ein blos empiriſches Geſetz, nach wel- chem Vorſtellungen, die ſich oft gefolgt oder begleitet ha- ben, mit einander endlich vergeſellſchaften, und dadurch in eine Verknuͤpfung ſetzen, nach welcher, auch ohne die Gegenwart des Gegenſtandes, eine dieſer Vorſtellungen einen Uebergang des Gemuͤths zu der andern, nach einer beſtaͤndigen Regel, hervorbringt. Dieſes Geſetz der Re- production ſezt aber voraus: daß die Erſcheinungen ſelbſt wirklich einer ſolchen Regel unterworfen ſeyn, und daß in dem Mannigfaltigen ihrer Vorſtellungen eine, gewiſſen Regeln gemaͤſſe, Begleitung, oder Folge ſtatt finde; denn ohne das wuͤrde unſere empiriſche Einbildungskraft nie- mals etwas ihrem Vermoͤgen gemaͤſſes zu thun bekommen, alſo, wie ein todtes und uns ſelbſt unbekantes Vermoͤgen im inneren des Gemuͤths verborgen bleiben. Wuͤrde der Zinnober bald roth, bald ſchwarz, bald leicht, bald ſchwer ſeyn, ein Menſch bald in dieſe, bald in iene thieri- ſche Geſtalt veraͤndert werden, am laͤngſten Tage bald das Land

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/130
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/130>, abgerufen am 24.11.2024.