ist eine solche Formel der Absicht desselben ganz zu wider. Der Mißverstand komt blos daher: daß man ein Prädicat eines Dinges zuvörderst von dem Begriff desselben abson- dert, und nachher sein Gegentheil mit diesem Prädicate verknüpft, welches niemals einen Widerspruch mit dem Sub- iecte, sondern nur mit dessen Prädicate, welches mit ienem syn- thetisch verbunden worden, abgiebt, und zwar nur denn, wenn das erste und zweyte Prädicat zu gleicher Zeit gesezt werden. Sage ich, ein Mensch, der ungelehrt ist, ist nicht gelehrt, so muß die Bedingung: zugleich dabey stehen; denn der, so zu einer Zeit ungelehrt ist, kan zu einer andern gar wol gelehrt seyn. Sage ich aber, kein ungelehrter Mensch ist gelehrt, so ist der Satz analytisch, weil das Merkmal (der Ungelahrtheit) nunmehr den Begriff des Subiects mit aus- macht, und alsdenn erhellet der verneinende Satz unmittel- bar aus dem Satze des Widerspruchs, ohne daß die Be- dingung: zugleich hinzu kommen darf. Dieses ist denn auch die Ursache, weswegen ich oben die Formel desselben so verändert habe, daß die Natur eines analytischen Satzes dadurch deutlich ausgedruckt wird.
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Das
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I. Abſch. Vom oberſten Grundſ. analyt. Urtheile
iſt eine ſolche Formel der Abſicht deſſelben ganz zu wider. Der Mißverſtand komt blos daher: daß man ein Praͤdicat eines Dinges zuvoͤrderſt von dem Begriff deſſelben abſon- dert, und nachher ſein Gegentheil mit dieſem Praͤdicate verknuͤpft, welches niemals einen Widerſpruch mit dem Sub- iecte, ſondern nur mit deſſen Praͤdicate, welches mit ienem ſyn- thetiſch verbunden worden, abgiebt, und zwar nur denn, wenn das erſte und zweyte Praͤdicat zu gleicher Zeit geſezt werden. Sage ich, ein Menſch, der ungelehrt iſt, iſt nicht gelehrt, ſo muß die Bedingung: zugleich dabey ſtehen; denn der, ſo zu einer Zeit ungelehrt iſt, kan zu einer andern gar wol gelehrt ſeyn. Sage ich aber, kein ungelehrter Menſch iſt gelehrt, ſo iſt der Satz analytiſch, weil das Merkmal (der Ungelahrtheit) nunmehr den Begriff des Subiects mit aus- macht, und alsdenn erhellet der verneinende Satz unmittel- bar aus dem Satze des Widerſpruchs, ohne daß die Be- dingung: zugleich hinzu kommen darf. Dieſes iſt denn auch die Urſache, weswegen ich oben die Formel deſſelben ſo veraͤndert habe, daß die Natur eines analytiſchen Satzes dadurch deutlich ausgedruckt wird.
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I. Abſch. Vom oberſten Grundſ. analyt. Urtheile
iſt eine ſolche Formel der Abſicht deſſelben ganz zu wider.
Der Mißverſtand komt blos daher: daß man ein Praͤdicat
eines Dinges zuvoͤrderſt von dem Begriff deſſelben abſon-
dert, und nachher ſein Gegentheil mit dieſem Praͤdicate
verknuͤpft, welches niemals einen Widerſpruch mit dem Sub-
iecte, ſondern nur mit deſſen Praͤdicate, welches mit ienem ſyn-
thetiſch verbunden worden, abgiebt, und zwar nur denn,
wenn das erſte und zweyte Praͤdicat zu gleicher Zeit geſezt
werden. Sage ich, ein Menſch, der ungelehrt iſt, iſt nicht
gelehrt, ſo muß die Bedingung: zugleich dabey ſtehen; denn
der, ſo zu einer Zeit ungelehrt iſt, kan zu einer andern gar
wol gelehrt ſeyn. Sage ich aber, kein ungelehrter Menſch
iſt gelehrt, ſo iſt der Satz analytiſch, weil das Merkmal (der
Ungelahrtheit) nunmehr den Begriff des Subiects mit aus-
macht, und alsdenn erhellet der verneinende Satz unmittel-
bar aus dem Satze des Widerſpruchs, ohne daß die Be-
dingung: zugleich hinzu kommen darf. Dieſes iſt denn
auch die Urſache, weswegen ich oben die Formel deſſelben
ſo veraͤndert habe, daß die Natur eines analytiſchen Satzes
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/183>, abgerufen am 27.11.2024.
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