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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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III. Absch. Systemat. Vorstellung aller etc.
d. i. eine Zahl Geldstücke nennen. Da nun bey aller Zahl
doch Einheit zum Grunde liegen muß, so ist die Erschei-
nung als Einheit, ein Quantum, und als ein solches ieder-
zeit ein Continuum.

Wenn nun alle Erscheinungen, sowol extensiv, als
intensiv betrachtet, continuirliche Grössen sind; so würde
der Satz: daß auch alle Veränderung (Uebergang eines
Dinges aus einem Zustande in den andern) continuirlich
seyn, leicht und mit mathematischer Evidenz hier bewiesen
werden können, wenn nicht die Caussalität einer Verände-
rung überhaupt ganz ausserhalb den Grenzen einer Trans-
scendental-Philosophie läge, und empirische Principien vor-
aussezte. Denn daß eine Ursache möglich sey, welche
den Zustand der Dinge verändere, d. i. sie zum Ge-
gentheil eines gewissen gegebenen Zustandes bestimme, da-
von giebt uns der Verstand a priori gar keine Eröfnung,
nicht blos deswegen, weil er die Möglichkeit davon gar
nicht einsieht, (denn diese Einsicht fehlt uns in mehreren
Erkentnissen a priori) sondern, weil die Veränderlich-
keit nur gewisse Bestimmungen der Erscheinungen trift,
welche die Erfahrung allein lehren kan, indessen daß ihre
Ursache in dem Unveränderlichen anzutreffen ist. Da wir
aber hier nichts vor uns haben, dessen wir uns be-
dienen können, als die reinen Grundbegriffe aller mögli-
chen Erfahrung, unter welchen durchaus nichts Empiri-
sches seyn muß, so können wir, ohne die Einheit des
Systems zu verletzen, der allgemeinen Naturwissenschaft,

wel-

III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
d. i. eine Zahl Geldſtuͤcke nennen. Da nun bey aller Zahl
doch Einheit zum Grunde liegen muß, ſo iſt die Erſchei-
nung als Einheit, ein Quantum, und als ein ſolches ieder-
zeit ein Continuum.

Wenn nun alle Erſcheinungen, ſowol extenſiv, als
intenſiv betrachtet, continuirliche Groͤſſen ſind; ſo wuͤrde
der Satz: daß auch alle Veraͤnderung (Uebergang eines
Dinges aus einem Zuſtande in den andern) continuirlich
ſeyn, leicht und mit mathematiſcher Evidenz hier bewieſen
werden koͤnnen, wenn nicht die Cauſſalitaͤt einer Veraͤnde-
rung uͤberhaupt ganz auſſerhalb den Grenzen einer Trans-
ſcendental-Philoſophie laͤge, und empiriſche Principien vor-
ausſezte. Denn daß eine Urſache moͤglich ſey, welche
den Zuſtand der Dinge veraͤndere, d. i. ſie zum Ge-
gentheil eines gewiſſen gegebenen Zuſtandes beſtimme, da-
von giebt uns der Verſtand a priori gar keine Eroͤfnung,
nicht blos deswegen, weil er die Moͤglichkeit davon gar
nicht einſieht, (denn dieſe Einſicht fehlt uns in mehreren
Erkentniſſen a priori) ſondern, weil die Veraͤnderlich-
keit nur gewiſſe Beſtimmungen der Erſcheinungen trift,
welche die Erfahrung allein lehren kan, indeſſen daß ihre
Urſache in dem Unveraͤnderlichen anzutreffen iſt. Da wir
aber hier nichts vor uns haben, deſſen wir uns be-
dienen koͤnnen, als die reinen Grundbegriffe aller moͤgli-
chen Erfahrung, unter welchen durchaus nichts Empiri-
ſches ſeyn muß, ſo koͤnnen wir, ohne die Einheit des
Syſtems zu verletzen, der allgemeinen Naturwiſſenſchaft,

wel-
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[171/0201] III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc. d. i. eine Zahl Geldſtuͤcke nennen. Da nun bey aller Zahl doch Einheit zum Grunde liegen muß, ſo iſt die Erſchei- nung als Einheit, ein Quantum, und als ein ſolches ieder- zeit ein Continuum. Wenn nun alle Erſcheinungen, ſowol extenſiv, als intenſiv betrachtet, continuirliche Groͤſſen ſind; ſo wuͤrde der Satz: daß auch alle Veraͤnderung (Uebergang eines Dinges aus einem Zuſtande in den andern) continuirlich ſeyn, leicht und mit mathematiſcher Evidenz hier bewieſen werden koͤnnen, wenn nicht die Cauſſalitaͤt einer Veraͤnde- rung uͤberhaupt ganz auſſerhalb den Grenzen einer Trans- ſcendental-Philoſophie laͤge, und empiriſche Principien vor- ausſezte. Denn daß eine Urſache moͤglich ſey, welche den Zuſtand der Dinge veraͤndere, d. i. ſie zum Ge- gentheil eines gewiſſen gegebenen Zuſtandes beſtimme, da- von giebt uns der Verſtand a priori gar keine Eroͤfnung, nicht blos deswegen, weil er die Moͤglichkeit davon gar nicht einſieht, (denn dieſe Einſicht fehlt uns in mehreren Erkentniſſen a priori) ſondern, weil die Veraͤnderlich- keit nur gewiſſe Beſtimmungen der Erſcheinungen trift, welche die Erfahrung allein lehren kan, indeſſen daß ihre Urſache in dem Unveraͤnderlichen anzutreffen iſt. Da wir aber hier nichts vor uns haben, deſſen wir uns be- dienen koͤnnen, als die reinen Grundbegriffe aller moͤgli- chen Erfahrung, unter welchen durchaus nichts Empiri- ſches ſeyn muß, ſo koͤnnen wir, ohne die Einheit des Syſtems zu verletzen, der allgemeinen Naturwiſſenſchaft, wel-

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/201>, abgerufen am 20.05.2024.