Denn obgleich dieser nicht weiter obiectiv geführt werden könte, sondern vielmehr alle Erkentniß seines Obiects zum Grunde liegt, so hindert dies doch nicht, daß nicht ein Beweis, aus den subiectiven Quellen der Möglichkeit einer Erkentniß des Gegenstandes überhaupt, zu schaffen möglich, ia auch nöthig wäre, weil der Satz sonst gleich- wol den größten Verdacht einer blos erschlichenen Behaup- tung auf sich haben würde.
Zweitens werden wir uns blos auf dieienigen Grund- sätze, die sich auf die Categorien beziehen, einschränken. Die Principien der transscendentalen Aesthetik, nach wel- chen Raum und Zeit die Bedingungen der Möglichkeit aller Dinge als Erscheinungen sind, imgleichen die Restri- ction dieser Grundsätze: daß sie nemlich nicht auf Dinge an sich selbst bezogen werden können, gehören also nicht in unser abgestochenes Feld der Untersuchung. Eben so machen die mathematischen Grundsätze keinen Theil dieses Systems aus, weil sie nur aus der Anschauung, aber nicht aus dem reinen Verstandesbegriffe gezogen sind; doch wird die Möglichkeit derselben, weil sie gleichwol synthe- tische Urtheile a priori seyn, hier nothwendig Platz finden, zwar nicht, um ihre Richtigkeit und apodictische Gewis- heit zu beweisen, welches sie gar nicht nöthig haben, son- dern nur die Möglichkeit solcher evidenten Erkentnisse a priori begreiflich zu machen und zu deduciren.
Wir werden aber auch von dem Grundsatze analyti- scher Urtheile reden müssen, und dieses zwar im Gegen-
satz
K 3
Syſtem aller Grundſ. des reinen Verſt.
Denn obgleich dieſer nicht weiter obiectiv gefuͤhrt werden koͤnte, ſondern vielmehr alle Erkentniß ſeines Obiects zum Grunde liegt, ſo hindert dies doch nicht, daß nicht ein Beweis, aus den ſubiectiven Quellen der Moͤglichkeit einer Erkentniß des Gegenſtandes uͤberhaupt, zu ſchaffen moͤglich, ia auch noͤthig waͤre, weil der Satz ſonſt gleich- wol den groͤßten Verdacht einer blos erſchlichenen Behaup- tung auf ſich haben wuͤrde.
Zweitens werden wir uns blos auf dieienigen Grund- ſaͤtze, die ſich auf die Categorien beziehen, einſchraͤnken. Die Principien der transſcendentalen Aeſthetik, nach wel- chen Raum und Zeit die Bedingungen der Moͤglichkeit aller Dinge als Erſcheinungen ſind, imgleichen die Reſtri- ction dieſer Grundſaͤtze: daß ſie nemlich nicht auf Dinge an ſich ſelbſt bezogen werden koͤnnen, gehoͤren alſo nicht in unſer abgeſtochenes Feld der Unterſuchung. Eben ſo machen die mathematiſchen Grundſaͤtze keinen Theil dieſes Syſtems aus, weil ſie nur aus der Anſchauung, aber nicht aus dem reinen Verſtandesbegriffe gezogen ſind; doch wird die Moͤglichkeit derſelben, weil ſie gleichwol ſynthe- tiſche Urtheile a priori ſeyn, hier nothwendig Platz finden, zwar nicht, um ihre Richtigkeit und apodictiſche Gewis- heit zu beweiſen, welches ſie gar nicht noͤthig haben, ſon- dern nur die Moͤglichkeit ſolcher evidenten Erkentniſſe a priori begreiflich zu machen und zu deduciren.
Wir werden aber auch von dem Grundſatze analyti- ſcher Urtheile reden muͤſſen, und dieſes zwar im Gegen-
ſatz
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Syſtem aller Grundſ. des reinen Verſt.
Denn obgleich dieſer nicht weiter obiectiv gefuͤhrt werden
koͤnte, ſondern vielmehr alle Erkentniß ſeines Obiects
zum Grunde liegt, ſo hindert dies doch nicht, daß nicht
ein Beweis, aus den ſubiectiven Quellen der Moͤglichkeit
einer Erkentniß des Gegenſtandes uͤberhaupt, zu ſchaffen
moͤglich, ia auch noͤthig waͤre, weil der Satz ſonſt gleich-
wol den groͤßten Verdacht einer blos erſchlichenen Behaup-
tung auf ſich haben wuͤrde.
Zweitens werden wir uns blos auf dieienigen Grund-
ſaͤtze, die ſich auf die Categorien beziehen, einſchraͤnken.
Die Principien der transſcendentalen Aeſthetik, nach wel-
chen Raum und Zeit die Bedingungen der Moͤglichkeit
aller Dinge als Erſcheinungen ſind, imgleichen die Reſtri-
ction dieſer Grundſaͤtze: daß ſie nemlich nicht auf Dinge
an ſich ſelbſt bezogen werden koͤnnen, gehoͤren alſo nicht
in unſer abgeſtochenes Feld der Unterſuchung. Eben ſo
machen die mathematiſchen Grundſaͤtze keinen Theil dieſes
Syſtems aus, weil ſie nur aus der Anſchauung, aber
nicht aus dem reinen Verſtandesbegriffe gezogen ſind; doch
wird die Moͤglichkeit derſelben, weil ſie gleichwol ſynthe-
tiſche Urtheile a priori ſeyn, hier nothwendig Platz finden,
zwar nicht, um ihre Richtigkeit und apodictiſche Gewis-
heit zu beweiſen, welches ſie gar nicht noͤthig haben, ſon-
dern nur die Moͤglichkeit ſolcher evidenten Erkentniſſe a
priori begreiflich zu machen und zu deduciren.
Wir werden aber auch von dem Grundſatze analyti-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/179>, abgerufen am 27.11.2024.
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